Die «Freunde der Verfassung» werden demnächst einen neuen Vorstand wählen (wir berichteten). Doch wie die Wahl konkret erfolgen soll, darüber wird gegenwärtig heftig gestritten.
Zur Erinnerung: Teile des jetzigen Vorstands haben unlängst das Prozedere für die kommenden Vorstandswahlen selbst erarbeitet. Beabsichtigt ist, dass mit Listen und nach dem Majorzsystem gewählt wird. Das heisst: Kandidaten dürfen weder gestrichen noch panaschiert werden.
Grosse Sorgen hinsichtlich des Wahlprozederes machen sich Vertreter der Verfassungsfreunde aus der Westschweiz. Isabelle Goumaz Burka, Koordinatorin der Regioleiter in der Romandie, äusserte in einem offenen Brief vom 31. Januar «verschiedene Bedenken im Zusammenhang mit den Wahlmodalitäten für den neuen Vorstand».
In ihren Augen ist der Vorstand nicht befugt, das Wahlprozedere eigenständig festzulegen. Sie stellt die Rechtmässigkeit des Verfahrens zur Wahl des Vorstands gänzlich in Frage. Den Brief, der an die Adresse des Vorstands, des Beirats und alle Regioleiter der «Freunde der Verfassung» gerichtet ist, verfasste Goumaz Burka gemeinsam mit mehreren Regioleitern und Mitglieder der Verfassungsfreunde aus der Romandie.
«Gemäss den aktuellen Statuten des Vereins liegt die Wahl des Vorstands – und damit die Wahl der damit einhergehenden Prozesse – in der Kompetenz der Generalversammlung. Aus unserer Sicht ist der Vorstand nicht legitimiert, die Erneuerung seiner Mitglieder zu organisieren, ohne dass ihm diese Aufgabe ausdrücklich von der ordentlichen oder einer ausserordentlichen Mitgliederversammlung übertragen wurde», heisst es in dem Brief.
Scharf kritisiert wird zudem, dass der Vorstand die Organisation der Wahlen an eine externe Fachstelle vergeben hat. Dafür zuständig ist Markus Schneider aus Solothurn (wir berichteten). Er ist ehemaliger Solothurner Kantonsrat und heute selbständiger Berater im Bereich «Public Affairs».
Die welschen Verfassungsfreunde werfen in diesem Zusammenhang dem Vorstand vor, «die Wahlmodalitäten ausserhalb des satzungsgemässen Rahmens festgelegt» zu haben. Dies, weil man «einen externen Experten engagierte» und die von Markus Schneider «vorgeschlagenen Wahlprozesse bestätigte». Die Sektion verlangt deshalb, dass der Vorstand diesbezüglich Rechenschaft ablegt. Er solle darlegen, wie dieser Prozess «in rechtlicher Hinsicht» mit der Satzung der «Freunde der Verfassung» zu vereinbaren sei.
Goumaz Burka und Co. zeigen sich des Weiteren überrascht, dass der Vorstand bereits am 30. Januar in einem Newsletter an alle Mitglieder in der Romandie den genauen «Ablauf der Wahl erläutert» habe. Denn Russek habe noch am 29. Januar den welschen Vertretern der Verfassungsfreunde versichert, dass Informationen hinsichtlich der Wahlen nicht «weitergeleitet werden», solange der konkrete Ablauf der Wahl durch den Vorstand und Markus Schneider nicht definitiv abgeklärt sei. Russek sei am 29. Januar in der Westschweiz gewesen, um die Vertreter aus der Romandie zu informieren.
Ebenso möchten Goumaz Burka und Co. wissen, ob respektive wie sich der Beirat der Verfassungsfreunde zum Wahlprozedere geäussert hat. Von Markus Schneider verlangt die welsche Fraktion wiederum eine Begründung dafür, weshalb «er es nicht für angebracht hielt, die Generalversammlung – und damit die Mitglieder – in die Gestaltung eines Wahlverfahrens einzubeziehen».
Kritisiert wird zudem die anvisierte Listenwahl. Dieser Wahlmodus begünstige die «Wahl einer Gruppe auf Kosten einer Vielfalt von Meinungen und Sensibilitäten». Und weiter: «Es besteht die Gefahr, dass an der Spitze des Vereins ein Vorstand steht, der von einer einheitlichen Denkweise geleitet wird, eben jener, die sie zu einer Liste zusammengefasst hat.» Auch benachteilige dieser Wahlmodus die Romandie.
«Die deutschsprachigen Mitglieder bilden drei Viertel der treibenden Kräfte des Vereines. Es ist daher sicher, dass keine Liste aus der Romandie eine ausreichende Anzahl Stimmen erhalten wird, um deren Wahl zu ermöglichen», heisst es weiter im Schreiben. Goumaz Burka und Co. verlangen nun die «Aussetzung der Wahlen, wie sie derzeit geplant sind». Das heisst: Keine Listenwahl.
Auch fordern die welschen Mitglieder der Verfassungsfreunde, dass rasch eine ausserordentliche Generalversammlung einberufen wird. Dies, «damit die Mitglieder gemeinsam, wie in der Satzung vorgesehen, die Modalitäten für die Wahl des künftigen Vorstands festlegen können».
Am 1. Februar bezog Markus Schneider Stellung zu den Vorwürfen. Das Schreiben liegt Corona-Transition vor. Die Rechtmässigkeit des Verfahrens zur Wahl des Vorstands ist in den Augen des PR-Beraters gegeben. Der Vorstand sei sehr wohl berechtigt, die Wahlmodalitäten zu definieren.
«Das Verfahren stützt sich auf die Bestimmung, dass der Vorstand alle laufenden Geschäfte führt und alle Kompetenzen innehat, die nicht einem anderen Organ übertragen worden sind», schreibt Schneider. Er verweist darauf, dass der Vorstand zwar in Eile beschlossen habe, Neuwahlen durchzuführen. Dass dies aber auch notwendig sei, um dem Verein «rasch wieder Handlungsfähigkeit zurückzugeben». Dies sei entsprechend auch gegenüber allen Mitgliedern kommuniziert worden.
Als richtig erachtet Schneider zudem, dass die Statutenrevision vorübergehend gestoppt wurde, «um vorerst einen handlungsfähigen Vorstand zu bestellen». Auch dies ein Punkt, den die welschen Verfassungsfreunde kritisierten.
Die Kritik von Isabelle Goumaz Burka und Co., dass die Listenwahl die sprachlichen Minderheitenregionen der Westschweiz benachteilige, nimmt Schneider zur Kenntnis. Er hält aber fest: «Die Statuten sehen keine angemessene Vertretung der Sprachregionen vor.» Das sei zwar «tatsächlich ein Mangel». Doch lasse sich dieser nicht korrigieren.
Schneider räumt weiter ein, dass die Ausgangslage nicht optimal sei. Er betont aber auch, dass gerade deshalb «eine deutliche Empfehlung» abgegeben wurde, bei «Teamkandidaturen die Landesteile und Sprachregionen angemessen zu berücksichtigen».
Der Vorwurf, dass mit der Kandidatur von Teams im Rahmen der Listenwahl die Vielfalt der Meinungen im Vorstand nicht mehr gewährleistet seien, hält Schneider für nicht gegeben.
Dazu der PR-Berater: «Geht eine Teamkandidatur im Sinne der Stimmenmaximierung geschickt vor, wird sie alles daran setzen, eine ausgewogene und vielfältige Liste zu präsentieren. Und sie wäre dumm, das beachtliche Stimmenpotential der Romandie ausser Acht zu lassen, indem man nicht zum Beispiel drei Kandidierende aus diesem Landesteil auf die Liste setzt.»
Der geplante Wahlmodus rief zuletzt mehrere Kritiker auf den Plan. Verfassungsfreunde-Initiant Christoph Pfluger befürchtet ebenso wie die welschen Verfassungsfreunde, dass durch die Listenwahl eine einzige Liste die Mehrheit im Vorstand übernimmt. Dies ist in seinen Augen auch deshalb problematisch, weil der neue Vorstand dann die Statuten nach seinen Wünschen gestalten kann. Pfluger vertritt den Standpunkt, dass es zuerst eine Statutenrevision benötige.
In diesem Sinne äusserte sich unlängst auch Andreas Röthlisberger in einem offenen Brief an Marion Russek (wir berichteten). Röthlisberger hatte den Vorstand zu den neuen Statuten beraten und die Arbeitsgruppe geleitet, die Ende Dezember im Auftrag des Vorstandes neue Statuten vorlegte.