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Wirtschaftsgipfel in Sankt Petersburg: Putin erklärt westlichen Traumtänzern die Lage
Der russische Präsident Wladimir Putin hat sich beim Wirtschaftsgipfel in St.Petersburg in einer langen Rede viel Zeit genommen, seine Sicht auf die weltwirtschaftliche Lage und die überkommenen Attitüden der westlichen Welt darzulegen. Dabei sagte er nichts, das man nicht nachvollziehen könnte.
von Max Erdinger
„Unser Land leidet. Unsere Wirtschaft liegt darnieder. Die Inflation ist außer Kontrolle. Die Benzinpreise sind so hoch wie noch nie. Frachtschiffe können ihre Ladung nicht löschen. Familien mit Kleinkindern bekommen keine Babynahrung. Unsere Nation wird vor der Welt bloßgestellt.“ Moment. Das hat Putin nicht gesagt. Es ging auch nicht um Russland. Donald Trump war das, der in einem Artikel, etwa so lang wie Putins Rede in St. Petersburg, haarklein nachwies, wie die Amerikaner bei den US-Wahlen 2020 um einen rechtmäßig gewählten Präsidenten betrogen wurden.
Donald Trump, Wladimir Putin – was ist mit Joe Biden? Ein Video zeigt ihn, wie er während des St. Petersburger Wirtschaftsgipfels irgendwo in Amerika vom Fahrrad fällt beim Versuch, abzusteigen. Zum Glück hatte er ein Helmchen auf. Aber symbolträchtig ist das schon. Putin sagte in St. Petersburg nämlich, daß sich die westlichen Eliten nicht mehr lange würden im Sattel halten können, bis sie von der Wirklichkeit zu Boden gestreckt werden. Das Beunruhigende daran ist, daß man bei Putin – anders als bei Joe Biden – nachvollziehen kann, wie er zu seinen Aussagen kommt.
Kolonialreich Amerika
Wladimir Putin skizzierte die westliche Welt im wesentlichen als ein Kolonialreich, in dem ein Land, die USA, das Sagen hat, und alle anderen ein Vasallenleben mit amerikanischen Prokönigen an der Spitze ihrer jeweiligen Nationen zu führen hätten. Die bravsten US-Vasallen seien die Europäer in der EU, so brav, daß sie Wirtschaftspolitik sogar gegen die Interessen ihrer eigenen Nationen betrieben. Zwar träfen die Sanktionen Russland hart, härter aber träfen sie diejenigen, die sie verhängt haben. Die Zeit einer unipolaren Weltordnung sei vorbei, so Putin, und jeder Versuch, sie zu verlängern, sei zum Scheitern verurteilt. Der russische Markt bleibe offen für jeden, der mit Russland wirtschaftlich kooperieren will. Es werde aber Schluß sein mit der westlichen Unsitte, per Inflation ärmere Länder auszusaugen, indem die Amerikaner den Dollar als weltweite Leitwährung inflationieren, um für reale Güter mit immer wertloseren Papierschnipseln zu bezahlen.
Es sei generell eine Neuordnung der Weltwährungspolitik angezeigt, in der sich dann finanzkapitalistische und realwirtschaftlich organisierte Volkswirtschaften gegenüberstehen. Daß Bilanzsummen von Zentralbanken aus dem Blauen heraus einfach per Druckerpresse erhöht würden, ohne daß der umlaufenden Geldmenge die entsprechenden Werte gegenüberstehen, habe keinerlei Zukunft mehr. So habe sich bspw. die umlaufende Geldmenge des Dollars allein in den vergangenen beiden Jahren um 38 Prozent erhöht, ohne daß es dafür irgendeine Deckung gebe. Im Gegensatz zu den westeuropäischen Ländern verfüge Russland über schier unendliche Ressourcen, die es zu nutzen gelte, weshalb darauf ein Hauptaugenmerk zu legen sei.
Der Ukrainekrieg
Vor den angereisten Delegationen aus über 40 Ländern, darunter China, die Türkei, Ägypten sowie diverse Nationen aus Asien und Afrika, erklärte Wladimir Putin in St. Petersburg auch, worum es Russland mit der „militärischen Spezialoperation“ in der Ukraine geht. Zumindest hätte er gern, daß das so verstanden wird. Das Hauptziel der „militärischen Spezialoperation“ sei es, die großteils russische Bevölkerung im Donbass zu verteidigen in einem Krieg, der in der Ukraine selbst bereits seit 2014 gegen sie geführt wird. Außerdem kämpften russische Truppen im Donbass für die Sicherung von Russlands eigener Entwicklung. Putin: „Der Westen weigerte sich fundamental, seinen früher eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen, weshalb auch der Versuch keinen Sinn hat, es mit neuen Verträgen noch einmal zu versuchen.“
Damit sprach er vermutlich sowohl das Budapester Memorandum aus dem Jahr 1994 an, in welchem von Russland, den USA und Großbritannien die territoriale Integrität einer souveränen und neutralen Ukraine garantiert wurde. Sukzessive aber wurde die Neutralität der Ukraine in den folgenden Jahren so weit geschleift, daß zuletzt von einem russlandfeindlichen US-Vasallenstaat par excellence zu reden gewesen war, der zwar offiziell kein NATO-Mitglied ist, de facto aber von der NATO so behandelt wurde, als sei er bereits einer. Außerdem dürfte Putin auf den Bruch der Minsker Abkommen seitens der Ukraine abgehoben haben. „In der gegenwärtigen Situation“, so der russische Präsident, sei „vor dem Hintergrund ständig steigender Risiken und einer zunehmenden Bedrohung für uns, die russische Entscheidung, diese militärische Spezialoperation durchzuführen – schwierig zwar – eine erzwungene und notwendige Entscheidung“ gewesen. Das mag für eine vorgeschobene Kriegsbegründung halten, wer will, widerlegen läßt sie sich wohl kaum.
Perspektiven
Langfristig wird es für die europäischen Volkswirtschaften im Angesichte des finanzkapitalistischen Untergangs unerläßlich bleiben, zu einer produkt- und wertbasierten Wirtschaftsordnung zurückzukehren. Für eine solche sind russische Rohstoffe unerläßlich, so daß sich das Embargo auf russische Rohstoffe nicht allzu lange wird aufrecht erhalten lassen. Je früher diese Einsicht erfolgt, desto besser für alle. Daß damit auch politisch eine Ära in der westlichen Welt zu Ende geht und eine Neuorientierung stattfinden muß, die mit demselben Personal, das sich dieser Einsicht bislang noch hochnäsig widersetzt, nicht durchzusetzen sein wird, stellt die westliche Welt vor das Problem, sich mit ihren eigenen Wirtschafts- und Politeliten auseinandersetzen zu müssen. Die wiederum haben längst begriffen, daß es für sie selbst nur noch darum gehen kann, sich einzusacken, was es noch einzusacken gibt. Der Satz des WEF-Gründers Schwab, demzufolge im Jahr 2030 niemand mehr etwas besitzen – und daß es jedem gefallen wird, hat durchaus einen realen Grund, der weniger auf einer Idee beruht, sondern auf einer wirtschaftlichen Unausweichlichkeit, wenn die Weichen nicht schnellstens neu gestellt werden. Während die Inflation immer rasanter die Vermögen der Bürger auffrißt, entschulden sich Staaten auf diese Weise – und die Vermögen der globalen Multimilliardärsclique wachsen exorbitant.
Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, sich als Bürger nicht via Kriegspropaganda in eine pseudomoralistische Zwangspositionierung bugsieren zu lassen, weil die nichts anderes bedeutet, als sich mit denjenigen zu solidarisieren, die gerade dabei sind, einem selbst das Fell über die Ohren zu ziehen. Obwohl die Steuerbelastung für den Bürger über die Jahre stetig zugenommen – und ein inzwischen unerträgliches Niveau erreicht hat, liegt die durchschnittliche westliche Staatsverschuldung haushoch über derjenigen Russlands und steigt weiter. Die hemmungslose Gelddruckerei der EZB, aber auch die der FED, führt letztlich dazu, daß die Vermögen, die nach Steuern dennoch übrig geblieben sind, nun auch noch per Inflation entwertet, sprich also – enteignet – werden. Um diese unglaublich dreckige Entwicklung widerspruchslos durchziehen zu können, werden derzeit sowohl die Gewaltenteilung als auch die Grundrechte vormals freier Bürger immer weiter geschleift. Westliche Staaten entwickeln sich immer deutlicher zu einer Bedrohung für ihre eigenen Bürger.
Moralische Positionierung als erzwungenes Glaubensbekenntnis
Niemand sollte deshalb übersehen, was die wahren Gründe dafür sind, daß ein Krieg, der Westeuropäer im Grunde nicht mehr oder weniger anzugehen hätte als jeder der vorangegangenen Kriege des letzten halben Jahrhunderts, medial und propagandistisch historisch unverhältnismäßig aufgeblasen wird, und daß jedem Bürger sozusagen ein „Glaubensbekenntnis“ in Form einer moralischen Positionierung abgezwungen werden soll. Das ist nichts weiter als ein Ablenkungsmanöver von der Frage, wer eigentlich den gegen westliche Gesellschaften gerichteten, tatsächlich relevanten Krieg hinter der Fassade des Ukrainekriegs führt. Russland ist das nicht, sondern das sind die eigenen „Eliten“. Jede Minute, die man mit seiner Feindschaft gegen Putin und Russland zubringt, ist eine verschwendete Minute, die vom Wesentlichen ablenkt.
Bedauern muß man lediglich die Ukrainer, die keine dieser Nobelkarossen besitzen, welche allerweil mit ukrainischen Kennzeichen in westeuropäischen Großstädten zuhauf umherfahren, weil sich ihre Besitzer den Status des Kriegsflüchtlings leisten können. Die große Masse der verarmten Ukrainer wird derweilen gewissenlos in einem Proxykrieg der USA gegen Russland verheizt und verliert alles, zum Teil sogar ihr Leben. Und das, obwohl die Ukraine ein unglaublich reiches Land sein könnte, das sich seit seiner Unabhängigkeitserklärung vor über 30 Jahren hätte zur Schweiz Osteuropas entwickeln können, wenn es nicht dank „westlicher Hilfe & Unterstützung“ von absolut korrupten Verbrechern zu deren eigenem Wohl & Frommen an Oligarchen und westliche Konzerne verhökert worden wäre.
Kleiner Schönheitsfehler
Das ist die wahre Tragödie dieses Krieges: Daß die Ukrainer, erst um die Reichtümer ihres eigenen Landes betrogen, nun auch noch auf dem Blutaltar der geopolitischen US-Interessen abgeschlachtet werden. Und das, obwohl auch die schon aus ihrer eigenen Systemfehlerhaftigkeit heraus keine Zukunft mehr haben. Unübersehbar ist, daß inzwischen auch Westeuropa zur Verlängerung der amerikanischen Illusion von der einzig verbliebenen Weltmacht über die Klinge springen soll. Hier zwar bislang nur wirtschaftlich, notfalls aber auch kriegerisch. Oder, wie Kanzler Scholz das zu formulieren beliebte: Die „europäische Perspektive“ steht für seine Regierung derartig im Vordergrund, daß er unser Land notfalls auch in einen Krieg mit Russland ziehen lassen würde. Kleiner Schönheitsfehler: Das ist keine europäische Perspektive, sondern eine amerikanische auf Europa. Womit sich Putins Diktum von den amerikanischen Kolonien auch bestätigt.
Es gibt für uns Westeuropäer Wichtigeres, als uns zum Zwecke unserer moralischen Selbstüberhöhung hinter die Monstranz des heiligen Wolodymyr locken zu lassen und sie zum Zwecke der gegenseitigen Selbstvergewisserung in der Hochmoral demonstrativ vor uns herzutragen. Wichtiger wäre, zu erkennen, wer den Krieg gegen uns Westeuropäer führt. Wie gesagt: Russland ist das nicht. Man lese diesbezüglich das aufschlussreiche Statement Donald Trump zu den US-Präsidentschaftswahlen von dieser Woche.
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