Die heftigen Reaktionen auf meinen vorgestrigen Kommentar „Putin ist der Aggressor“ haben mich keineswegs überrascht. Wie ich darin bereits vorweggenommen bzw. ausgeführt hatte, ist vor allem unter Konsumenten der freien Medien und in den Reihen der sogenannten Gegenöffentlichkeit ein derart unversöhnlicher Zorn und ein so tiefgreifendes Misstrauen gegen den medialen Mainstream und die Politiker der etablierten Parteien verbreitet, dass sie sogleich Verrat oder gar Propaganda wittern, wenn jemand aus dem eigenen Lager plötzlich einmal zu weitgehend ähnlichen Einschätzungen wie diese gelangt. Ihnen ist es unbegreiflich, wie jemand zugleich gegen massenhafte Flüchtlingsaufnahme und AfD-Bashing, gegen ökosozialistischen Globalismus und Gesundheitsdiktatur, gegen EU-Zentralismus und Wokism eintreten kann – und dann aber Putin attackiert, der für irrigerweise für den Gegenentwurf zu all diesen fatalen Tendenzen gehalten wird. Zwischen allen Stühlen ist für einen kritischen Journalisten offenbar stets der beste Platz.
Um mit einem Missverständnis aufzuräumen: Ansage verfolgt keine Agenda und keine monolithische dogmatische Einheitsmeinung. Bei uns gibt es keine Meinungen im Dutzend oder Überzeugungen im „Bundle”. Wer gegen Corona-Maßnahmen und Great Reset schreibt, gegen Genderwahn und Klimapsychose ist, der kann zwar, muss aber eben nicht automatisch auch „pro Putin” sein oder gar den Angriffskrieg gegen einen souveränen Staat gutheißen. Auf dieser Plattform schreiben verschiedene Autoren mit ganz unterschiedlichen Sichtweisen, und gerade in der Einschätzung des Russland-Ukraine-Konflikts liegen sie oft diametral auseinander. Ich selbst vertrete innerhalb der eigenen Redaktionsmannschaft eine Minderheitsposition, derer ich mich nicht schäme und die ich auch verteidige; aber ich respektiere – dem Credo dieser Seite folgend, eine Plattform für freie Rede zu sein – auch alle anderen Meinungen zum Thema. Sogar dann, wenn ich sie für teilweise schwer erträglich halte. Weil ich weiß, dass es umgekehrt anderen mit meiner Meinung vermutlich ebenso ergeht.
Toleranz und Streitkultur
Wer dieses Verständnis von Toleranz und Streitkultur nicht teilen mag und meint, aus Trotz oder Empörung darüber, dass ihm eine bestimmte Sichtweise gegen den Strich geht, ausfallend werden zu müssen, oder wer uns aufgrund einer kontroversen Meinung gleich ganz zu deabonnieren und fortan schneiden zu müssen: Um den ist es nicht schade – denn er hat nicht begriffen, was Meinungsfreiheit bedeutet. Er sollte dann konsequenterweise fortan aber auch schweigen, wenn es wieder einmal um öffentlich-rechtliches Framing oder Mundtotmachung von regierungskritischen Journalisten geht – weil er nämlich kein Deut anders tickt als die intoleranten Zensoren im linken Mainstream.
Stets vorschnell all das ins Reich der Propagandamärchen und Lügen zu schieben, was die eigene Überzeugung stört und die Anstrengung einer umständlichen Rechtfertigung der eigenen Position (inklusive lästiger Widerlegung vorgebrachter Gegenargumente) mit sich bringen könnte, ist natürlich die bequemste Form der Diskursvermeidung. Zu Recht kritisieren wir genau diese Engstirnigkeit und bornierte Schlichtkeit bei den coronagläubigen Impf- und Maßnahmenbefürwortern: Für sie ist alles, was ihren naiven Urglauben in die Aufrichtigkeit der Institutionen, des „System“ und der vermeintlichen „Weisheit der Vielen“ (vulgo: Mehrheitsgesellschaft) trüben könnte, „Verschwörungstheorie“, Folge von Gehirnwäsche und Medienmanipulation. Auf diese Weise brauchen sie sich nicht mit wissenschaftlichen Widerlegungen der Masken- und Impfstoffwirksamkeit, Studien über die reale Kliniksituation oder fatale Impfnebenwirkungen auseinanderzusetzen: Das Etikett „Geschwurbel“ genügt.
Schablonendenken beider Lager
Leider begehen viele „unseres“ Lagers derzeit denselben Fehler – und machen es sich nur allzu einfach: Wer zum Thema Russland eine andere Meinung vertritt, muss für sie zwingend „US-Propaganda“ erlegen sein, oder er folgt sonstigen finsteren Narrativen der „aggressiven” NATO, des „Kriegstreibers Amerika” oder des verhassten „Westens”. Aber Schablonendenken ist im einen Fall so fatal wie im anderen. Ich kann nur für mich sprechen: Ich halte für gegen jegliche Propaganda von egal welcher Seite zumindest bestmöglich immunisiert – durch lebenslange eigene Studien, ständige (Weiter-)Bildung und permanente Horizonterweiterung sowohl durch geschichtliche, publizistische wie auch literarische Befassung mit dem Thema; aber auch durch eigene Reisen und vor allem durch Austausch und Pflege persönlicher Bekanntschaften.
Der Schlüssel, sich zu komplexen Fragestellungen überhaupt äußern zu können, liegt in der Fähigkeit und Bereitschaft zur Differenzierung. Einfache Antworten gibt es nicht – nur die Demut der Erkenntnis, dass es letztlich keine unfehlbare Wahrheit gibt. Hegel sagte sinngemäß: Das Wesen der Tragödie liegt nicht im Gegensatz von Richtig und Falsch, sondern von Richtig und Richtig. Darüber sollte manch einer mal nachdenken, der dem anderen Lager sogleich agitatorische Zwecksympathien und Lügen unterstellt oder sich in Beleidigungen ergeht.
Auf Ansage werden jedenfalls auch weiterhin unterschiedliche Meinungen zur gegenwärtigen Krise (gerne natürlich auch zu anderen Themen) veröffentlicht. Zur Vorwarnung: Morgen werde ich, auch auf die Gefahr hin, damit in ein Wespennest zu stechen, selbst noch einmal meinen „Hut in den Ring“ werfen und ein paar Zusammenhänge zum aktuellen Streitthema beleuchten (der Shitstorm dürfte programmiert sein)… aber keine Sorge: die Dissenting Votes anderer Autoren werden zeitnah folgen. Lasst uns streiten – aber uns nicht bekriegen. Darum geht es.
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