Horst D. Deckert

Wer sprengte den Kachowka-Staudamm in der Ukraine?

Wurde der Kachowka-Staudamm in der Südost-Ukraine wirklich durch Russen gesprengt, wie in westlichen Medien behauptet wird? Oder liegt der Katastrophe wieder eine Sabotage-Aktion der Ukraine zugrunde, ähnlich wie im Fall von Nord Stream? Der legendäre US-Kommentator Tucker Carlson neigte in seinem gestrigen Twitter-Debut eher zu letzterer Version.

Am Mittwoch startete der vom US-Sender „Fox“ entlassene ehemalige Nachrichtenmoderator Tucker Carlson seine mit Spannung erwartete neue Sendung auf Twitter und brach damit alle Rekorde (AUF1.INFO berichtete).

Erster Anschein trügt

Darin befasste er sich mit der Sprengung des Kachowka-Staudamms in der Region Cherson in der Nähe des Atomkraftwerks Saporischschja vom Dienstag. Russland und die Ukraine beschuldigen sich gegenseitig, dafür verantwortlich zu sein.

Da der Damm sich in russisch kontrolliertem Gebiet befindet, scheint zunächst tatsächlich alles auf eine russische Urheberschaft hinzudeuten – zumal mit der Aktion auch die gerade angelaufene ukrainische Offensive einen massiven Rückschlag erlitt. Die ukrainische Regierung muss nun mit einer Flutkatastrophe und einer Vielzahl weiterer Folgeprobleme fertigwerden.

Schaden für Russland erheblich größer?

Carlson führt jedoch einige gewichtige Einwände ins Feld. Er gibt zu bedenken, dass der Schaden für Russland perspektivisch ungleich größer sei. Denn mit dem Wasser aus dem Damm wurden sowohl die Krim als auch andere russisch besetzte Gebiete mit Wasser versorgt. Zudem, so Carlson, habe der Dammbruch zur Überflutung der russischen Verteidigungsstellungen geführt und gefährde akut das seit drei Monaten russisch kontrollierte Atomkraftwerk Saporischja.

Bereits zuvor hatte es schon mehrere ukrainische Angriffe auf den Staudamm gegeben. So habe etwa die „Washington Post“ im Dezember berichtet, dass ukrainische Militärs ganz offen die Zerstörung des Dammes erwogen und dabei sogar Raketen aus amerikanischer Produktion darauf abgefeuert hätten. 

Fall „Nord Stream” lässt grüßen

Carlsons Schlussfolgerung lautet daher, die ukrainische Regierung sei für die Tat verantwortlich – so wie auch für die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines in Deutschland im vergangenen September, über deren Planung – neuesten Enthüllungen zufolge – die CIA frühzeitig vorab informiert gewesen war. Auch diesmal hätten vor allem die US-Medien keine Zeit verloren, Russland zu beschuldigen. Dass dieses damit auch seine eigene Infrastruktur sabotiere, machte niemanden stutzig.

Wladimir Putin, so Carlson sarkastisch, müsse natürlich schuld sein an der Staudamm-Sprengung, weil er eben „böse ist und böse Menschen böse Dinge tun” würden. Man habe nicht einen Gedanken an eine ukrainische Urheberschaft verschwendet. Denn so wie man Putin alles zutraue, sei Präsident Wolodymyr Selenskyj selbstverständlich zu „anständig“ für einen solchen Akt des Terrors.

Selenskyj als „lebender Heiliger”

Selenskyj gelte schließlich als „lebender Heiliger“, der völlig frei von Sünde sei, kommentierte Carlson voller Ironie den einseitigen Tenor der westlichen System-Medien. Und in der Tat: Seine Worte lassen sich nahtlos auch auf den Tenor der deutschen Journalisten übertragen.

„Dürre-Katastrophe nach Staudamm-Bruch: Putins Schergen verwandeln Ukraine in Wüstenlandschaft”, schrie etwa die „Frankfurter Rundschau“. „Die Gründe, die aus der russischen Führung vorgetragen werden, warum die Ukraine den Damm gesprengt haben soll, sind substanzlos“, erklärte „Focus“ kategorisch.

Propaganda im Info-Krieg: Putin verantwortlich

„Pistorius nennt Dammsprengung ‚Kriegsverbrechen‘ – und macht Putin verantwortlich“, vermeldete der „Spiegel“. So ging es munter weiter. Tatsächlich gab es seit letztem Juli ein gutes Dutzend ukrainischer Angriffe auf den Kachowka-Staudamm. Dies macht jedoch keinen der schäumemden pro-ukrainischen Medienvertreter stutzig oder lässt sie auch nur die Möglichkeit in Erwägung ziehen, dass hier das Opfer in Wahrheit Täter war.

Natürlich waren Kriege zu allen Zeiten auch und gerade Informationskriege. Alle Seiten versuchen, sich nach außen als die rechtmäßige Kriegspartei zu präsentieren und den Gegner zu dämonisieren.

System-Medien: Keine Erwähnung beidseitiger Motive

Eine Berichterstattung, die diesen Namen verdient, müsste dieser Tatsache zumindest Rechnung tragen und auch mögliche ukrainische Motive für eine Sabotage des für Russland strategisch und wirtschaftlich nicht minder wichtigen Staudamms anführen.

Aber natürlich sind Selenskyj und die Ukraine auch hierzulande längst heiliggesprochen und aller Kritik enthoben. Am offiziellen Narrativ des Ukraine-Konflikts als aus heiterem Himmel, aus schierem Machthunger aus dem Nichts durch Putin vom Zaun gebrochenen finsteren Angriffskrieg, unter jeglicher Ausblendung der komplexen Vorgeschichte, darf nicht gerüttelt werden.

Zum Autor: Daniel Matissek ist Journalist mit pfälzischen Wurzeln, arbeitet neben für AUF1 auch für diverse deutschsprachige freie Medien (unter anderem „Journalistenwatch.com“). Gründungsherausgeber des Blogs „Ansage.org“. Schwerpunktthemen: Migrationspolitik, politischer Extremismus, Demokratie und Medienlandschaft. Freund differenzierter Zwischentöne, aber gerne auch leidenschaftlicher Polemiker. Devise: „Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos; es könnte aber auch umgekehrt sein.“

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