Horst D. Deckert

Teil 3 des Gesprächs mit Michael Hartmann über die Einkommens- und Vermögensverteilung

Der erste Teil des Gesprächs mit dem Sozialforscher und Autor Prof. i.R. Michael Hartmann über die weitgehend vernachlässigte Verteilungsfrage erschien am 14. September. Den zweiten Teil veröffentlichten wir am 16. September. Im heutigen dritten Teil des Gesprächs geht es um die Verteilung des Vermögens, die Veränderungen in den letzten Jahrzehnten, deren Ursachen und nötige Schritte zur Veränderung.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Michael Hartmann bestätigte, die Vermögensverteilung in Deutschland sei noch sehr viel ungleicher als die Verteilung des Einkommens. Einen Gini Index gibt es auch in diesem Bereich und für Deutschland liegt dieser sogar über 0,8. Das spricht für eine enorme Konzentration von Vermögen. Die Gründe, warum dieser Index den wirklichen Zustand und die Veränderung der Verhältnisse nur ungenügend abbildet, erläuterte Hartmann im ersten Teil des Gesprächs. Er sagte auch, man bilde statistisch gesehen zwar richtig ab, aber die kleinen Gruppen der höchsten Einkommen (bzw. Vermögen) würden beim Index nicht berücksichtigt.

Allgemein geht man davon aus, dass die oberen zehn Prozent knapp 60 Prozent des Vermögens besitzen. Hartmann hält diese Zahl für deutlich zu niedrig angesetzt. Das ließe sich damit erklären, dass die hohen Vermögen nicht nur beim Einkommen, sondern auch bezüglich der Vermögenswerte nicht wirklich erfasst würden.

Michael Hartmann: „Auf das oberste Prozent der Bevölkerung entfallen über 35 Prozent des Vermögens. Allein auf das oberste Promille entfallen fast 20 Prozent. Das heißt, das Vermögen ist in unglaublichem Maße konzentriert. […] Deutschland ist in der Regel immer unter den Top drei. […] An der Spitze liegen immer die USA und dann kommen unter den Industrieländern die deutschsprachigen Länder.“

Im weiteren Verlauf des Gesprächs geht Hartmann darauf ein, wie diese immer stärkere Konzentration zustande kommt und welche Schritte er für dringend nötig hält, um die Situation für die Mehrheit zu verbessern.

Der Sozialforscher sagte: „Das hat in Deutschland viel damit zu tun, dass es einen sehr hohen Anteil an sehr großen Unternehmen gibt, die sich mehrheitlich im Besitz von einzelnen Personen oder Familien befinden.“ Dort sei die große Masse des Reichtums. Er nennt auch einige Namen. „Über die Hälfte der hundert größten Unternehmen gehören mehrheitlich Familien. Diese sind auch früher schon steuerlich begünstigt worden, aber in den letzten zwanzig Jahren durch die Veränderungen im Erbschaftssteuerrecht ist die Begünstigung so stark, dass die Konzentration immer weiter zugenommen hat“, bestätigte Hartmann. Dazu komme der Prozess der wirtschaftlichen Konzentration, zugunsten immer größerer Unternehmen.

Es handle sich um eine sehr stabile Gruppe, die über Generationen zu den Reichen und damit zu den Einflussreichen der Republik gehörten. „Das sind Personen, die familiär über lange Zeiträume gewohnt sind, dass sie einen Zugang zur Politik und zu anderen Bereichen haben, den normale Menschen nicht hätten und den man sich so gar nicht vorstellen kann.“

„Erben nehmen einen immer größeren Anteil der Reichen ein“, so der Soziologe. Unter den 100 reichsten Deutschen seien vor zehn Jahren zwei Drittel gewesen, die dreistellige Millionen oder auch Milliardenbeträge geerbt hatten, beispielsweise in Form von Unternehmensbeteiligungen. Inzwischen seien das laut Hartmann bereits 80 Prozent.

Ein Auszug aus Michael Hartmanns Buch „Die Abgehobenen“ über den Skandal zur Erbschaftssteuer für Familienunternehmen erschien auf den NachDenkSeiten am 18. September.

Auf die Frage, was er in der Einkommens- und Vermögensverteilung verändern würde, schlug Hartmann vor, als erstes alle Maßnahmen, die in den letzten 20 Jahren auf diesen Gebieten getroffen worden sind, rückgängig zu machen. Die Agenda 2010 müsse komplett rückgängig gemacht werden. Bei der Erbschaftssteuer und Einkommensteuer empfahl er zumindest zurück zu gehen zur Situation in den 90er Jahren. Das sei zwar keine totale Umwälzung, aber unter den politischen Gegebenheiten hätten wir wieder einen Spitzensteuersatz von 53 Prozent, eine Erbschaftssteuer, die für Familienunternehmen deutlich höher wäre, als heute. „Wir hätten wieder eine Vermögenssteuer. Diese war zwar nicht hoch mit 0,7 Prozent, aber wir hätten sie überhaupt“, sagte er. Und man könne das dann auch ausbauen. Es gäbe am unteren Ende eine deutliche Reduzierung des Niedriglohnsektors. Das würde von beiden Seiten dazu führen, „dass sich die Pole wieder annähern.“

Hartmann ist sicher, dass durch die Entwicklungen der Preissteigerungen und Lebenshaltungskosten das Thema Verteilung „wieder auf die Agenda kommt“. Er zeigte sich überzeugt, wenn sich öffentlicher Druck auch auf der Straße äußert, dann werden solche Themen auch politisch wieder aktuell. Er verwies auf die Gelbwestenproteste in Frankreich, die dazu geführt hätten, dass auf einmal viele Themen wieder durch die Medien gingen, die vorher kaum von medialem Interesse gewesen seien.

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