Die UNO empfiehlt in einem Papier, Menschen in Nordindien sollten nach Süden gehen, um das Bevölkerungswachstum auszugleichen. Während nämlich im Süden die Menschen älter werden und ihre Zahl abnimmt, werde die Arbeitsmigration aus den nördlichen und östlichen Bundesstaaten das ausgleichen. Dann werde die „demographische Dividende“, sprich der wirtschaftliche Nutzen durch die veränderte Altersstruktur, dort länger anhalten. Das Papier stellt auch fest, dass Bundesstaaten, wo die Bildung der Frauen gefördert wurde, geringere Geburtenraten aufweisen.
Eine „demografische Dividende“ ergibt sich insbesondere dann, wenn die (Kinder-) Sterblichkeit sinkt und die Geburtenrate eine gewisse Zeit lang unverändert hoch bleibt. Auch wenn die UNO Wanderungsströme zur Abfederung rückläufiger Geburtenrate empfiehlt, ist das kein Erfolgsgarant für einen wirtschaftlichen Nutzen.
Großes Risiko
Eine falsch gesteuerte Arbeitsmigration kann zum Risiko werden. Insbesondere, wenn das Arbeitskräfteangebot nicht dem Bedarf der Wirtschaft entspricht oder die Wirtschaft für den Zustrom von Arbeitsmigranten nicht aufnahmefähig genug ist. Die Folge wäre Massenarbeitslosigkeit und/oder Unterbeschäftigung.
Bildung senkt Geburtenrate
Ein kürzlich veröffentlichtes Papier der UN-Abteilung für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten (UN DESA) mit dem Titel „Indien überholt China als bevölkerungsreichstes Land der Welt“ analysiert die Situation in Indien. Es weist auf die unterschiedlichen Geburtenraten in den verschiedenen indischen Bundesstaaten hin. Sie sind dort besonders niedrig, wo viel in die Bildung der Frauen investiert wurde. Etwa in Kerala und Tamil Nadu. Dort liegt die „Fruchtbarkeit“ der Frauen seit zwei Jahrzehnten unter der „Ersatzrate“, der zur Aufrechterhaltung der Bevölkerung erforderliche Geburtenrate. Bundesstaaten, die weniger in „Humankapital“, insbesondere für Mädchen und Frauen, investierten, erlebten trotz umstrittener Massensterilisierungskampagnen und anderer Zwangsmaßnahmen an einigen Orten – einen langsameren Rückgang der Fruchtbarkeit, heißt es. Die Fruchtbarkeitsrate für ganz Indien liegt mittlerweile mit zwei – unter der „Ersatzrate“. In China liegt sie bei 1,2. Indien hat also bevölkerungsmäßig China überholt.
Indien wächst weiter
Die Aussichten für Indien sind laut UN-Bericht trotzdem gut. Insgesamt werde die „demografische Dividende“ einer relativ jüngeren und größeren Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter bis zur Mitte des Jahrhunderts weiter zunehmen. Die Arbeitsmigration aus den „jungen“ nördlichen und östlichen Bundesstaaten könnte die Zahl der Arbeitskräfte in den relativ „älteren“ südlichen Bundesstaaten erhöhen und die demografische Dividende in diesen Regionen verlängern“, stellt das UN-Papier fest. Laut jüngsten UN-Prognosen wird die Bevölkerung Indiens voraussichtlich um das Jahr 2064 ihren Höhepunkt erreichen und dann allmählich zurückgehen, nachdem sie im Jahr 2050 die 1,67-Milliarden-Grenze überschritten hat.
Ausbildung ist die Zukunft
Die Periode des Bevölkerungswachstums stelle aber einer kritische Zeit für Indien dar. Die „demografische Dividende“ sei nur ein Teil des Puzzles, bei der Frage, was zum Wirtschaftswachstum beitrage und was den Ländern bei der Entwicklung helfen könne, sagte John Wilmoth, Direktor der UN-Bevölkerungsabteilung. Das sei die Zeit, wo Länder sich darauf konzentrieren sollten, ihre Bevölkerungen auszubilden um sie auf den Arbeitsmarkt bringen zu können – während sie sich auf ein langsameres Bevölkerungswachstum und eine wachsende ältere Bevölkerung vorbereiten.
Zum Autor: Kornelia Kirchweger war Journalistin bei „Austria Presse Agentur“, Bundespressedienst, „BBC“, „Asahi Shimbun“. Fokus: EU, Asien, USA, Afrika. Seit 2016 beim „Wochenblick“. Rockte die sozialen Medien mit ihrem offenen Brief an Greta Thunberg und machte gegen den UNO-Migrationspakt mobil.
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