Bei bürgerlichen Normalos und Vertretern der politischen Mitte die Nazi-Keule auspacken und überstrapazieren – aber bei linksautonomen Schlägern, Steinewerfern, Hausbesetzern und Landfriedensbrechern keinen Extremismus erkennen: Diese Schizophrenie bringen Berlins Linke und Grüne problemlos zuwege. Im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg lehnten sie es jetzt ab, von „linksextremer Gewalt“ bei den bürgerkriegsähnlichen Randale am Mittwochvormittag in der Rigaer Straße 94 zu sprechen.
Beide Fraktionen verweigerten sich dem ursprünglichen Wortlaut einer Resolution der Bezirksverordnetenversammlung, die von der FDP-Fraktion eingebracht worden war und über die gestern die „Welt“ berichtete: Die Formulierung „linksextremistische Gewalt“ strichen sie – neben einigen weiteren Sätzen, darunter beispielsweise die folgende Passage: „Wir werden weder dieses Verhalten noch dessen Relativierungen akzeptieren„. Trotz Unterstützung durch die Fraktionen von SPD und CDU setzten sich die Linksgrünen mit ihrer Mehrheit durch.
Die „Welt“ zitiert die FDP-Verordnete Marlene Heihsel, die ihrer Fassungslosigkeit Ausdruck verlieh: Die Streichung zeige für sie, dass Linke und Grüne „kein Problem mit dieser Art von Gewalt haben„. Dass sie damit den Nagel auf den Kopf traf, stellte anschließend gleich der Grünen-Verordnete Wolfgang Lenk unter Beweis, der sich in einer bodenlosen Relativierung seiner linksradikalen Freunde versuchte: Wenn sich „Personen in Gewaltverhältnissen vergreifen„, dann bedeute das nicht, „dass sie ihr ganzes Leben gewalttätig sind.“ Denn Menschen, die in besetzten Häusern wohnen, könnten „ausrasten und eine halbe Stunde später wieder nett sein.“
Solche zynischen, unendlich nachsichtigen Solidaritäts- und Verständnisbekundungen gelten freilich nur für Linksfaschisten – aber nie für die „Faschisten“ vom anderen Ende des Spektrums, obwohl von Letzteren eine auch nur annähernd vergleichbare Anarchiefolklore in der BRD-Geschichte bis heute nicht bekannt ist. (DM)