Horst D. Deckert

USA ziehen ihre gegen China gerichtete „Anti-Spionage-Initiative“ vorläufig zurück

Die „China Initiative“

Das US Justizministerium (DOJ) gab am 23. Februar 2022 bekannt, dass es seine sogenannte China Initiative gegen vermeintliche Spionageaktivitäten von China auf amerikanischem Boden wieder beenden werde. Jener abrupten Kehrtwende war die massive Kritik von Bürgerrechtsbewegungen voraus gegangen, die bemängelten, dass die umstrittene Initiative ineffektiv, rassistisch voreingenommen und unverhältnismäßig sei. Die Kritik gipfelte in dem Vorwurf, dass die sogenannte China Initiative ihre wahren Ziele verfehlte, doch ihr Augenmerk vielmehr nur auf Wissenschaftler und Forscher chinesischer Abstammung legte.

Besagte China Initiative wurde im November 2018 unter dem vormaligen Justizminister Jeff Sessions begonnen. Zugleich hatten US Regierungsvertreter China mit heftiger Kritik überzogen und dem Land Diebstahl geistigen Eigentums und Spionagetätigkeiten zum Vorwurf gemacht. Im Juni zuvor hatte das Büro für Handels- & Produktionsstrategien des Weißen Hauses in einem Report China unterstellt „die entstehenden High-Tech Industrien erobern und sich das intellektuelle Eigentum und Technologien der Welt, die künftig das Wirtschaftswachstum bestimmen werden, aneignen zu wollen.“

Die China Initiative wurde unter die Leitung der Division für Nationale Sicherheit (NSD) gestellt, welche unter dem DOJ für Gegenmaßnahmen gegenüber externen Bedrohungen zuständig ist. Es war kein Zufall, dass die China Initiative im dem Jahr  2018 ins Leben gerufen wurde in dem genau die US Administration sich entschlossen hatte gegen China einen Wirtschaftskrieg loszutreten. Die Auslöser dazu bildeten die chronischen US Handelsbilanzdefizite und Streit über vermeintlichen Raub von intellektuellem Eigentum und Technologietransfers.

Sanktionen gegen Ethnien

In diesem Zusammenhang ist die China Initiative als eine Flankenbewegung der USA in ihrem Handelskrieg gegen China (2018–2021) einzustufen. Atlantische Hegemonialmächte kennzeichnet das besondere Talent schon in den Vorstufen in den von ihnen geplanten Auseinandersetzungen gezielt und überraschend repressive Akzente zu setzen. Das Spektrum der Maßnahmen schließt auch das direkte Vorgehen gegen Ethnien der Opponenten im Zuge der Eskalationen nicht aus.

Asiaten und Chinesen können diesbezüglich auf leidvolle Erfahrungen im Laufe der Geschichte zurückblicken. Darunter fällt der Chinese Exclusion Act: Es war ein Bundesgesetz der Vereinigten Staaten, das am 6. Mai 1882 von Präsident Chester A. Arthur unterzeichnet wurde und jegliche Einwanderung chinesischer Arbeiter unter Verbot stellte. Aufbauend auf dem früheren Page Act von 1875, der chinesischen Frauen die Einwanderung in die Vereinigten Staaten untersagte, war der Chinese Exclusion Act das erste und einzige Gesetz, welches die Einwanderung aller Angehörigen einer bestimmten ethnischen oder nationalen Gruppe in die USA unterband.

Der Immigration Act von 1917 – treffender als Asiatic Barred Zone Act bekannt – war ein weiteres Gesetz der Vereinigten Staaten, Einwanderung zu erschweren, indem es Ankömmlingen Alphabetisierungstests auferlegte, neue Kategorien von unzulässigen Personen schuf und vor allem der Einwanderung aus der asiatisch-pazifischen Zone einen Riegel vorschob. Das Gesetz von 1917 regelte die Einwanderungspolitik, bis es durch das Einwanderungsgesetz von 1924 geändert wurde: Beide Gesetze wurden erst durch das Einwanderungs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1952 abgelöst. Letzteres Gesetz behielt jedoch das Quotensystem bei, welches die gesamte Einwanderung aus Asien praktisch auf kleine jährliche Quoten reduzierte.

Das Spektrum an US Sanktionen

Nach Gründung der Volksrepublik China im Jahr 1949 wurde ein Embargo auf den Verkauf von Militärtechnologie, ähnlich dem auf die Sowjetunion, auf die gerade neu gegründete Volksrepublik ausgedehnt. Das Handelsembargo wurde erst unter Präsident Richard Nixon im Jahr 1972 – kurz vor Aufnahme der offiziellen Beziehungen – wieder aufgehoben.

Im Januar 2018 wurde der Wirtschaftskrieg unter US-Präsident Donald Trump durch die Ankündigung, Strafzölle auf Solarzellen und Solarmodule sowie Waschmaschinen zu erheben, erneut aufgenommen.

Am 8. März 2018 verkündete die US-Regierung, weltweite Einfuhrzölle auf Stahl und Aluminium erheben zu wollen, welche am 23. März 2018 in Kraft traten. Auf Stahl wurden 25% und Aluminium 10% Importzölle verhängt. Begründet wurde dieser Schritt mit dem Schutz der heimischen Stahl- und Aluminiumproduktion aufgrund der nationalen Sicherheit.

US-Strafzölle auf Importe aus China

Am 22. März 2018 unterzeichnete Präsident Donald Trump ein Dekret, welches Importzölle mit einem Volumen von über 50 Milliarden Dollar vorsah. Zugleich wurden China unfaire Handelspraktiken zum Vorwurf gemacht und wegen vermeintlichen Diebstahls intellektuellen Eigentums zusätzliche Strafzölle angedroht.

Am 3. April 2018 veröffentlichte die US-Administration eine Liste mit 1333 Produkten, welche mit Zöllen belegt werden sollen. Sie wurde überarbeitet und in zwei Teillisten gespaltet, die insgesamt 1102 Produkte mit einem Handelsvolumen von 50 Milliarden Dollar ausmachten. Die Liste wurde am 6. Juni 2018 vom Büro des US-Handelsbeauftragten veröffentlicht. Die erste Teilliste beinhaltete insgesamt 818 Produkte und trat am 6. Juli 2018 in Kraft. Beim Import dieser Produkte wird ein Aufschlag von 25% fällig.

Im August 2018 unterzeichnete Präsident Trump den National Defense Autorisation Act für das Fiskaljahr 2019 (NDAA 2019), der die Verwendung von Produkten der chinesischen Unternehmen Huawei und ZTE aufgrund von Sicherheitsbedenken der US-Bundesregierung mit Verboten belegte.

Ein Teilabkommen zwischen USA und China

Am 15. Januar 2020 verkündete die US-Administration die Unterzeichnung eines Teilabkommens mit China: US-Präsident Donald Trump und der chinesische Vize-Ministerpräsident Liu He unterzeichneten in Washington ein Handelsabkommen, welches besagt, dass China den Einkauf von Energie, Industriegütern, Agrarerzeugnissen und Dienstleistungen aus den USA steigern wolle. Ziel des Ganzen sei es, das Handelsdefizit der Vereinigten Staaten von Amerika zu senken. Bestehende Strafzölle blieben jedoch weiterhin in Kraft und könnten erst durch ein zweites, zukünftiges Handelsabkommen gelockert oder aufgelöst werden.

Eine Untersuchung durch MIT Technology Review

Eine Untersuchung durch den MIT Technology Review ergab, dass die oben genannte China-Initiative nach ihrer Einführung sich von ihrem Ziel weit entfernt hatte, doch vielmehr «einem Chaos» glich: Anstatt sich auf Wirtschaftsspionage und nationale Sicherheit zu konzentrieren, schien die Initiative in Überbegriffen auf Fälle mit irgendeiner Verbindung zu China gefangen.

Obwohl das Programm zur Top-Priorität der US-Strafverfolgungsbehörden und nationalen Spionageabwehr erklärt worden war, blieben viele Details im Dunkeln. Das Justizministerium (DOJ) ließ viele grundlegende Fragen der Initiative offen, was es Bürgerrechtsvertretern schwer machte, die Initiative zu verstehen, geschweige denn zu bewerten. Während die Gefahr des Diebstahls von geistigem Eigentum real bleibt, fragen sich Kritiker, ob die China-Initiative den richtigen Weg darstellte, dies zu verhindern.

Das durch Strafverfolgung geschaffene Klima der Angst hatte talentierte Wissenschaftler dazu veranlasst, die Vereinigten Staaten zu verlassen, was die Fähigkeit Amerikas untergräbt, neue Talente für Wissenschaft und Technologie aus China bzw. der ganzen Welt anzuziehen.

Die Untersuchung des MIT Technology Reviews zeigte hingegen auf:

  • Das DOJ hat nicht definiert, was einen Fall der China Initiative ausmacht.
  • Der Fokus der Initiative hat sich von Wirtschaftsspionage zu Fragen der „Forschungsintegrität“ verschoben.
  • Eine beträchtliche Anzahl der Fälle wurde eingestellt oder abgewiesen.
  • Nur ein Viertel der bisher angeklagten Personen wurde verurteilt.
  • Viele Fälle zeigten keinen Zusammenhang zur nationalen Sicherheit
  • Fast 90 % der Angeklagten sind chinesischer Abstammung.

Das DOJ hat nie definiert, was einen Fall der China-Initiative ausmacht. Wyn Hornbuckle, der stellvertretende Direktor des Büros für öffentliche Angelegenheiten des Justizministeriums, erklärte, dass es „keine Definition eines Falls der ‚China-Initiative‘ außer den Zielen und Prioritäten, die wir für die Initiative im Jahr 2018 festgelegt hatten“ gäbe.

Ziele und Ergebnisse der China-Initiative

Die China-Initiative gibt vor, sich der Bekämpfung von Wirtschaftsspionage zu widmen, doch nur 19 von 77 Fällen (25%) beinhalteten Anklagen wegen eines Verstoßes gegen das US-Wirtschaftsspionagegesetz, das heißt den EEA – Economic Espionage Act.

Ein großer Teil der Fälle zur Forschungsintegrität gründet auf dem Verdacht von Verbindungen zu den „Talentprogrammen“, über welche chinesische Universitäten Akademikern finanzielle Anreize bieten, um zu forschen, zu lehren und geeignete Aktivitäten in die fördernde Institutionen einzubringen. US-Bundesbeamte haben dazu wiederholt erklärt, dass die Teilnahme an Talentprogrammen nicht illegal wäre.

Drei Jahre nach Beginn des Programms wurde weniger als ein Drittel der Angeklagten der China-Initiative verurteilt. Von den 148 angeklagten Personen haben sich nur 40 schuldig bekannt bzw. wurden für schuldig befunden.

Fast 90 % aller Fälle richteten sich gegen Menschen chinesischer Herkunft. Eine der frühesten und hartnäckigsten Kritikpunkte an der China-Initiative war, dass Personen chinesischer Abstammung, einschließlich amerikanische Staatsbürger, von der Initiative unverhältnismäßig stark betroffen waren. Eine Studie zu Fällen von Wirtschaftsspionage in den USA ergab jedoch, dass Menschen mit chinesischer Abstammung viel eher wegen Vergehen angeklagt, doch seltener verurteilt würden.

Die Analyse von MIT Technology Review zeigt, dass von den 148 Personen, die im Rahmen der China-Initiative angeklagt wurden, 130 – oder 88 % – chinesischer Abstammung sind. Dazu zählen amerikanische Staatsbürger, die ethnisch chinesisch oder Staatsbürger der Volksrepublik China sind sowie Staatsbürger mit Verbindungen zu Taiwan, Hongkong wie auch chinesischen Diasporagemeinschaften in Südostasien.

Umbenennung und Erweiterung des US-Nachfolge-Programms

Das US Justiz Ministerium erklärte im Februar 2022, dass es die China-Initiative beenden werde, doch neue Strategien gegen neue Bedrohungen zu ergreifen gedenke. Matthew Olsen, Stellvertretender Generalstaatsanwalt des DOJ erklärte, dass die USA künftig „ihr Land unnachgiebig vor China verteidigen,“ doch Untersuchungen und Anklagen nicht mehr unter dem Namen China Initiative durchführen würden, zum Teil aus der Erkenntnis über zusätzliche Bedrohungen seitens Russlands, Iran, Nord Korea und anderen.

Zeitgleich meldeten sich die US Senatoren Marsha Blackburn, Rick Scott, Bill Hagerty, Marco Rubio, Mike Braun und Ron Johnson zu Wort und erklärten über einer neuen Gesetzesantrag unter dem Namen ‚Protect America‚s Innovation and Economic Security from CCP Act‚ die alte Initiative in erweitertem Format wieder neu erstehen zu lassen.

Senator Blackburn erklärte dazu:

„Die Politik der Biden-Administration hat Präsident Trumps America-First-Agenda umgedreht, um die neue Achse des Bösen – Russland, Iran, Nordkorea und China – aktiv zu ermöglichen. Anstatt die China-Initiative fortzusetzen – ein wichtiges Programm, das diejenigen identifiziert und strafrechtlich verfolgt, die an Diebstahl von Geschäftsgeheimnissen, Hacking und Wirtschaftsspionage beteiligt sind – entscheidet sich Biden dafür, die Vereinigten Staaten weniger sicher zu machen. Diese Gesetzgebung wird ein lebenswichtiges Programm fortsetzen, um die Sicherheit Amerikas zu gewährleisten, indem die Kommunistische Partei Chinas daran gehindert wird, unsere wirtschaftliche Stabilität und nationale Sicherheit zu untergraben.“

Beseelt von den Erinnerungen an vermeintlich noch stolze Zeiten unmittelbar nach dem II. Weltkrieg ab dem Jahr 1945, versuchen Kalte US-Krieger ihr altes Spiel noch einmal, doch mittlerweile mit dem verzweifelten Versuch die Zeit zurückzudrehen.

 

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