Überraschend hat das deutsche Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde der Initiative „Händler helfen Händlern“ nicht, wie ursprünglich befürchtet, kategorisch zurückgewiesen, sondern zur Beratung angenommen. Will das Gericht, nach verheerenden regierungsloyalen Entscheidungen der letzten Zeit, etwa wieder Vertrauen zurückgewinnen?
Bei der bereits im vergangenen Mai eingereichten Eingabe handelt es sich um eine juristisch fundiert ausgearbeitete Beschwerde einer eigens gegründeten Initiative namhafter Handelsfirmen, der unter anderem Intersport, Ernsting’s Family, Takko, Tom Tailor oder Engelhorn angehören. Die Einzelhandelsketten sehen durch die Bundesnotbremse vom vergangenen Frühjahr und die daraus resultierenden Zwangsschließungen von Geschäften ihre Grundrechte auf Berufsfreiheit, Eigentum und den Gleichbehandlungsgrundsatz nach den Grundgesetzartikeln 12, 14 und 3 Abs. 1 verletzt.
Aufgrund der Seltenheit, mit der Verfassungsbeschwerden üblicherweise zugelassen werden, ist Intersport-Vorstandschef Alexander von Preen nun auch bezüglich des Ausgangs des Verfahrens optimistisch. Vordergründig steht dieser positiven Erwartungshaltung zwar die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entgegen, das noch Ende November entschieden hatte, dass die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen sowie die Schulschließungen der Bundesnotbremse, nach dem damaligen Sach- und Kenntnisstand gerechtfertigt waren (siehe Tagesschau und Bundesverfassungsgericht).
Tatsächlich aber könnte die Annahme der Beschwerde darauf hindeuten, dass das oberste deutsche Gericht unter Ägide von Merkel-Intimus und CDU-Parteisoldat Stephan Harbarth dem fatalerweise entstandenen und wohlbegründeten Eindruck abhelfen will, es sei zu einem quasi „gleichgeschaltetes“ Erfüllungsinstrument des Corona-Staates verkommen. Möglich wäre auch, dass durch die Annahme zumindest der Anschein von judikativer Neutralität und Unvoreingenommenheit erweckt werden soll, die spätere Entscheidung dann aber doch zu Ungunsten der Beschwerdeführer ausfällt.
Die Eingabe, die auf einem Gutachten des Augsburger Rechtsprofessors Josef Franz Linder und der Großkanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek basiert, wendet sich gegen handwerkliche und inhaltliche Fehler des Gesetzes zur Bundesnotbremse. Sollte das Gericht sich dieser Argumentation anschließen, hoffen die Kläger auf Entschädigungen. Als Vergleich bezieht sich von Preen auf die Schadenersatzzahlungen von 2,4 Milliarden Euro, die die Bundesregierung im Zuge des Atomausstieges an diverse Energiekonzerne leistete; analoge Restitutionen seien auch für den Handel wegen der Corona-Schließungen vorstellbar.
Von Preen kritisiert auch, dass es für die 2G-Regelungen im Einzelhandel „keine Begründung“ mehr gebe, nachdem sie bereits von mehreren Gerichten aufgehoben worden seien. Und auch ZGV-Hauptgeschäftsführer Ludwig Veltmann übt ebenfalls heftige Kritik an der Regelung:
2G verursacht nicht nur nachweislich massive Umsatzrückgänge für die ohnehin seit zwei Jahren pandemiebedingt wirtschaftlich blutenden Branche, auch die Kosten werden durch den steigenden Personalaufwand in die Höhe getrieben.
Sie sei, wie sich im Lebensmitteleinzelhandel zeige, auch völlig unwirksam, wo es, ohne Nachweispflicht und trotz hohen Kundenaufkommens, keine nennenswerte Infektionsrate gegeben habe. Inzwischen, so Veltmann,
fehle jedes Verständnis dafür, dass die politischen Entscheidungsträger selbst die Urteile der Gerichte in verschiedenen Bundesländern für ihr eigenes Handeln in den Wind zu schreiben scheinen.