Der japanische Premier, Fumio Kishida, enthüllte kürzlich einen Plan, wonach die internationale Gemeinschaft in Absprache mit den G-7-Ländern, die Einkaufspreise für russisches Öl auf die Hälfte des aktuellen Niveaus begrenzen wollen. Moskau drohte umgehend: Japan werde weder Gas noch Öl aus Russland bekommen und auch nicht mehr am Sakhalin-2-Projekt – einem großen Investitionsprojekt zur Gasförderung– teilnehmen dürfen, sollten diese Pläne umgesetzt werden. Japan hat die von den USA angeführte West-Sanktionen von Anfang an mitgetragen.
Warnung vor Ölpreis-Apokalypse
Nach Kishidas Ankündigung, stellte Dmitry Medvedev, Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates und vormals russischer Premier, Japan via Telegram die Rute ins Fenster: “Der japanische Premierminister Kishida platzte kürzlich damit heraus, dass die Preis-Obergrenze für russisches Öl auf die Hälfte des derzeitigen Niveaus festgesetzt werde. Außerdem werde ein Mechanismus geschaffen, der den Kauf unseres Öls zu einem höheren als dem festgelegten Preis nicht zulässt. Aus dem Japanischen ins Russische übersetzt bedeutet dies: 1. Es wird deutlich weniger Öl auf dem Markt geben und sein Preis wird viel höher sein. Und zwar höher als der prognostizierte astronomische Preis von 300 – 400 Dollar. Vergleichen Sie dies mit der Dynamik der Gaspreise. 2. Aber Japan wird weder Öl noch Gas aus Russland noch die Teilnahme am Sachalin-2 LNG Projekt haben. Arigato (Danke)!”
Japan im Sanktions-Spagat
Japan hat sich generell den westlichen Sanktionen gegen Russland angeschlossen. Moskau hat deshalb im März die Gespräche zur Klärung territorialer Konflikte und zum Abschluss eines Friedensvertrages nach dem 2. Weltkrieg abgebrochen. De jure stehen die beiden Länder noch im Krieg miteinander. Im Mai kündigte Japan an, die russischen Ölimporte auslaufen zu lassen. Es wolle aber weiterhin an den zwei Sakhalin-2 Flüssiggas-Projekten teilnehmen. Japan importiert zu 99 Prozent Öl und Flüssiggas. Größte Lieferanten sind Australien, Malaysien und Katar. Aus den USA und Russland werden jeweils rund 9 Prozent Flüssiggas bezogen.
Sakhalin-Projekt ohne Japan
Per 30. Juni d.J. gab Wladimir Putin den „Sachalin-2-Erlass“ heraus. (Sakhalin 1 ist ein Schwesterprojekt zur Öl- und Gasförderung auf der Insel Sakhalin). Er betrifft die gemeinsame Erschließung von zwei Erdgasvorkommen bei der russischen Insel Sachalin. Für die Erschließung und Förderung der Vorkommen gründeten Russland, Japan und der transnationale Konzern Shell gemeinsam die „Sakhalin Energy“. Die Gazprom hält dabei die Hälfte, Shell fast ein Drittel und japanische Konzerne rund 20 Prozent Anteile. Shell brach Ende Februar alle gemeinsamen Gazprom-Projekte, auch die Beteiligung an Sakhalin-2 ab. Laut Putin-Erlass werden die Aktiva samt Erschließungslizenz von „Sakhalin Energy“ auf eine noch zu gründende russische Gesellschaft übertragen. Das Vermögen der bisherigen Gesellschaft wird „nationalisiert“. Japan wurde freigestellt, weiterhin mit seinen Anteilen dabei zu sein.
Politische Unfähigkeit
Wie sehr sich Japan mit der Beteiligung an den West-Sanktionen selbst schadet, beschrieb erst kürzlich der stellvertretende Direktor des Marubeni-Instituts für Wirtschaftsforschung, Yasuhiro Enomoto, in einem Kommentar in der auflagenstärksten Zeitung Japans, der „Asahi Shinbun“. Er warnte vor dem Bumerang-Effekt, der auch Japan in Form höherer Energiepreise und höherer Inflation treffen werde. Die West-Sanktionen haben kurzfristig keine Wirkung. Die diplomatische und strategische Unfähigkeit der von den USA angeführten Anti-Russland-Front zeigt sich auch bei Premier Kishida: Er konterkariert alles, was sein langjähriger, konservativer und umsichtiger Vorgänger, Abe Shinzo – der heute im Spital nach einem Attentat verstorben ist – aufgebaut hat. Denn noch vor wenigen Jahren war die russische Regierung (damals mit Dmitri Medwedew an der Spitze) bereit, Japan ein Kondominium (gemeinschaftliche Herrschaft) an den südlichen Kurilen und weitreichende Ausbeutungsrechte im gesamten Fernen Osten des Landes einzuräumen.
USA als Aufwiegler
Dass hinter der neuen Aggression Japans vor allem die USA stehen, vermutet Nikolay Patrushev, Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates und enger Putin-Vertrauter: Japan verstärke seine revanchistische Haltung gegenüber den vier nordwestpazifischen Inseln, die im Zentrum eines langjährigen territorialen Streits zwischen den beiden Ländern stehen. Die USA und ihre Verbündeten „verstärken ihre militärische Präsenz in der Arktis und im asiatisch-pazifischen Raum und aktivieren Japans revanchistische Bestrebungen in Bezug auf die Kurilen durch die Schaffung neuer Militärblöcke“. Die vier von Russland kontrollierten Inseln, vor der Ostküste der nordjapanischen Präfektur Hokkaido, werden in Japan als „Nördliche Territorien“ bezeichnet, in Russland als „Südliche Kurilen“. Sie wurden seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges von der Sowjetunion bzw. seit deren Zerfall, 1991, von Russland verwaltet. Japan erhebt ebenfalls einen Anspruch darauf.