Offenbar hat der CSU-Ministerpräsident in München nicht nur keinerlei Lehren aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gezogen, das ihm in einer zwar viel zu späten, aber deshalb nicht weniger aufsehenerregenden Entscheidung zur Coronaverordnung im Freistaat mit ihren Ausgangsbeschränkungen glatten Rechts- und Verfassungsbruch bescheinigt hatte: Statt sich fortan zurückzunehmen, mit größter Zurückhaltung Grundrechte anzutasten und im Zweifel für die Freiheit zu entscheiden, nimmt Södolf die derzeit „explodierenden Inzidenzen“ (trotz deren ausdrücklicher Abschaffung als Pandemie-Leitindex!) erneut zum Anlass, die Corona-Maßnahmen erneut zu verschärfen.
So plant Söder Wahnwitziges: Neben einer „erweiterten Maskenpflicht“ soll fortan auch noch eine Steigerung von „3G“ zu „3G plus“ installiert werden – zur noch drastischeren Diskriminierung Ungeimpfter. Greift diese, müssen Ungeimpfte etwa beim Friseurbesuch oder beim Einkehren in eine Gaststätte einen PCR-Test vorlegen – ebenso wie bislang der Antigen-Schnelltest auf eigene Kosten zu besorgen, versteht sich, die in diesem Fall ein Vielfaches der Schnelltestkosten betragen. Statt den Bürgern ihre (einst bereits für den Fall einer viel niedrigeren Impfquote als der bereits erreichten) versprochene Freiheit zurückzugeben, fällt Söder wieder in alte Autoritätsreflexe zurück.
Alte Autoritätsreflexe
Wenig überraschend, kommt an den Plänen der Staatsregierung – die letztlich das Eingeständnis des Scheiterns der Impfkampagne implizieren, da ein großer Teil der Neuinfektionen „Durchbrüche“ vollständig Geimpfter sind – so gut wie keine Kritik von Seiten der Altparteien im Landtag, sondern nur von der AfD als auch in diesem Fall anscheinend einzig besorgter Realopposition. Deren wirtschaftspolitischer Sprecher und stellvertretender Fraktionsvorsitzender, Franz Bergmüller, nannte es einen „Skandal, dass Söder gesunde Menschen ohne Symptome schikaniert„. Da sich bereits infolge der „normalen“ 3G-Regel eine deutliche Zurückhaltung von Ungeimpften beim Gaststättenbesuch oder bei der Inanspruchnahme von Dienstleistungen bemerkbar mache, wird der Plan, Ungeimpften als Zutrittsvoraussetzung nun sogar einen PCR-Test abzuverlangen, diese erstrecht aussperren: „Faktisch handelt es sich um eine Ausgrenzung gesunder, ungeimpfter Personen.“
Begründet wird auch diese nächste Eskalationsstufe der Apartheid mit der angeblichen „Überlastung der Krankenhäuser“ die, so Bergmüller, „insgesamt jedoch nicht gegeben ist.“ Außerdem soll Söders Plan zufolge auch das Auflagen-System und die Überwachung der Hospitalisierungstendenz überarbeitet werden: Die bestehende sogenannte Krankenhaus-Ampel habe nämlich „Schwächen„, weil sie „regionale Besonderheiten vernachlässige„, weshalb künftig vorgesehen ist, dass die Ampel bei 600 so deklarierten „Corona-Intensivpatienten“ bayernweit überall auf Rot schaltet – unabhängig davon, wo die Fälle auftreten. Unverhältnismäßigkeit und bürokratische Willkür kehren damit wieder in den Alltag zurück: Wenn also in Mainfranken in einem Hotspot eine größere Zahl an Klinikeinweisungen „an und mit Covid“ erfolgt, herrscht ebenfalls im Berchtesgadener Land, Oberstdorf oder in Passau Alarmstufe Rot, selbst wenn in den dortigen Kliniken gähnende Leere herrschen sollte. Mit solchen arbiträren Regularien handelt sich Söders Kabinett gleich die nächste Verfassungsklage ein – sofern sein Koalitionspartner, die Freien Wähler, bei deren Verabschiedung überhaupt mitzieht. Für Söder hingegen scheint diese Pandemie nie enden zu dürfen…