Fast zeitgleich zum Rheinland kam es am 20. Juli auch in der chinesischen Provinz Henan zu einer verheerenden Überschwemmung. Vor allem die Millionenmetropole Zhengzhou war davon betroffen, wo laut offizieller Darstellung mehrere Dutzend Menschen starben. Anhand von Augenzeugenberichten und Aufnahmen, die bei der Überflutung eines langen Autotunnels entstanden, kann die exilchinesische Journalistin Jennifer Zeng jedoch nachweisen, dass die Zahl der Toten um das hundertfache höher liegen muss. Sie wirft der KP China vor, eine systematische Vertuschungskampagne zu betreiben, nachdem sich das Unglück analog zur Katastrophe im Rheinland überhaupt erst nach einem eklatanten Behördenversagen in dieser Weise entfalten konnte.
Ein dicht befahrener Pendlertunnel als Todesfalle
Die Flut in Zhengzhoukam urplötzlich gegen 16 Uhr am Dienstag vor einer Woche. Die Behörden wussten zwar von Seiten der Meterologen, dass mit starken Überschwemmungen zu rechnen ist, niemand aber wurde darüber informiert. Zahllose Menschen, die gerade von der Arbeit auf dem Weg nach Hause waren mussten auf ihre Instinkte vertrauen, oder aber sie waren auf ihr Glück angewiesen, um nicht von der Flut mitgerissen und ertränkt zu werden.
Ganz besonders viel Glück hatten jene Pendler, die gerade in den Jingguang Autotunnel hineinfuhren oder dabei waren, den zur Hauptachse der Stadt gehörenden Tunnel wieder zu verlassen. Als die Flut kam, füllte sich dieser in nur wenigen Minuten bis oben hin. Entkommene sprechen von 4-10 Minuten, die es von der ersten Pfütze bis zur Füllung dauerte.
In der offiziellen Darstellung sollen dort nur wenige Dutzend Menschen ertrunken sein. Das jedoch ist kaum glaubwürdig in Anbetracht der Dimensionen des Tunnels. In drei Abschnitten mit jeweils über einem Kilometer Länge verläuft der Tunnel dreispurig in beide Richtungen mitten durch die Stadt. Da die Zeit der Flutung auf den Nachmittag fiel, war er gefüllt mit Pendlern, die im üblichen Stoßverkehr dicht hintereinander fuhren. Zeugen berichten, dass es noch kurz vor der Flutung möglich war, in den Tunnel hineinzufahren, was vermuten lässt, dass sich der Tunnel mit dem steigenden Wasser weiter mit Auto füllte, als es am tiefsten Punkt bereits nicht mehr weiterging.
Auf Basis der Größe des Tunnels und Aufnahmen durch festsitzende Pendler im Tunnel während der Flutung belaufen sich Schätzungen auf 4.000 bis 12.000 Menschen, die darin gefangen waren, als das Wasser kam. Die meisten der Festsitzenden werden bis kurz vor Ende die wirkliche Gefahr durch das Wasser nicht erkannt haben, da zu keinem Zeitpunkt eine behördliche Warnung über die dramatische Situation herausgegeben wurde. Das lässt befürchten, dass die meisten jener, die sich nicht im Bereich der Tunnelenden befanden, in ihren Autos ertrunken sind.
Erschwerend kommt in China noch hinzu, dass die wenigsten Menschen dort schwimmen können. Ein Überlebender berichtet, dass er andere sah, wie sie auf den Dächern ihrer Autos kauerten, allerdings nicht mehr wegkamen, da das Wasser schon kopfhoch stand. Er war der einzige, der in Sicherheit schwimmen konnte, obwohl zahlreiche andere Autos neben seinem standen, deren Passagiere ihre Fahrzeuge nicht aufgeben wollten oder konnten.
Insgesamt über 10.000 Opfer befürchtet
Der Autotunnel war nicht der einzige Ort des Schreckens während der Überschwemmung. Auch zahlreiche U-Bahnschächte füllten sich so rasend schnell, so dass den darin gefangenen Pendlern nichts anderes blieb, als mit Videos auf ihre Situation aufmerksam zu machen, die sie in das Internet hochluden. Das Internet war das einzige, das zu dem Zeitpunkt noch funktionierte. Die U-Bahnen selbst waren zu diesem Zeitpunkt schon lahmgelegt, während die Passagiere bis zur Brust im Wasser standen.
Laut den chinesischen Behörden soll auch im U-Bahnsystem der Stadt alles glimpflich abgelaufen sein. Dieser Darstellung widerspricht der Mitarbeiter einer Versicherung, bei der die verlorenen U-Bahnwaggons versichert waren. Er spricht von 91 Waggons, deren Verlust ersetzt werden soll, nachdem sie in den Fluten versunken sind. Sollten alle davon mit Pendlern gefüllt gewesen sein, dann wäre im Schlimmstfall noch einmal mit einer hohen vierstelligen Zahl an Opfern zu rechnen.
Insgesamt werden in der Stadt mit über 6 Millionen Einwohnern aktuell noch 4.500 Menschen vermisst. Manche spekulieren auf Basis der Verheerungen von 15.900 Todesopfern aufgrund der Überschwemmung. Tage nach der Katastrophe war der Hauptbahnhof in der Stadt zeitweise randvoll mit Menschen, die auf der Suche nach ihren Angehörigen in die Stadt gekommen sind, wie an Videoaufnahmen zu erkennen ist, und ein weiteres Zeichen, dass an der offiziellen Darstellung etwas falsch sein muss. In die selbe Kerbe schlägt ein Räumungsarbeiter, der unmittelbar nach der Katastrophe mit der Bergung der Leichen beschäftigt war. Er meinte, dass im Autotunnel 6.300 Tote gefunden wurden, bis er den Anblick nicht mehr ertragen konnte und um seine Ablösung bat.
Informationskontrolle ist Trumpf
Der Räumungsarbeiter meinte auch, dass ihm und seinen Kollegen vor Beginn der Bergung die Smartphones abgenommen wurden, damit sie keine Aufnahmen in das Internet hochladen konnten. Es ist ein deutlicher Indikator dafür, dass die Behörden vor Ort etwas zu verbergen hatten. Zwar könnte durchaus auch Pietät gegenüber den Verstorbenen angeführt werden als Grund für das Filmverbot, das jedoch wäre ein indirektes Eingeständnis, dass mehr als nur geflutete PKWs aus dem Tunnel geräumt werden müssen.
Ein weiterer Umstand, dass in Zhengzhou zu einer Großkatastrophe kam und diese vertuscht werden soll, ist das schnell dorthin beorderte Militär. Von der Größenordnung eine ganze Brigade PLA-Soldaten wurde zu den Aufräumarbeiten abkommandiert, wobei sie in erster Linie die Sicht auf die Tunneleinfahrten versperrten und dank ihrer Verpflichtung stiller halten müssen als einheimische Helfer, die womöglich jemanden kennen, der noch immer vermisst wird.
Generell versuchen die Behörden die wirkliche Situation hinter einer großen Sichtwand zu verstecken. Dies buchstäblich in dem Sinn, als dass niedergelegte Blumen für die Opfer inzwischen hinter Absperrungen verschwunden sind und auch, dass die Aufräumarbeiten durch die Nacht weitergehen. Aufmerksame Anwohner beobachteten dabei mehrmals von den Tunneleingängen wegfahrende LKWs, deren Ladung gefüllten Leichensäcken verdächtig ähnlich sah.
Ebenso wurde die schon aus der DDR bekannte Taktik des Störens ausländischer Journalisten angerollt, um deren allzu neugieriges Herumschnüffeln zu unterbinden. In den Sozialen Medien Chinas wurden die Namen inklusive Foto und Aufenthaltsort von Journalisten herumgereicht mit der Bitte an die KP-Jugend, die Zielpersonen neugierig zu befragen und ihre Arbeit filmisch zu dokumentieren. Gleichzeitig wurde dazu aufgerufen, jeden von den unlauteren Absichten der Journalisten zu unterrichten, der sich auf ein Interview mit den ausländischen Journalisten einlässt.
Die KP zieht alle klassischen Register des Sozialismus beim Management der Hochwasserkatastrophe. Selbst der Fingerzeig auf andere darf dabei nicht fehlen, der in diesem Fall auf Deutschland gerichtet wurde. Chinas Presse sparte nicht mit Kritik an der deutschen Regierung für den eklatanten Ausfall beim Katastrophenmanagement infolge des Unwetters im Rheinland. So gerechtfertigt diese Kritik inhaltlich auch sein mag, sie wird erst im Kontext mit dem eigenen Versagen erst so richtig rund. Denn wenn es das insgesamt noch immer mit einem viel zu guten Ruf behaftete Deutschland schon nicht schafft, eine derartige Krise abzuwenden, so das CCTV-Framing dahinter, wie soll China es dann besser können?
Auch in China war die Katastrophe behördengemacht
Mit dem Vergleich zur Hochwasserkatastrophe im Rheinland hat die Propagandaabteilung der KP mehr recht, als ihr vermutlich bewusst ist. Denn wie auch in Deutschland entwickelte sich die Überschwemmung auch in Zhengzhou vor allem deswegen zur Katastrophe, weil im Vorfeld ein Staudamm seine Befüllungsgrenze erreichte und geöfnet werden musste. Dieser befindet sich nur wenige Kilometer vom Stadtzentrum von Zhengzhou entfernt und liegt 50m über dem Tunnelsystem der Stadt, so dass sich das Wasser zwangsläufig über die versiegelte Fläche der Stadt dorthin ergießen musste.
Schuld an den vielen Toten infolge der Flutwelle waren jedoch nicht die Meteorologen, welche die Öffnung empfahlen und auch nicht Staudammbetreiber, die ihrem Rat gefolgt sind und das Wasser abließen. Sie beide haben ebenso wie ihre Kollegen in Deutschland konkret die Öffentlichkeit vor den drohenden Konsequenzen gewarnt und am Ende nur ihre Arbeit getan.
Die Informationskette ist erst danach gebrochen, als es für die Politik und Behörden in der Stadt darum ging, die weitere Öffentlichkeit darüber in Kenntnis zu setzen und die Alarmsysteme auf rot zu schalten. Dies geschah nicht und zwar nicht einmal dann, als sich der Tunnel zu füllen begann. Während es in Deutschland Berichte gibt, wonach Polizisten in den gefährdeten Gebieten noch rechtzeitig ihre Familien herausgeholt haben, sah sich die Tunnelverwaltung von Zhengzhou nicht in der Lage, ihr hochmodernes Überwachungssystem für eine Warnung zu verwenden.
Gerade erst im Juni berichteten Chinas Medien stolz über ein „Smarttunnel System“, das im Jingguang Autotunnel installiert wurde und das dank zahlreicher Kameras und sonstiger Sensoren dazu in der Lage ist, den Tunnel und die sich darin befindlichen Personen umfassend zu überwachen. Die Frage ist damit letztlich nicht nur, warum mit Beginn der Befüllung des Tunnels nicht sofort die Zufahrt gesperrt wurde, sondern auch warum den darin gefangenen Personen nicht in letzter Sekunde eine Notfallnachricht auf die in China allgegenwärtigen Smartphones geschickt wurde, was dank der Technik sicherlich möglich gewesen wäre. Ebenso müsste es den Behörden jetzt im Nachhinein möglich sein, Videoaufnahmen zu veröffentlichen, aus denen ersichtlich wird, wie der Tunnel noch rechtzeitig evakuiert wurde.
Nichts derartiges geschah, wobei einer der Überlebenden meinte, dass „plötzlich waren alle Beamten weg waren“, die ihnen in der Situation hätten helfen können. Ähnlich wie im Katastrophenwinter 1978/79, als die SED für drei Wochen in Winterschlaf ging und in der selben Weise wie im Rheinland, brachten sich ganz offenbar die Wissenden noch rechtzeitig in Sicherheit, als dass sie ihre Arbeit getan hätten. Damit fällt die Schuld in aller erste Linie auf die KP vor Ort, da wie in sozialistischen Systemen üblich, umso mehr Verantwortungspositionen mit Parteikadern besetzt sind, je höher es geht.
Potemkinsche Großstädte
Der große Unterschied zwischen China und Deutschland ist die Richtung, aus der die beiden Länder kommen. Selbst die DDR wies eine gewisse Solidität bei der Katastrophenvorsorge auf, deren Kapazitäten mit dem erwähnten Katastrophenwinter nur ein Mal überlastet wurden. Der Westen Deutschlands hatte über die Jahrzehnte sogar ein vorbildliches System mit Feuerwehren, DRK, THW und im Zweifel der Bundeswehr, die bei großen Naturkatastrophen überall im Land zu einer angemessenen Ersthilfe in der Lage waren.
In den letzten beiden Jahrzehnten wurde das tief gestaffelte Katastrophenschutzsystem jedoch immer weiter ausgehöhlt, Parolen ersetzten die Qualität, Budgets wurden in Sozialtöpfe und Klimaprogramme umgeleitet und die Substanz wurde auf Verschleiß gefahren. Hinzu kommen Fehlsteuerungen bei der baulichen Vorsorge, so dass immer mehr alte Flussbetten zu Wohnsiedlungen wurden, während im politischen Raum die lebenspraktische Vorsorge ersetzt wurde durch eine hypnotische Hörigkeit gegenüber den Apokalypsepredigern des Klimawandels.
Das kommunistische China hatte derartige Probleme nie, die Partei folgte anderen Göttern und erlagen in seltsamer Ironie vor drei Jahrzehnten dem Götzen der bedingungslosen Profitgier. Unter Missachtung wirklich aller Vernunft wurden in wenigen Jahrzehnten dutzende Millionenmetropolen aus dem Boden gestampft, in denen das einstmals ländliche Volk Chinas heute produktiv sein darf wie Legehennen, dass Ceaucescu vor Neid erblassen würde. Es ist kein Wunder, dass dort knapp hinter der Oberfläche noch immer jene Absurditäten lauern, mit denen in nur wenigen Jahrzehnten per maoistischer Geisel dem Jahrtausende alten Kulturvolk der Verstand ausgetrieben wurde.
Die Kommunisten haben sich einiges zu schulden kommen lassen und während sie früher einfach jeden an die Wand gestellt haben, der sich kritisch über das Regime geäußert hat, sind sie heute subtiler geworden und stellen einfach einen bunten Vorhang vor das aufgereihte Erschiessungskommando. Doch die Betreiber der beeindruckenden Skylines des heutigen China mit all den technologischen Errungenschaften zeigen immer dann ihr wahres Gesicht, wenn wie in Zhengzhou geschehen einige Faktoren zusammenkommen und das System einen Stresstest erfährt.
Dann wird plötzlich klar, dass die Wände des modernen China nicht aus Beton, sondern aus Sand bestehen und sie nur von der allgegenwärtigen Bestechung zusammengehalten werden. Genauso mögen die Straßenschluchten über zahlreiche Gullideckel, Abflüsse und auch Feuerhydranten verfügen, doch all das meist nur als Attrappe, denn das Kanalsystem dahinter kostet Geld und bleibt am Ende ohnehin unsichtbar für den arglosen Beobachter.
Ganz China ist heute eine einzige riesige Attrappe, wo alles genau so lange funktioniert, bis man es wirklich braucht. Man nehme nur einmal das angesprochene „Smarttunnel System“, dessen Funktionsweise an Zynismus kaum zu überbieten ist. Hochmodern wirkt es und mit allen Schikanen. Doch es bezweckt rein gar nichts – außer natürlich, dass wirklich jeder Untertan im roten Moloch jederzeit weiß, dass er unter Beobachtung steht. Wenigstens konnte dadurch dem sich gerade auf Propagandatour in Tibet befindlichen Präsidenten Xi mit Filmaufnahmen des Horrors untermalt bis auf das letzte Opfer mitgeteilt werden, wie viele Menschen wirklich in seinem Wundertunnel verreckt sind.
Wir können erwarten, dass Xi gemeinsam mit seinen Technokraturschergen die wahren Ausmaße der Überschwemmung in Zhengzhou genauso schulterzuckend zur Kenntnis genommen hat, wie es auch bei allen zukünftigen KP-gemachten Katastrophen geschehen wird. Nicht weniger erwarten müssen wir, dass unsere Eliten sehr genau hinsehen werden und sich davon inspirieren lassen, wie weit man es treiben kann.
Quelle Titelbild, Karte, Bildschirmfotos