Das Motto „Haltet den Dieb“ ist unter ressortübergreifend frei dilettierenden deutschen Spitzenpolitikern inzwischen weitverbreitet, zwischen Ex-Groko-Partnern, zwischen die während der letzten zwei Coronajahre kein Blatt Papier passte, ist ein offenes Hauen und Stechen ausgebrochen: So forderte nun der bayerische Ministerpräsident Markus Söder in drastischen Worten die Ablösung von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht: „Sie blamiert Deutschland vor der Ukraine und unseren westlichen Partnern. Scholz müsste eigentlich eine Kabinettsrochade machen“, so der CSU-Chef.
Die polternde Forderung erfolgte im Zuge einer gestrigen Sitzung des CSU-Vorstands in München. Aufhänger war wieder einmal die aus Unionssicht zu zögerliche, in Tat und Wahrheit hochfahrlässige Aufmunitionierung der Ukraine, die Söder gar nicht schnell genug gehen kann: Es seien „mehr Waffen für die Ukraine nötig.“ Kernaussage dieser schizophrenen Politik: Deutschland müsse „Waffen liefern, ohne Kriegspartei zu werden.“
Als Herrin über eine systematisch kaputtgesparte und marode, nicht abwehrbereite Truppe, zudem noch als Quereinsteigerin völlig fachfremd, ist da die Fehlbesetzung Lambrecht natürlich willkommene Zielscheibe. Unmittelbarer Anlass für Söders Forderung war denn auch Lambrechts Ablehnung der ukrainischen Forderung nach der Lieferung deutscher Schützenpanzer, weil diese „alle in Nato-Verpflichtungen eingebunden” seien.
Atemberaubende Inkompetenz
Tatsächlich hat Lambrecht in ihrer kurzen Amtszeit eine selbst für deutsche Politikverhältnisse atemberaubende Inkompetenz bewiesen. Ohne jegliche Sachkenntnis oder auch nur Motivation ins Amt gekommen, tritt ihre völlige Überforderung in der Ukraine-Krise fast täglich zutage: Von der jetzt von Söder monierten Unfähigkeit, die der Ukraine zugesagten Waffen zu liefern, über die ebenso eigenmächtige wie falsche Zusage an die EU-Partner, Deutschland werde die kompletten 5.000 Mann für die geplante neue „EU-Eingreiftruppe” stellen bis hin zu bizarren TV-Auftritten reicht das Spektrum ihrer Missgeschicke in den paar Monaten ihrer bisherigen Amtszeit.
Wer im Glashaus sitzt…
Und dennoch: Ausgerechnet Markus Söder einer der letzten, der hier den ersten Stein werfen sollten. Seine gesamte politische Karriere ist von einem brutalen, völlig prinzipienlosen Opportunismus geprägt, der weit über das selbst für bundesdeutsche Politikermaßstäbe normale Maß hinausgeht. So war ihm während der Corona-Pandemie keine Maßnahme hart genug, um sich als Krisenmanager zu profilieren. In seinen ständigen Forderungen nach Lockdowns, Impfungen, Abstandsregeln, seinen unablässigen Warnungen vor immer neuen Viruswellen und der willkürlichen Absage der Weihnachtsmärkte in Bayern stand er etwa Karl Lauterbach in nichts nach.
Spätestens seit der Wahlniederlage der Union bei der Bundestagswahl 2021, zu der Söder durch seine ständigen öffentlichen Querschüsse gegen den eigenen Kanzlerkandidaten Laschet einen wesentlichen Teil beitrug, vollzieht er ein Wendemanöver nach dem anderen: Im Sommer 2021 warnte er vor einer angeblichen „Pandemie der Ungeimpften“ und forderte, den Druck auf diese zu erhöhen. Vergangenen November forderte dann er eine massive Verschärfung der Corona-Regeln und ließ sich sogar zu der geradezu aberwitzigen Aussage hinreißen, eine Impfpflicht werde „die Spaltung der Gesellschaft eher überwinden als vertiefen”.
Söders “hin und her”
Im Februar kündigte er dann an, die einrichtungsbezogene Impfpflicht für Pflegekräfte in Bayern nicht umsetzen zu wollen und forderte einen „Einstieg in den Ausstieg” aus den Corona-Beschränkungen. Mit dieser erratischen und letztlich ebenso unfähigen Amtsführung ist Söder der letzte, der mit dem Finger auf Lambrecht zeigen sollte – denn nach seinen eigenen (vorgeblichen) Maßstäben dürfte er selbst längst nicht mehr im Amt sein. Der Schaden, den er durch seine dreiste Wendehalspolitik über Bayern gebracht hat, den Vertrauensverlust in die Politik, die er aufgrund seines bundespolitischen Einflusses deutschlandweit zu verantworten hatte, übertrifft die Fehlleistungen selbst einer Lambrecht um Längen.