Horst D. Deckert

Radikale Meinungsänderung: Kissinger will nun den NATO-Beitritt der Ukraine

Noch vor wenigen Monaten wurde Henry Kissinger dafür angefeindet, dass er einen Friedensplan für die Ukraine vorschlug, der auch Russland entgegen kam. Nun hat der 99-Jährige seine Meinung radikal geändert. Das Land solle der NATO beitreten.

Auf dem WEF-Gipfel in Davos erklärte der langjährige US-Diplomat Henry Kissinger, dass die Neutralität der Ukraine “nicht mehr länger von Bedeutung” sei. Stattdessen solle die ehemalige Sowjetrepublik dem transatlantischen Militärbündnis NATO beitreten, erklärte er. Auf dem letztjährigen Treffen in Davos im Mai sprach er sich für eine dringende Beendigung der Feindseligkeiten in der Ukraine aus, damit Russland nicht “in ein dauerhaftes Bündnis mit China getrieben wird”. Weil er es wagte, vorzuschlagen, dass Moskau die Krim – die sich 2014 wieder Russland anschloss – behalten könnte, wurde er jedoch auf die Liste der Feinde der Ukraine gesetzt, auf der beispielsweise auch Ungarns Premierminister Viktor Orban landete.

Am Dienstag stellte er seinen Ausführungen eine “Bewunderung” für den ukrainischen Führer Wolodymyr Selenskyj und das “heldenhafte Verhalten des ukrainischen Volkes” voran, bevor er im Wesentlichen dasselbe Friedensabkommen wie im vergangenen Jahr vorschlug. “Vor diesem Krieg war ich gegen die Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO, weil ich befürchtete, dass dies genau den Prozess in Gang setzen würde, den wir erlebt haben”, sagte Kissinger. “Jetzt, wo dieser Prozess so weit fortgeschritten ist, ist die Idee einer neutralen Ukraine unter diesen Bedingungen nicht mehr sinnvoll.” Um eine Eskalation zu verhindern, müsse man weiterhin einen Abzug der russischen Truppen einfordern und die Ukraine militärisch und finanziell unterstützen. Zudem brauche es “Sanktionen und anderen Druck” gegenüber Moskau.

Allerdings müsse man Russland eine Türe offen halten, dem Westen “wieder beizutreten”. Natürlich zu bestimmten Konditionen. Man müsse auf jeden Fall den Eindruck vermeiden, dass sich der Konflikt “gegen Russland selbst” richte. Es könne ansonsten geschehen, dass die Russen ihre historische “Anziehung für die Kultur Europas” überdenken würden, weil sie sich vor einer Beherrschung durch Europa fürchten”. Fortlaufende Gespräche mit Moskau seien deshalb unumgänglich, so der ehemalige US-Außenminister.

Doch es ist äußerst fraglich, ob sich Russland überhaupt wieder dem Westen annähern möchte. Der Vertrauensverlust ist mittlerweile so groß, dass immer mehr Brücken abgebrochen werden. Die noch nie dagewesene Welle an Sanktionen, das Ölembargo und der Ausschluss aus dem SWIFT-System haben dazu geführt, dass Moskau neue Verbindungen fand und etablierte. Damit wird der US-geführte Westen zunehmend obsolet.

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