Horst D. Deckert

Warum kann Google Fake News erkennen, aber keine Betrugsmaschen herausfiltern?

Ich meide Amazon wie die Pest. Generell versuche ich, vor allem bei kleinen Anbietern zu bestellen, was sich in den letzten sechs Monaten coronabedingt deutlich verstärkt hat. Das große Problem dabei ist, dass Betrüger noch immer gute Chancen haben, arglosen Kunden auf der Suche nach einem Produkt das Geld aus der Tasche zu ziehen. Obwohl ich eigentlich vorsichtig bin, wäre es mir kürzlich bei etwas größerem beinahe selbst passiert.

Die einfache Lösung für das Vermeiden von Betrugsmaschen im Internet lautet, nur noch bei etablierten Großanbietern zu bestellen, und das heißt vor allem bei Amazon. Der kleine Nachfrager am Markt dreht sich damit einmal im Kreis, verliert dabei viel Geld und Vertrauen und wird am Ende per schlechter Erfahrung dahin „genudgt“, wo er nicht hinwollte. Genau dieses Kalkül sehe ich aktuell bei den großen Internetdienstleistern im Hintergrund arbeiten. Denn es sollte kaum schwerer sein, per KI Betrugsmaschen zu identifizieren wie derzeit per KI geplant ist, Fake News und herauszufiltern. Jedoch wird nur letzteres intensiv betrieben.

 

Für Konsumenten kaum erkennbar, für KIs leichtes Spiel

 

Sehr wahrscheinlich wäre es wohl erheblich leichter, systematisch Betrugsmaschen aus dem Verkehr zu ziehen – oder zumindest aus dem Index zu löschen – als nach sprachlichen Feinheiten politischer Sprache Ausschau zu halten. Denn einmal gibt es erheblich weniger Onlineshops als Nutzer mit politischen Äußerungen im Netz und dann sind die Einkaufsmöglichkeiten auch eindeutig mit einem Warenkorb gekennzeichnet, während manch eine Schmähung nur satirisch gemeint ist.

Liefern kann ich zwei Beispiele mit Betrugsmaschen, in die ich nach einer einfachen Googlesuche hineingeraten bin, da sie jeweils in den ersten fünf Suchergebnissen auftauchten. Einmal ging es um eine Waschmaschine, die ein Shop namens HomeSweeetHome.de anbot (man beachte die drei e‘s). Gefunden habe ich das Angebot über eine Suche nach „Waschmaschine günstig kaufen“. Der Reiz der dort angebotenen Geräte war, dass sie preislich circa 20% unter der Konkurrenz lagen und so etwas lässt man sich bekanntlich nicht entgehen.

Die Seite selbst hatte eine professionelle Aufmachung, es gab zahlreiche Bewertungen, der Händler hatte eine Adresse in Deutschland und es gab ein „Trusted Shop“ Zertifikat (auf das man sich offenbar auch nicht mehr verlassen kann). Einziges Manko war die spanische Bankverbindung, die mich jedoch weniger stutzig machte, als sie es vielleicht hätte tun sollen. Denn wozu gibt es einen EU-Binnenmarkt, dachte ich mir, wenn nicht genau für solche Einkäufe?

Was mir am Ende den Verlust der 250 Euro ersparte war, dass bereits vor mir jemand auf den Betrug hereingefallen ist, so dass der Geldbetrag wieder zu mir zurückkam. Wenigstens Europol scheint noch zu funktionieren, so die gute Nachricht an der Geschichte. Inzwischen wird die Seite auch beim Verbraucherschutz gelistet, während der echte Shop mit 2 e‘s eine Warnung auf die Seite gestellt hat, jedoch ebenso abgeschaltet wurde, weil wohl zu viele Beschwerden reinkamen und der Ruf aller Wahrscheinlichkeit nach unrettbar wurde.

Mir verriet schließlich erst der Blick ins Archiv, dass die Betrugsseite nur für einen kurzen Zeitraum existierte. In Anbetracht der vielen Internetbestellungen aktuell waren die paar Tage oder Wochen, in denen die Seite im Netz stand, für die Betrüger wohl ziemlich einträglich.

 

Das Vertrauen ist weg

 

Von einem ahnungslosen Endkonsumenten, der für einen solchen Kauf noch immer lieber persönlich im Elektroladen vorbeigehen würde, ist es völlig illusorisch, einen solchen Hürdenlauf abzuverlangen beim Abklopfen von Onlineshops auf Betrug. Die direkte Konsequenz habe ich oben beschrieben: Es geht direkt zu Amazon oder vielleicht noch zur Internetpräsenz von Lidl.

Doch so schnell wollte ich nicht aufgeben. Da ich gerne Clementinen esse und mich der Mut noch nicht ganz verlassen hatte, dachte ich mir nach dem Waschmaschinendebakel, dass ich zur Abwechslung auch einmal Clementinen in der Großpackung im Internet bestellen könnte. Ich tippte also die Suchbegriffe „Clementinen online kaufen“ ein und bekam als erstes Ergebnis in der Liste: Naranjass.com

 

 

Wer sich das Angebot anschaut, der wird gleich sehen, dass es recht aufgeräumt ist und professionell daherkommt. Dazu sind deren Clementinen ziemlich günstig im Vergleich zu dem, was sie aktuell im Supermarkt oder bei der Konkurrenz im Internet kosten. Ganze 29 Euro kosten 15kg und das sogar inklusive Versandkosten aus Spanien und „Geld zurück Garantie“. Dazu kommen drei 5-Sterne-Bewertungen mit „verifiziertem Kauf“ und bezahlen kann man mit allem von Visa bis PayPal.

 

Betrug oder nicht?

 

Eine Telefonnummer wird angegeben, ich könnte also in Spanien anrufen. Allerdings beherrsche ich kein Spanisch. Was sollte ich sie auch fragen. Es wäre peinlich. Im Archiv wiederum gibt es Naranjass.com nicht. Allzu lange kann die Seite also nicht existieren. Da sie bei Google gelistet ist (sogar ganz oben) müsste sie auch regelmäßig von den Crawlern des Archivs erfasst werden. Kein gutes Zeichen.

Auch die Bewertungen wirken umso dubioser, je genauer man hinsieht. Zwar heißt es unten auf der Seite, dass es für die Bewertungen „29 Ansichten“ gab und es wird suggeriert, dass es zu einer externen Quelle geht. Jedoch ist da kein Link und die Anzahl ist statisch, wird also nicht nach jeder neuen Ansicht aktualisiert. Auch das spricht deutlich für einen Betrug.

Auf der anderen Seite kann man seine Clementinen dort aber auch mit verschiedenen Kreditkarten und PayPal bezahlen. Beide Zahlungsarten bieten mindestens einen rudimentären Schutz gegen falsche oder betrügerische Überweisungen. Nicht zuletzt noch einmal das Google Argument: Wenn dort etwas ganz oben erscheint, dann kann es kaum betrügerisch sein.

Ist es also doch kein Betrug?

 

Eine Strategie der maximalen Unsicherheit

 

Ich weiß noch immer nicht, ob Naranjass.de echt ist. Dort zu bestellen habe ich mich noch immer nicht getraut.

Die ganze Posse mit der einen schlechten Erfahrung beim Waschmaschinenkauf hat mich so sehr sensibilisiert, dass ich mich inzwischen fast noch bei den großen Anbietern umschaue und im Zweifel verzichte, wenn ich mir nicht 150% sicher bin.

Noch habe ich mich Amazons Marktmacht zwar nicht gebeugt, doch dessen Äquivalente Real, Lidl und wie sie alle heißen, sind mir seitdem erheblich sympathischer geworden. Selbst wenn ich einmal eine Ausnahme mache – in der Zwischenzeit geschah dies ein Mal – dann schwingt dennoch immer das ungute Gefühl mit, gerade auf Nimmerwiedersehen Geld in den Orkus geworfen zu haben.

Die Konsequenz daraus ist klar. Kleine, ehrliche Anbieter werden gnadenlos aus dem Markt herausgedrückt, weil sich keiner gerne auf solche Spielchen einlässt. Niemand, der nicht mit einem sehr dicken Fell, viel Zeit und den notwendigen Methoden ausgestattet ist, um Betrugsmaschen zu erkennen, würde das lange mitmachen. Je mehr wir dazu gezwungen werden, im Internet unsere Sachen zu bestellen, desto stärker werden wir von Google und Co. in den Konsumtrichter der Großanbieter getrieben.

In meinen Augen ist das pure Absicht. Wie ich oben beschrieben habe, erkennt man das an deren intensiven Bemühungen, das sehr komplexe Feld von Falschnachrichten und inopportunen Meinungsäußerungen beackern zu wollen. Für Google und auch die anderen großen Spieler im Netz wäre es ein leichtes, anhand der genannten Selektoren binnen Minuten nach Beginn einer Betrugsmasche herauszufinden, ob das Angebot echt und vertrauenswürdig ist. Vermutlich bräuchte es nicht einmal ein Zehntel des Aufwandes, um systematisch digitalen Betrugsmaschen den Garaus zu machen und das mit einer erheblich kleineren Falschpositivrate als bei politischen Inhalten.

Doch mit keinem Strich gehen sie gegen solche Betrügereien vor. Die Politik wiederum sitzt mit ihnen im Boot und droht lieber mit exorbitanten Strafen für politische Äußerungen, als dass etwas gegen die stete Erosion des internetbasierten Kundenvertrauens unternommen wird (und nebenbei auch der EU, weil Binnenmarkt).

Dabei wäre die Lösung wäre eine recht simple. Sie müssten einfach nur die selben Strafen in Aussicht stellen für das Verlinken auf eine Betrugsmasche, wie sie Hassrede verfolgen lassen. Aber darauf kommen unsere Politiker natürlich nicht. Oder sie das nicht wollen, nicht dürfen oder zu dumm sind dafür, weiß ich nicht. Es fällt jedenfalls auf.

Quelle Titelbild, Bildschirmfoto

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