Nachdem bereits über die umstrittene “öko-soziale Steuerreform” debattiert wurde, dauerte es bis nach 14 Uhr, ehe die erwartete Debatte über die Impfpflicht beginnen konnte. Als Erster trat FPÖ-Chef Herbert Kickl ans Rednerpult und übte einmal mehr scharfe Kritik am Gesetzesvorhaben. Er sprach von einer “historischen Debatte”, er sei “entsetzt, fassungslos, erschüttert und schockiert angesichts dessen, was die Bundesregierung gemeinsam mit ihren Steigbügelhaltern einer Scheinopposition auf den Weg bringen will.” Es handle sich um einen “gigantischen Anschlag auf die Freiheit der Österreicher” und ein “regelrechtes Attentat auf die Menschenwürde”. Die Abstimmung wird in Kürze namentlich abgehalten.
Die von vielen Menschen längst als “schlechteste und kaltherzigste Regierung” aller Zeiten bezeichnete Regierung nicke die Regierungsvorlage ab, verwechsle dabei das Parlament offenbar mit einer “Vollversammlung von Pharmalobbyisten”. Zwei angebliche Oppositionsparteien würden für eine “billige Nebenrolle im jämmerlichen Regierungsschauspiel alles opfern”, dabei Mitglieder und Parlamentsklub verraten. Denn: Die Impfpflicht, so Kickl, sei ein Akt der Entrechtung. Mit einem Schlag würden Millionen Österreicher auf die Stufe von Befehlsempfängern, Knechten und Leibeigenen herabgestuft. Mit dem Spritzenzwang werde dem Totalitarismus der Weg bereitet, es drohe die “Einführung des Gesundheitskommunismus”.
Chinesisches Gesellschaftsmodell um China-Virus zu bekämpfen?
Es sei ein “Treppenwitz der Geschichte”, dass man zur Bekämpfung eines chinesischen Virus das chinesische Gesellschaftsmodell einführe. Es zähle künftig nur mehr, was “Kapazunder vom Format Mückstein” sagen, was gut für die Masse sei. Wer sich nicht daran hält, wird dann verfolgt. Als Parlamentarier schämt sich Kickl daher für die Abgeordneten der übrigen Parteien, welche die Impfpflicht “ohne Rücksicht auf Verluste” durchziehen wollen. Die FPÖ sei die einzige Partei im Nationalrat, die bei diesem Irrsinn nicht mitmache, sondern den totalitären Anwandlungen die Stirn biete und die Freiheit und Wahrheit verteidige.
Dabei verwies der FPÖ-Chef darauf, dass diverse türkis-grüne Vertreter wie Köstinger, Mückstein, Wöginger, Kurz, Edtstadler oder Kogler öfters beschworen, eine Impfpflicht werde nicht kommen. Seine Partei warnte hingegen bereits vor über einem Jahr, dass es auf einen Spritzenpflicht zuläuft, alles andere nur eine Vorstufe darstelle. Die übrigen Fraktionen vollzögen nun eine Kehrtwende in Richtung staatlichen Zwang, während andere Länder gerade lockern, niemals harte Maßnahmen hatten oder wie Tschechien eine geplante Impfpflicht einstampfen. Das Virus werde immer ungefährlicher, die Impfung immer unwirksamer.
Kickl wird Zwang boykottieren und impffrei bleiben
Just in dieser Situation würde die Corona-Einheitsfront nun für die Impfpflicht eintreten – und dabei die jeweiligen eigenen Grundsätze über Bord werfen. Die Grünen erteilten ihren Sanktus zur Rasterfahndung von Millionen untadeligen Bürgern, die SPÖ setze sich für Arbeitsplatz- und Wohlstandsvernichtung ein. Die NEOS würden – im Parteiprogramm steht “im Zweifel für die Freiheit” – dem Anspruch einer liberalen Partei nicht mehr genügen. Und auch die Volkspartei möge hinterfragen, ob es “christliche Nächstenliebe” sei, wenn man Menschen in Ängste treibt. Es gehe wohl mehr um Kontrolle, Geld und Macht.
Kickl ist sich bewusst, dass sein Standpunkt im Parlament an diesem Tag wohl in der Minderheit sein wird. Aber die Menschen draußen bilden eine immer stärkere Mehrheit, welche dies durchschaut. Diese würden die Impfpflicht über Berufung an die Gerichte, die Beanspruchung der eigenen Bürokratie des Systems sowie die demokratische Wahrheit zu kippen wissen. Die Ja-Sager von heute könnten der “gerechten Strafe von morgen” nicht entkommen. Er steht jedenfalls zu seinen Versprechen: Dazu zählt auch, dass er ungeimpft bleiben wird, auch wenn man ihn dazu noch so zwingen wolle.
Maurer (Grüne): Warnung vor Zwang “letztklassig & unsäglich”
Die grüne Klubobfrau Sigrid “Sigi” Maurer, die zuletzt mit einem obskuren ZiB2-Auftritt von sich reden machte, ließ diese Einwände nicht gelten. Den Zwang hält sie für ein Beispiel für “umsichtiges und fortschrittliches Handeln” in Richtung eines “gesellschaftlichen Zusammenhalts”. Die Impfstoffe seien mehrere Milliarden male verimpft worden. Und: “Wir wissen, dass sie sicher sind und dass sie wirken.” Wer im Hohen Haus die “Wirkung der Impfung leugnet”, könne dies “nicht ohne schlechten Hintergrund tun.”
Dass die FPÖ 2020 vor dem Spritzenzwang warnte, hält sie für “letztklassig und unsäglich”. Überhaupt machte sie die Freiheitlichen für die “niedrige” Impfquote verantwortlich. Die Impfpflicht hält sie für den Ausweg zu einem Leben ohne Einschränkungen. Dabei stellte sie auch einige unwahre Behauptungen auf – etwa, dass die Delta-Welle die Spitäler mehr belastet hätte als vorausgehende Wellen. Sie setzt staatliche Zwangsmaßnahmen offenbar mit Gesundheit gleich – und unterstellte der FPÖ daher, “die Gesundheit nicht im Auge” zu haben und “politisches Kleingeld zu waschen”.
Üble Schikane: 2G-Regel blockiert mitunter Weg zum Amtsarzt
FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak, der als Apotheker sehr gut über die Wirkung von Arzneimitteln weiß, konterte daraufhin. Er fragte die Regierung, welches Ziel sie mit ihrer “ominösen Impfpflicht” überhaupt erreichen wolle. Angeblich sei dies die Verhinderung der Ausbreitung von SARS-CoV-2 sowie der Überlastung des Systems. Bei ersterer seien sich mittlerweile alle Experten einig, dass eine sterile Immunität nicht möglich sei. Dies gelte insbesondere, weil der ohnehin schnell abbauende Teilschutz vor schweren Verläufen bei Omikron noch geringer sei und noch schneller abbaue. Und bei jener Variante zeige sich aus anderen Ländern: Diese Welle rausche in sechs Wochen durch, die Spitäler seien nicht überlastet – und die Ländern unterscheiden sich nicht nach Impfquote. Das Gesetz wirke insgesamt wie ein “Ermächtigungsgesetz” für Mückstein, weil dieser alleine entscheiden kann, wer sich wie oft impfen lassen müsse.
Insgesamt ist Kaniak der Ansicht, dass das Krisenmanagement eine Aneinanderreihung von Versäumnissen, Fehleinschätzungen und Verfassungsbrüchen sei. Auch die aktuelle Impfpflicht sei mutmaßlich verfassungswidrig und stelle den “Höhepunkt einer Eskalationspyramide” dar. Sie bestehe aus schwersten Eingriffen in die Grund- und Freiheitsrechte. Die Bürgerbeteiligung von 400.000 Stellungnahmen oder Zustimmungen zu selbigen sei einmalig in der Zweiten Republik. Wöchentlich protestierten Zigtausende auf der Straße. Doch die Regierung gehe vom Vorhaben nicht ab, sondern verschärfe es sogar. Das Verschlechterungsverbot wurde abgeschafft, Einsprüche werden schwieriger. Und viele Bürger, die eine Ausnahme begehren und dafür zum Amtsarzt müssten, könnten ihren Termin wegen 2G-Regeln in vielen Amtsgebäuden noch nicht einmal wahrnehmen.
Ahnungslose Experten & Regierung: Volk wird einst Quittung erteilen
FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst übte Kritik und brachte den absurden Ablauf des Expertenhearings im Gesundheitsausschuss am Montag zur Sprache. Eine von der ÖVP geladene Juristin befand dort etwa, es gehe gar nicht darum, ob eine Impfpflicht bei Omikron verhältnismäßig sei, sondern eben eine langfristige Maßnahme. Ob die Regierung etwas falsch machte, ist egal. Auch die medizinische Expertin der Grünen gab zwar zu, dass der Schutz bei Omikron geringer sei, aber auch dort gebe es “unlustige Verläufe”. Diese gab sogar zu, dass es Maßnahmen wie Quarantäne seien, die zur Überlastung führten, also die Corona-Politik der Regierung. Ebenso skurril findet Fürst die Darstellung einer oft zitierten Virologin, dass eine schlechte Wirkung der Impfung die Notwendigkeit einer höheren Impfquote bedinge. Auf die Frage, warum Kapazitäten nicht erhöht wurden, statt Grundrechte zu beschneiden, hätte sie keine Antwort erhalten.
Auch der blaue Generalsekretär Michael Schnedlitz ließ es sich nicht nehmen, ans Rednerpult zu treten. Er stellte klar: Sowohl die geimpften als auch die ungeimpften FPÖ-Abgeordneten würden heute gegen die Impfpflicht stimmen. Denn kein Abgeordneter habe das Recht, über den Körper eines Bürgers zu bestimmen. Er appelliert daher noch einmal an die Menschlichkeit und das Gewissen der Abgeordneten. Die Regierung unter ÖVP-Führung kenne nur eine Richtung: “Mit Volldampf gegen die Wand”. Ans Volk hatte er auch eine Botschaft: “Bitte verliert nicht den Mut und die Hoffnung”. Am Ende habe nämlich das Volk das letzte Wort – und an der Wahlurne sei jeder Politiker nur mehr Passagier. Wer heute neun Millionen Österreichern das Recht auf Selbsbtestimmung nehme, dem könne der Bürger als Souverän bei der nächsten Wahl im Umkehrschluss das Mandat nehmen.
ÖVP-Politiker bedankt sich nur bei Gen-Behandelten
Die übrigen Parteien nahmen diese Warnung aber nicht ernst. So faselte etwa Werner Saxinger (ÖVP) etwas davon, dass das einzige Mittel die Impfung und die Pflicht dazu sei, die Freiheit wiederzubringen. Die Zeiten, wo Menschen “nach dem Bauchgefühl oder nach dem Mondstand handeln oder den Freiheitsbegriff falsch interpretieren” können, sei vorbei. Am staatlichen Zwang will er festhalten: “Ich war nie ein Freund der Impfpflicht, aber sie ist aus meiner Sicht alternativlos.” Die 70 Prozent die sich impfen ließen, hält er für vernünftig und solidarisch – und nur bei diesen 70 Prozent wollte er sich bedanken.
Christian Hafenecker (FPÖ) sieht dies anders: Die ganze Aktion gleiche vor allem einem “Raubzug der Pharmakonzerne gegen den Geldbeutel der Steuerzahler”. Mückstein & Co seien Opfer der eigenen Propaganda. Es gebe längst Studien, die sagen, dass die Immunisierung nicht funktioniere. Dass sich Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nach drei Stichen infizierte, belege dies auch. Man könne jedenfalls nicht eine “nicht funktionierende Waffe unter Zertrümmerung aller Grund- und Freiheitsrechte allen Menschen verordnen”. Er erinnerte daran, dass die Pflicht auch hunderttausende Genesene und zweifach Geimpfte ab Feber zu “Bürgern zweiter Klasse” mache.
Rendi-Wagner will “Notausgang” per Zwang
SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner erklärte dennoch am Rednerpult, dass sie die Durchimpfung für den einzigen Weg aus der Pandemie hält. Die Verpflichtung dazu sei ein “Notausgang” – aber sie hält ihn für nötig. Auch sie wurde nicht müde, das Mantra zu beten, dass die Gen-Spritze auch gegen Omikron wirke, gegen schwere Verläufe ebenfalls. Sie schürte die Angst vor einer kommenden Variante, die so schwerwiegend wie Delta und so ansteckend wie Omikron sei – obwohl das eigentlich nicht die natürliche Evolution eines Virus ist. Daher müsse man “auf Nummer sicher gehen” beim “Schutz der Gesundheit”. Für eine Ärztin eigentlich ein schauriger Auftritt.
Es gelte, “sich und andere zu schützen”. Die Annahme der umstrittenen Behandlungen stelle einen “solidarischen Akt” dar. Keine besondere Freude hat sie mit einem offenen Diskurs. Wenn “Fakten systematisch geleugnet” würden und “Verschwörungstheorien verbreitet” werden, müssten “alle demokratischen Kräfte” sich entgegen stellen. Dazu wiederholte sie absurderweise faktenwidrige Geschichten über angeblich bedrohtes Gesundheitspersonal sowie eine Bedrohung und Angriffe von “Corona-Leugnern” gegenüber Kindern, weil diese Maske getragen hätten. Ein solcher Vorfall ist in dieser Form bundesweit bislang unbekannt.
Auch NEOS-Chefin befürwortet die Pflichtstiche
In eine ähnliche Kerbe schlug NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Die letzten Monate und Jahre seien anstrengend für alle gewesen. Man wolle nicht die Situation wiederhaben, dass das Gesundheitssystem am Anschlag steht. Sie verwies auch auf den dramatischen Anstieg der psychischen Erkrankungen im Land – es sei umso wichtiger, dass die Situation ein Ende nimmt. Für den einzigen Weg dorthin wähnt sie die Impfung – und sie glaubt, dass es dafür einen staatlichen Zwang braucht. Dieser geht ihrer Ansicht nach – im Gegensatz zum “Lockdown für Ungeimpfte”, den ihre Partei nicht mittrug – auch nicht zu weit.
Die Impfpflicht soll, wie Gesundheitsminister Mückstein erneut bekräftigte, ab 1. Februar kommen. In der ersten Phase gibt es ein Erinnerungsschreiben an alle Haushalte. In der zweiten Phase ab 15. März soll die Polizei die Einhaltung der Impfpflicht kontrollieren, wer diese nicht nachweisen kann, dem drohen 600 Euro Strafe. Vor der dritten Phase – der Zeitpunkt ist noch nicht fix – gibt es noch einmal ein Anschreiben, ehe einen Monat später eine Überprüfung stattfindet, ob die Bürger dem Zwang nachkamen. “Mücke” ist sicher, dass man so die “so wichtigen zusätzlichen Prozente” schafft.