Horst D. Deckert

Wenn der Russische Bär aus dem Winterschlaf erwacht

Braunbär: Friedlich, aber unberechenbar (Foto:Imago)

Der „Russische Bär” ist nicht nur eine Schmetterlingsart: Neben „Mütterchen Russland” ist diese Titulierung eine nationale Personifikation Russlands, die in Westeuropa oft während des Kalten Krieges verwendet wurde. Meist wurde dabei auf die geografische Größe Russlands angespielt. Seit dem 20. Jahrhundert wird das Symbol auch von den Russen selbst verwendet, etwa als Maskottchen für die Olympischen Sommerspiele 1980 in Moskau. Der Bär findet sich auch im Logo der Putin-Partei Einiges Russland wieder. Und er war bis vor Kurzem auch beliebt als Zirkustier.

In freier Wildbahn ist der Bär relativ ungefährlich – solange er genügend Lebensraum hat und man ihm nicht zu nah kommt oder ihn gar angreift. Manche Bären sind auch geduldig und merken erst spät, wenn ihnen jemand auf den Pelz rückt. Und je nachdem, wie der Wind steht, kann man Glück haben, ihm sehr nahe kommen zu können, bevor er Witterung aufnimmt – und sich dann entweder davontrollt, wenn er satt ist, oder zum Angriff übergeht. Wenn man Pech hat, greift er auch dann noch an, wenn er satt ist. Aber eigentlich will er nur seine Ruhe haben. Der Bär ist ein Raubtier, das ihn von uns Menschen so unterscheidet: Raubtiere sind fast zahm solange sie satt sind. Aber Menschenrudel werden für andere oft auch dann gefährlich, wenn sie satt sein sollten.

30 Jahre lang hat es sich der russische Bär gefallen lassen, dass man sein Tiergehege verkleinert. Es ging ihm noch nicht wirklich ans Leder bzw. an den Pelz. Und als man sich als NATO dem Bärengehege bis auf Sichtweite näherte, brummte der Bär zwar, aber das war’s dann erst einmal. Irgendwann einmal wurde er dann grimmig (besser: „krimmig“) – und holte sich ein Stück Beute zurück, das zuvor ein Artgenosse im Überschwang an Großzügigkeit anderen überlassen hatte. Irgendwie scheint der russische Bär sich nicht mehr wohlzufühlen. Obwohl die immer zahlreicheren Konkurrenten im Westen, Süden und auch östlich – jenseits der Beringstraße sind die USA mit Alaska keine 100 Kilometer entfernt! – trotz ihrer Arsenale eher als eine Herde von 30 „friedfertigen” Schafen gilt. Aber ein Bär hat eine gute Nase – und der russische glaubt, hier eher 29 Wölfe im Schafspelz zu wittern; alleine das deutsche Schaf kann definitiv kein Wolf sein, denn es hat keine Zähne).

Gesucht ist ein Dompteur

Und plötzlich fängt dieser russische Bär nun an zu beißen, nachdem die 30 NATO-Schafe glaubten, der russische Bär habe lange genug Zeit gehabt, sich an ihre Nähe zu gewöhnen. Warum zieht er sich nicht stattdessen in seine Höhle zurück? Vielleicht, weil die Bärenhöhle keinen Ausgang hat, aus dem er fliehen kann? Aber selbst wenn er dies täte: er wäre doch in seiner Höhle nicht verhungert; die Rohschinken bzw. die Rohstoffe, die er uns überließ, haben wir ihm doch sogar stets gut bezahlt. Was also will dieses Viech mehr!?! Aber nein – jetzt randaliert der Bär und reißt den Zaun seines Geheges nieder.

Nun brauchen wir einen Dompteur, der den Bären wieder beruhigen kann. Gäbe es einen Bärendolmetscher, müsste dieser übersetzen: Zieh du, Bär, deine Tatzen mit den scharfen Krallen wieder zurück, und wir 30 Schafe denken noch einmal darüber nach, ob unsere Herde nicht vielleicht inzwischen tatsächlich so groß geworden ist, dass sie dir und deinen Mit-Bären schlaflose Nächte bereitet. Überhaupt sollte dem Russischen Bären gesagt werden, dass ein guter Bär eine Winterruhe einzuhalten hat, will er nicht als Problembär angesehen werden.

Das Recht auf Ablehnung

Zum Schluss aber noch einige ernsthaftere Sätze: Der Ukraine steht es wie anderen Völkern und Ländern zu, Bündnissen angehören zu wollen. Das gilt für Wirtschaftsbündnisse wie die EU, auch Militärbündnissen wie die NATO. Aber diese Bündnisse müssen ebenfalls das Recht haben, Beitrittswünsche dankend abzulehnen, solange sie begründet sind. So hatte – und hat – die EU beispielsweise selbstverständlich das gute Recht, die Aufnahme der (asiatischen) Türkei abzulehnen. Und Deutschland hat das Recht, die Forderung der Ukraine nach Waffenlieferungen abzulehnen. Das Land bekam schließlich Milliarden von uns – mit denen sich die dortige Regierung auch mit Waffen eindeckte.

Und genauso muss die NATO das Recht haben, die Ukraine als 31. Mitglied abzulehnen. Hätte die NATO das getan, hätte Putins Russland kaum in der Ukraine interveniert – um nun zu verhindern, dass deren Regierung weiterhin der NATO beitreten kann. Und tatsächlich ist jetzt ist nicht nur Selenskyis Traum als NATO-Player dahin; jetzt hat dieser gelernte Schauspieler wahrscheinlich auch jegliche Perspektive verloren, einmal der EU anzugehören. Das europäische Wirtschaftsbündnis wäre für das Ukrainische Volk besser gewesen als die transatlantische NATO-Zugehörigkeit. Es bleibt jedenfalls zu hoffen, dass der offene Krieg schnellstens zu Ende geht, bei dem es keine Sieger geben wird.

In meinem nächsten Artikel werde ich mich mit ndem Selbstbestimmungsrecht der Völker, dem Donbass und ähnlichen Regionen in Europa und auf dem Globus beschäftigen.

 

Dieser Artikel erscheint auch auf der Webseite des Autors.

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