Horst D. Deckert

Verbales Säbelrasseln gegen Russland: Auch Generäle sind besorgt

Droht ein neuer Kalter Krieg? (Symbolbild:Imago)

Bekanntlich urteilte das Berliner (Hinter-)Kammergericht, dass Putin hinter dem Berliner „Tiergartenmord” an einem tschetschenischen Rebellen stecken müsse und es sich um Staatsterrorismus gehandelt habe. Unmöglich ist das nicht; einiges spricht in der Tat dafür. Offenbar schien einer der Richter beim Geheimdienst zu sein – da das Gericht den russischen Staat als Täter ausmachte. Klar ist: Zwischen den überwiegend islamischen, als brutal bekannten Tschetschenen und Putin werden blutige Rechnungen beglichen. Denn wahr ist auch: vor diesem wohl russischerseits begangenen Auftragsmord von Berlin, der die Öffentlichkeit bewegt, verübten Tschetschenen in Mitteleuropa ebenfalls Morde – darunter nicht nur die bekannten Massaker in Moskau.

Apropos Geheimdienst und Mord: Dem westlichen Agenten 007 („Mein Name ist Bond – James Bond”) mit der sprichwörtlichen „Lizenz zum Töten“ sieht man leidenschaftlich gernedabei  zu, wie er Bösewichte ausschaltet; doch die gibt es anscheinend ja immer nur auf der anderen Seite – und die ist damals wie heute nun mal die der Russen. Ihnen verwehrt man die Gewohnheitsrechte, die die – für die „richtige” Sache kämpfenden – Geheimdienste der westlichen Regierungen selbstverständlich für sich als methodisch zulässig reklamieren. Maßen sich Putins Sicherheitskräfte diese dennoch an, ist die Entrüstung groß. Baerbock als Außenministerin unseres „Imperiums” schlägt gnadenlos zurück – und lässt gänzlich un-„diplomatisch“, zwei russische Diplomaten heimschicken (die spiegelbildliche russische Reaktion folgte heute auf dem Fuße). Ihre Kollegin, Verteidigungsministerin Lambrecht, eröffnete zeitgleich strategisch Wundersames: „Aktuell müssen wir Putin und sein Umfeld ins Visier nehmen.” Putin soll also persönlich „getroffen“ werden – ein Zoll über der Nasenwurzel vielleicht?

Einpeitschende Rhetorik

All dies reicht aber den neuen Stürmer-Medien nicht (zur Erläuterung an die jungen Leser, weil ich öfters gefragt wurde, was das sei: „Der Stürmer” war ein braunes, antisemitisches Hetzblatt, das ab 1932 den Untertitel „Deutsches Wochenblatt zum Kampfe um die Wahrheit” trug. Ein früher „Faktenfinder“ also! Der „Stürmer“ bediente sich einer besonders hetzerischen Sprache und zeichnete sich durch drastische Berichte, Bilder, Karikaturen und Kommentare aus. Die Zeitung war keine offizielle NS-Publikation, sondern war in Privatbesitz des späteren fränkischen Gauleiters Julius Streicher). Natürlich liegen Welten zwischen dem „Stürmer“ und der heutigen Presse – doch im Schüren von Stimmungen sind letztere bald auf einem ähnlichen Weg; daher mein Vergleich. Nicht nur die Öffentlich-Rechtlichen – besser bekannt als Staatsfunk – beherrschen die einpeitschende Rhetorik inzwischen meisterhaft, sondern auch private Medien.

Auftragsmord in Berlin – Urteil mit Sprengkraft” lautet etwa der Titel eines Kommentars der „Badischen Zeitung” zum Tiergarten-Mord. „Die De-facto-Ausweisung von zwei russischen Diplomaten ist nur ein schwaches erstes Signal”, tadelt das Blatt, und führt desweiteren aus: „Im August 2019 stemmte sich Deutschland im Sinne Moskaus gegen eine US-Sanktion wegen Nord Stream 2. Dass der Auftragsmörder nach Berlin geschickt wurde, ist die Quittung für die ausgestreckte Hand (?) zu Russland gewesen.” – „Ausgestreckte Hand?“ Habe ich da irgendetwas verpasst? Vielleicht sollte der junge Kommentator einmal die Rede Putins aus dem Jahr 2001 im deutschen Bundestag lesen.

Am besten ganz Russland „ausweisen“?

Den mir wesenseigenen Schalk im Nacken, frage ich an dieser Stelle sarkastisch: Warum eigentlich nur Diplomaten ausweisen, wieso nicht einfach ganz Russland vom Globus verbannen? Dann hätte man ja auf jeden Fall alle Schuldigen erwischt! Aber – upps! – Russland? Das sind ja 17 Millionen Quadratkilometer (zum Vergleich: wir kompletten EU-Länder teilen uns ganze 4,2 Millionen Quadratkilometer). Na, dann könnten vielleicht eben nur das europäische Russland bis zum Ural“ ausweisen“? Doch auch das sind über 6 Millionen Quadratkilometer. Hingegen misst Baerbocks „Imperium” ganze 0,357 Millionen Quadratkilometer. Wäre die Ministerin mit ihren Hofberichterstattern doch nur unter die Bäcker gegangen – und würde kleinere Brötchen backen! Denn auch wer die Geographie außen vor lässt: Das Deutschland von heute ist ein zahnloser Tiger, ein korallenloser Maulheld mit einem militärischen Druckpotential eines Hare-Krishna-Zirkels.

Die Alternative zu der martialischen Sprache, zu den größenwahnsinnigen Tönen gegen Moskau sollte daher besser heißen: Verbal abrüsten! Und genau dies empfehlen mittlerweile auch deutsche Ex-Generäle dringend: Raus aus der Eskalationsspirale, lautet ihr Gebot der Stunde. Sie werben für einen „Neuanfang mit Russland” – ein pragmatischer und allemal zielführenderer Ansatz, wenn es um die künftige inneneuropäische Koexistenz geht. Um zu erfahren, was die klugen Ex-Militärs der Bundeswehr zum Thema zu sagen haben, darf man natürlich keine deutschen Zeitungen lesen, sondern muss – wie ehemals – einen „Feindsender” im Ausland suchen, der solche wichtige Informationen nicht unter den Tisch fallen lässt. Fündig wurde ich in diesem Fall beim Schweizer Portal „Info-Sperber”. Im Inland gibt es hingegen nur noch wenige Mahner, und sie sind fast ausschließlich den Freien Medien zuzurechnen (auch ich als Autor rechne mich zu ihnen).

Was wir ganz sicher nicht gebrauchen können, ist ein neuer Kalter Krieg – und schon gar keine Mainstream-Schlagzeilen à la „Es wird Krieg geben!”.

 

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