Es ist 50 Jahre her, als 15 Kilometer von mir entfernt der Ort Langenwinkel bei Lahr im Schwarzwald dem Erdboden gleichgemacht und an anderer Stelle aufgebaut wurde. Nicht weil es Kohlebaggern im Weg war. Nein, es lag in der Flugschneise eines NATO-Flugplatzes. Nicht nur der Lärm der nur wenige Meter hoch vorbeidonnernden Jagdflieger und Bomber war unerträglich; es war damals lebensgefährlich. Nicht für die Russen, sondern die Einheimischen.
Alle paar Tage fiel ein Witwenmacher vom Himmel. So hießen hauptsächlich die Starfigther, von denen 269 (!) dieser Donnervögel nicht mehr landeten, sondern abstürzten – viele mitsamt Piloten. Es war eine andere Ära: Was heute die Corona-Hysterie ist, war damals die geschürte Angst vor den Russen. Die waren nach dem Krieg so kaputt, dass sie froh waren, nicht angegriffen zu werden. Der Rollback-Strategie der Westmächte, die Russen totzurüsten, wurde auch bei uns viel geopfert. So eben auch das Plattmachen von Ortschaften wie Oberbolheim, Franzheim und das besagte Langenwinkel.
Kaum war das Dorf eingeebnet, zogen 1971 die dort stationierten Kanadier mit ihrem Fliegerhorst wieder um – nach Söllingen bei Baden-Baden. Alles war „für die Katz’“ gewesen, wie es im Badischen heißt. Milliarden D-Mark waren hier – und anderswo – in den Sand gesetzt. Eine vorausschauende Politik gab es schon damals nicht, und heute ist es noch schlimmer. Projekte brauchen Jahrzehnte, und entsprechen schon vor ihrer Fertigstellung nicht mehr den künftigen Anforderungen.
Milliarden in den Sand gesetzt
Ein Beispiel aus dem eigenen Umfeld: Vor 40 Jahren wurde geplant, eine Haupteisenbahnstrecke durch unsere Städte zu bauen. Hintergrund: Die Mittelmeerhäfen waren für die Schiffe aus China zu klein, deshalb sollten die Container in Rotterdam gelöscht und mit der Bahn an uns Anwohnern vorbei durch die Schweiz nach Genua gefahren werden. Doch die Realisierung fiel 15 Jahre lang der Deutschen Einigung zum Opfer, weil das Geld dort gebraucht wurde.
Die kleine Schweiz baute gemäß dem Vertrag von Lugano nicht nur den Gotthard-Tunnel fertig. Unsere Bürgerinitiativen am Oberrhein erreichten, dass die Planung geändert wurde und der Transit-Schienen-Gütertransport an der unweiten Bundesautobahn 5 gebündelt wird.
Doch das letzte Teilstück zwischen Offenburg und Freiburg soll erst 2035 fertig werden – 55 Jahre nach der ersten Planung! In der Zwischenzeit rüsten die Chinesen die Mittelmeerhäfen auf, der Hafen Piräus gehört ihnen schon. Immer mehr Schiffe können nun an den Bestimmungsorten am Mittelmeer umgeschlagen werden. Außerdem bauten sie eine Eisenbahnlinie bis nach Düsseldorf, was die Eisenbahntransversale Rotterdam-Genua entlastet. Die Neue Seidenstraße nimmt Formen an. Und jetzt verhandelt die Schweiz mit Frankreich über den Bau einer parallelen Strecke durch das Elsass. Bis unsere Strecke fertig sein wird, sahnen längst die Franzosen die lukrativen Trassenentgelte ab.
Andere hängen uns kalt lächelnd ab
Die Politik proklamiert neuerdings den Schienen-Personenverkehr zu verdoppeln. Doch die jetzige Bahnplanung der Gleisinfrastruktur für das Fertigstellungsjahr 2041/42 berücksichtigt weder dieses Ziel, noch den 3. Entwurf des „Deutschlandtakts“ – vom endgültigen Takt ganz zu schweigen. Die Planung richtet sich auch nur nach dem vom Land Baden-Württemberg bestellten Nahverkehr bis höchstens 2035. Die angepeilte Verdoppelung auch des Personennahverkehrs auf der Schiene fällt dem Zuständigkeitsgerangel zwischen Land und Bund zum Opfer.
Die Posse des Monats: Die Bahn plant eine scharfe S-Kurve für die Umbauzeit von immerhin sechs bis sieben Jahren – für eine kurze Strecke (Planfeststellungsabschnitt 8.0), die in dieser Zeit von 125 000 ICEs befahren werden muss. Die Hochgeschwindigkeitszüge fahren dann von Offenburg kommend zuerst mit 160 km/h, müssen dann in der S-Kurve auf 80 km/h abbremsen, um anschließend mit 160 oder 200 km/h nach Freiburg zu fahren. Der Zeit- und Energieverlust scheint keine Rolle zu spielen – aber mit uns wird um Sekunden gerungen, die angeblich fehlen, um den Taktknoten Basel zu erreichen. Wir prophezeien der Bahn und Politik, dass angesichts dieser chaotischen Planung die Strecke erst 2045 fertig sein wird – 65 Jahre nach Projektbeginn.
Was zu beklagen ist: Das Desaster des BER ist überall. So gesehen ist das Koalitions-Geschacher ein Spiegelbild Deutschlands. Was gelingt diesem Deutschland eigentlich noch? Solange es aus einem Berlin regiert wird, das nicht einmal ordentliche Wahlen durchführen kann, schwindet die Hoffnung zusehends. Aber immerhin, die Gorch Fock kann nun wieder schiffen – sie braucht ja sonst nichts zu können.