
Protestverbote, Eigentumsbeschlagnahmungen und eine Abkehr von der marktwirtschaftlichen Ordnung werden eine neue deutsche Linksregierung kennzeichnen, meint der deutsche Historiker Reiner Zitelmann
Von Marek Bláha
Noch nie in der Geschichte Deutschlands war die Position der Christlich Demokratischen Union (CDU) in den Wahlumfragen so prekär, betont der Historiker und Soziologe Reiner Zitelmann. In einem Kommentar für das Portal National Interest verwies er auf den April letzten Jahres, als die Partei der jetzigen Bundeskanzlerin Angela Merkel mit 38 Prozent der Stimmen führte. Derzeit liege die CDU in den Umfragen jedoch nur zwischen 21 und 24 Prozent.
Der Autor führt den schwachen Kanzlerkandidaten der CDU, Armin Laschet, als einen der Gründe für die sinkende Unterstützung für die Partei an. Laschet, der Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes Rheinland-Westfalen ist, hat es bisher nicht geschafft, seine Partei oder die breite Wählerschaft zu begeistern.
„Vor allem aber scheint es der SPD links der Mitte zu gelingen, die Wählerinnen und Wähler in einem Ausmaß zu täuschen, das ebenfalls einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik ist“, schreibt der Historiker. Er weist darauf hin, dass die Sozialdemokraten in den letzten Umfragen um 10 Prozent zugelegt haben, vor allem dank ihres Vorsitzenden Olaf Scholz, der allgemein als relativ gemäßigter Politiker gilt.
Doch Scholz sei in der Partei nie sehr beliebt gewesen, betont der Experte. Vielmehr sei die SPD in den letzten Jahren immer weiter nach links gerückt, was sich auch daran zeige, dass mit Saskia Esken, Norbert Walter-Borjans und Kevin Kühnert Kandidaten antreten, die ähnlich wie die linksradikale Alexandria Ocasio-Cortez bei den Demokraten in den USA die Linke vertreten.
Bei den Vorwahlen habe die SPD-Mitgliederbasis diese stark linksgerichteten Kandidaten eindeutig gegenüber Scholz bevorzugt, sagt Zitelmann. Der Grund, warum sich die Partei letztlich für den gemäßigten Scholz als Spitzenkandidaten entschieden hat, sei derselbe wie bei den US-Demokraten, die sich für Joe Biden als Präsidentschaftskandidaten entschieden haben.
„Sie hoffen, mit Olaf Scholz gemäßigte Wähler zu mobilisieren, die nicht so weit links stehen wie die traditionelle Basis der Partei“, erklärt der Historiker.
Aktuelle Umfragen legen die Bildung einer Regierungskoalition aus SPD, Grünen und der Partei Die Linke nahe, so der Autor des Kommentars. Er erinnert auch daran, dass sich die SPD vor einigen Jahren weigerte, mit der Partei Die Linke auf Bundesebene zusammenzuarbeiten, weil diese zu radikal sei.
Der Historiker sieht Die Linke als jüngste Nachfolgerin der ehemaligen Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), der Regierungspartei in der Ex-DDR, die seit der Wiedervereinigung des Landes mehrfach umbenannt wurde. Die Linke setzt sich für eine umfassende Verstaatlichung, eine progressive Besteuerung von bis zu 75 Prozent und den Austritt aus der NATO ein, skizziert Zitelmann. Er fügt hinzu, dass die neue Parteivorsitzende, Janine Wissler, noch vor wenigen Monaten Mitglied einer radikalen trotzkistischen Gruppe war.
Durchbruch bei den Wahlen
Die grundlegende Agenda der Linksgrünen ist der Schutz der Umwelt und der Kampf gegen den Klimawandel, der von einem großen Teil der deutschen Medien, einschließlich der staatlichen Fernsehsender, unterstützt wird, wobei ein großer Teil der Journalisten seine Sympathie für die Partei nicht verbergen kann. Er weist darauf hin, dass in Berlin bereits eine Koalition aus SPD, Grünen und Die Linke regiert und letztere Partei sich für eine Kampagne zur Enteignung der Unternehmen ausgesprochen hat, die über 3.000 Mietwohnungen in der Stadt besitzen.
Auch die Grünen-Chefs Robert Habeck und Annalena Baerbock räumen eine solche Möglichkeit ein, wenn auch nur als „letztes Mittel“, wie Zitelmann anmerkt. Alle drei Parteien seien jedoch für die Wiedereinführung der 1997 in Deutschland abgeschafften Grundsteuer.
„SPD und Grüne betreiben jetzt eine Politik, die man nur als Wählertäuschung bezeichnen kann“, warnt der Kommentator. Vertreter beider Parteien würden täglich befragt, ob sie mit der Linken eine Bundesregierung bilden würden, und obwohl sie eine solche Möglichkeit nicht ausschlössen, wehrten sie sich behutsam dagegen, zuzugeben, dass dies tatsächlich eines ihrer Ziele sei, wohl wissend, dass es sie Tausende, wenn nicht gar Millionen von Stimmen kosten würde.
Der Historiker glaubt, dass die Dreierkoalition Deutschland radikal verändern würde. Alle diese Parteien drängen auf Kürzungen der deutschen Verteidigungsausgaben, obwohl diese innerhalb der NATO zu den niedrigsten im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt gehören und den von Angela Merkel bereits eingeleiteten Übergang des Landes von einer Markt- zu einer regulierten Wirtschaft beschleunigen würden. Zitelmann befürchtet, dass die Erfahrungen mit den Regierungen von SPD, Grünen und Die Linke in Berlin darauf hindeuten, dass es in Deutschland immer wieder zu Verstößen gegen die Verfassung kommen wird.
So wurden in Berlin Vermieter per Gesetz gezwungen, sich an ein Kappungsgrenzengesetz für bestehende Verträge zu halten, was nach Ansicht des Verfassers des Kommentars mehr oder weniger einer Teilenteignung von Immobilienbesitzern gleichkommt. Der Bundesgerichtshof habe ein solches Gesetz für verfassungswidrig erklärt, aber SPD und Die Linke machten keinen Hehl daraus, dass sie ein ähnliches Gesetz auf Bundesebene einführen wollten, kritisiert Zitelmann.
Auch die politische Freiheit in der deutschen Hauptstadt stehe unter Druck, sagt der Soziologe. Er verweist insbesondere auf das Demonstrationsrecht, da linke Versammlungen in der Regel erlaubt sind, während Versammlungen von Gegnern der staatlichen Anti-Coronavirus-Bestimmungen verboten oder von der Polizei aufgelöst werden.
„Was in Berlin passiert, gibt einen Vorgeschmack darauf, wie sich Deutschland insgesamt verändern wird, wenn SPD, Die Linke und die Grünen an die Macht kommen“, schreibt Zitelmann.
Er glaubt, dass die Wahlen im September in Deutschland ein Moment sein könnten, der die politische Landkarte des Landes für die nächsten Jahre radikal verändern wird.
Quelle: Eurozprávy.cz