Die «Freunde der Verfassung» haben einen neuen Vorstand gewählt. Doch von einer Wahl kann eigentlich keine Rede sein. Denn «wählen» konnten die Mitglieder eigentlich nur die Liste 2. Dieser gehören unter anderem die bisherigen Vorstandsmitglieder Sandro Meier und Christina Rüdiger sowie auch Mark Steiner von «Aufrecht Schweiz» an.
Meier und Co. kamen auf 1397 Stimmen. Insgesamt reichten gerade einmal 3514 Mitglieder ihren Stimmzettel ein. Nicht gerade sehr viele, wenn man bedenkt, dass die Verfassungsfreunde über 20’000 Mitglieder zählen.
«Wir bedanken uns herzlich für das ausgesprochene Vertrauen und freuen uns auf die grosse und verantwortungsvolle Aufgabe», schrieben Meier und Co. am Mittwoch in ihrem Newsletter. Am kommenden Wochenende wollen die Vorstandsmitglieder nun ihre Arbeit aufnehmen und die Ressorts aufteilen.
Corona-Transition stellte Meier und Rüdiger nach der Bekanntgabe der Wahlresultate mehrere Fragen. Diese blieben bis heute jedoch unbeantwortet.
Zur Erinnerung: Die Kandidaten der Liste 1 gaben bereits im Vorfeld bekannt, dass sie eine allfällige Wahl nicht annehmen würden (wir berichteten). Letzterer Liste gehörten unter anderem Rechtsanwalt Andreas Röthlisberger und der Finanzfachmann Urs Ryser an. Trotz dieses Hintergrunds stimmten 1325 Mitglieder für die Liste 1. 169, 172 und 148 Stimmen ergatterten die Einzelkandidaten Thomas Nacht, Hans-Jürgen Klaussner und Judith Vera Bützberger. Auffallend ist, dass über 600 Stimmen ungültig waren.
Kommentar Corona-Transition
Die «Freunde der Verfassung» erreichten in den letzten eineinhalb Jahren Unglaubliches. Der Verein mobilisierte die Kräfte des Widerstands in der Schweiz wie keine andere Organisation. Innert kürzester Zeit gelang es den Verfassungsfreunden zwei Referenden gegen das Covid-19-Gesetz auf die Beine zu stellen. All dies erreichten sie dank der unzähligen Basismitglieder, die Tag für Tag für eine bessere Schweiz kämpfen. Mitglieder, die nicht nur mehr Mitsprache und Demokratie fordern, sondern diese auch leben.
Umso grösser war die Enttäuschung für viele Basismitglieder, als sich an der Spitze des Vereins nach der verlorenen Abstimmung vom 28. November 2021 ein bitterer Machtkampf ereignete. Ein Machtkampf, der letztlich zu einer Spaltung führte. In einem höchst umstrittenen Entscheid warfen Sandro Meier und Marion Russek Michael Bubendorf aus dem Vorstand (wir berichteten).
Bubendorf hatte bereits seit dem Sommer 2021 wiederholt die Machtfülle Meiers kritisiert, der gleichzeitig Vorstandsmitglied und Geschäftsführer der «Freunde der Verfassung» war. Meier war es auch, der die Verantwortung für die Kampagne beim zweiten Referendum trug, wofür er wiederholt kritisiert wurde.
Auch die ehemaligen Vorstandsmitglieder Markus Häni und Alec Gagneux kritisierten vor den Wahlen zuletzt Sandro Meier, Christina Rüdiger und Marion Russek scharf (wir berichteten). Meier und Co. werfen sie unter anderem vor, wichtige Entscheide in Eigenregie gefällt zu haben und hinsichtlich der Spendengelder des Vereins keine Transparenz an den Tag zu legen.
Häni und Gagneux bemängelten unter anderem, dass Marion Russek und Sandro Meier während der zweiten Kampagne zahlreiche Personen aus der Bürgerrechtsbewegung über den Verein angestellt und entsprechend auch bezahlt hätten – dies jedoch, ohne den Gesamtvorstand zu informieren. Häni und Gagneux zogen aus den Konflikten ihre Konsequenzen und verzichteten auf eine erneute Kandidatur.
Ihr Standpunkt: Der Gesamtvorstand habe versagt. In ihren Augen hätten alle bisherigen Vorstandsmitglieder deshalb darauf verzichten sollen, sich erneut für den Vorstand zur Verfügung zu stellen. Genau dies forderten auch einige Mitglieder und stellten zuhanden der Mitgliederversammlung entsprechende Anträge. Doch diese lehnte Marion Russek ab. Russek vertrat die Ansicht, dass solche Anträge nicht mit den Statuten übereinstimmen würden.
Gagneux sah dies anders und verwies auf Markus Schneider. Laut dem ehemaligen Solothurner Kantonsrat, der für die Abwicklung des Wahlprozederes engagiert wurde, wäre es durchaus möglich gewesen, ehemalige Vorstandsmitglieder für die Wahlen auszuschliessen (wir berichteten).
Häni und Gagneux waren auch unglücklich mit der Wahlform. Listenwahlen –ohne panaschieren zu können – betrachteten sie als undemokratisch. Hoffnung setzten sie zuletzt auf die sogenannte Liste 1 mit Rechtsanwalt Andreas Röthlisberger und Finanzfachmann Urs Ryser. Beide arbeiteten seit längerem eng mit der Basis zusammen. Sie sahen sich als eine basisdemokratische Alternative zum bestehenden Vorstand.
Doch dann folgte schon die nächste grosse Enttäuschung. Wenige Wochen vor den Wahlen gab Röthlisberger bekannt, dass die Kandidaten der Liste 1 eine allfällige Wahl nicht annehmen würden. Stattdessen gründeten sie das «Verfassungsbündnis Schweiz», ein Verein, der nach dem Vorbild der Verfassungsfreunde aufgebaut ist, sich jedoch mehr Mitsprache der Basis und Regiogruppen auf die Fahne geschrieben hat.
Man sei sich bewusst, damit viele Mitglieder zu enttäuschen, erklärte Röthlisberger und verwies auf «erschütternde Informationen», die in den vergangenen Monaten an die Öffentlichkeit gelangt seien. «Aus diesen Informationen müssen wir schliessen, dass gegenüber dem Verein juristische Verfahren laufen werden», erklärte er. Inzwischen ist Röthlisberger «gesundheitsbedingt» zurückgetreten.
Mit der Gründung des neuen Vereins war für Meier, Rüdiger und Co. der Weg frei, um weiterhin an der Spitze des Vereins zu bleiben. Umso bemerkenswerter ist es, dass die Liste 2 – obwohl sie de facto keine Konkurrenz fürchten musste – nun doch nur eine knappe Stimmenmehrheit erhalten hat.