Horst D. Deckert

Wirtschaftsrat der CDU: Klage abgewiesen, aber Teilerfolg erzielt

Das CDU-Parteigericht hat entschieden, dass der Lobbyverband Wirtschaftsrat der CDU weiterhin als Dauergast im Parteivorstand sitzen darf.

Auf diese Entscheidung haben wir lange gewartet: Das CDU-Parteigericht hat Ende April 2023 die Klage des CDU-Mitglieds Luke Neite gegen seine eigene Partei aus formalen Gründen abgelehnt. Neite hatte mit Unterstützung von LobbyControl vor dem Parteigericht dagegen geklagt, dass der Lobbyverband Wirtschaftsrat der CDU Dauergaststatus im Parteivorstand der CDU hat. Trotz der formalen Ablehnung erschließt sich aus der Urteilsbegründung, dass das Parteigericht diesen Status als fragwürdig ansieht.

v.l.n.r.: Gunter Freiherr von Mirbach (Rechtsanwalt), Christina Deckwirth (LobbyControl) und Luke Neite (CDU-Mitglied)

Die Entscheidung ist bedauerlich, aber sie ist dennoch auch ein Teilerfolg. Die Urteilsbegründung hat ausreichend Argumente geliefert, warum die CDU die Lobbyvertreterin des Wirtschaftsrats aus ihrem Vorstand abziehen sollte. Nun werden wir weitere Schritte abwägen – und den Druck auf Parteichef Merz erhöhen.

Lobbyverband mit Zugang zu Parteivorstand

Der Wirtschaftsrat der CDU hat seit Jahren den Status eines ständigen Dauergasts im CDU-Parteivorstand inne – einschließlich eines Rederechts. Der Wirtschaftsrat ist ein Lobbyverband, der Unternehmen direkte Zugänge zu CDU-Politiker:innen bietet. Das widerspricht laut einem von uns beauftragten Rechtsgutachten dem Parteiengesetz und der CDU-Satzung, denn dadurch erhält der Lobbyverband privilegierte Zugänge zum Machtzentrum der Partei.

Diese Kritik stellt nun auch das Parteigericht als „vertretbare Rechtsauffassung“ dar (Link Urteilsbegründung). Das ist ein klarer Teilerfolg. Das Parteigericht wies die Klage dennoch ab, weil Luke Neite als einfaches Basismitglied, das kein Delegierter auf einem Bundesparteitag gewesen ist, nicht klageberechtigt sei.

Hintergrund zur Klage

Unsere Kritik an dieser Konstruktion hat zwar große mediale Aufmerksamkeit bekommen, die Partei reagierte jedoch nicht. Deswegen hatten wir die Klage eines CDU-Mitglieds gegen den CDU-Parteivorstand unterstützt – sowohl finanziell als auch durch Öffentlichkeitsarbeit.

LobbyControl ist vor dem CDU-Parteigericht nicht klageberechtigt. Die Klage vor dem Parteigericht war die Voraussetzung für eine mögliche weitere Klage vor einem ordentlichen Gericht.

Das Parteigericht besteht aus fünf CDU-Mitgliedern, die für eine Amtszeit von vier Jahren ernannt werden und von denen drei – einschließlich der oder des Vorsitzenden – die Befähigung zum Richteramt innehaben müssen.

Das Verfahren ist in der Parteisatzung geregelt und entspricht den Vorgaben des Parteiengesetzes. Auch die beteiligten Anwälte müssen Parteimitglieder sein. Das Parteigericht tagte schon am 2. März 2023 im Konrad-Adenauer-Haus, das Urteil wurde aber erst am 24. April 2023 veröffentlicht.

Teilerfolg: Weitere Schritte werden nun geprüft

Es ist bedauerlich, dass das CDU-Parteigericht einem parteiexternen Wirtschaftslobbyverband weiter den privilegierten Zugang in die Partei erlaubt. Einen solchen Einfluss im Machtzentrum einer wichtigen Partei haben andere gesellschaftlichen Gruppen nicht. Das widerspricht demokratischen Prinzipien und – nach Ansicht der renommierten Parteienrechtlerin Prof. Sophie Schönberger – auch dem Parteiengesetz.

Auch die Urteilsbegründung des Parteigerichts macht hier nun große Fragezeichen an die laufende Praxis. Das ist ein wichtiger Teilerfolg, damit stärkt das Urteil unser Anliegen. Die CDU sollte die Urteilsbegründung als Aufforderung sehen, der Präsidentin des Wirtschaftsrats nicht länger einen Dauergaststatus zu gewähren. Wir werden nun weitere Schritte prüfen – einschließlich der Unterstützung weiterer Klagen. Zu diesen Schritten könnte etwa eine erneute Klage eines Parteimitglieds mit Delegiertenstatus vor dem Parteigericht oder der Gang vor das Zivilgericht gehören.


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Parteivorstand muss demokratischen Prinzipien unterliegen

Der Wirtschaftsrat der CDU ist als Berufsverband organisiert und hat formal keinerlei Verbindungen mit der Partei. Deswegen unterliegt er auch nicht den Transparenzpflichten des Parteiengesetz. Das Parteiengesetz sieht aber vor, dass ein Parteivorstand nach demokratischen Prinzipien besetzt sein muss – und parteiexterne Gruppen nicht kooptiert werden dürfen. Die Partei hatte Vertreter:innen des Wirtschaftsrats als Dauergäste mit Rederecht seit Jahren in den CDU-Parteivorstand kooptiert. Bis vor wenigen Jahren waren diese noch, wie jedes anderes Vorstandsmitglied, auf den Vorstandsseiten der Partei aufgeführt.

Schon seit März 2021 hatten wir diesen Dauergaststatus immer wieder scharf kritisiert und dann Anfang 2022 ein umfangreiches Rechtsgutachten dazu vorgelegt. Im Mai 2022 reichte das CDU-Mitglied Luke Neite mit unserer Unterstützung schließlich eine Klageschrift gegen den CDU-Vorstand ein. „Das jetzige Urteil zeigt – wie unter dem Brennglas – die problematischen Prioritäten der Parteispitze: Ein Lobbyverband, der formell nichts mit der Partei zu tun hat, bekommt ein Dauergastrecht. Der Basis dagegen wird das Kritikrecht abgesprochen“, kritisiert Luke Neite.

CDU-Chef Merz muss Distanz zu Lobbyverband wahren

Der Wirtschaftsrat der CDU ist in besonderem Maße mit Parteichef Friedrich Merz verbunden: Merz hatte dort jahrelang Spitzenfunktionen inne und löste diese erst kurz vor Beginn seiner letzten Kandidatur zum Parteivorstand auf. Das Urteil ist auch für all jene Parteimitglieder ein Teilerfolg, die den einseitigen Einfluss des Lobbyverbands immer wieder kritisiert haben. Es ist nicht im Interesse einer Volkspartei, wenn diese einseitig von ohnehin finanzstarken Akteuren beeinflusst wird. Es wäre gut gewesen, wenn das Parteigericht dies hätte klären können.

Wirtschaftsnahe Partei-Vorfeldorganisationen gibt es auch im Umfeld anderer Parteien. LobbyControl hatte im Frühjahr 2022 auch die FDP dafür kritisiert, dass sie den Liberalen Mittelstand in ihrem Parteivorstand vertreten hatte. Die FDP entschloss sich wenig später, diesen unrechtmäßigen Zustand zu beenden – und kam damit einer möglichen Klage zuvor. Im Umfeld der Grünen wurde jüngst die Wirtschaftsvereinigung der Grünen gegründet – allerdings ohne Sitz im Parteivorstand.

Vorfeldorganisationen vermischen Partei- und Lobbyarbeit

Die Parteiorganisationen im Umfeld von SPD, FDP, Grünen und CSU bieten ebenfalls fragwürdige privilegierte Zugänge zu Politiker:innen der jeweiligen Parteien – sie haben allerdings allesamt keinen unrechtmäßigen Sitz im jeweiligen Parteivorstand.

Wirtschaftsverbände im Vorfeld der Parteien sind exklusive Lobbykanäle für Unternehmen. Sie schaffen ein Umfeld, das Nähe und Vertrautheit zwischen Unternehmen und Parteimitgliedern herstellt und politische Zugänge öffnet. Verstärkt wird diese Nähe durch die Zahlung von Förder- und zum Teil auch Sponsorengeldern. Eine solche Vermischung von Partei- und Lobbyarbeit ist gefährlich für die Demokratie, weil so privilegierte Zugänge nur für ohnehin finanziell gut ausgestattete Akteure entstehen. Alle Parteien sollten deshalb auf Abstand zu den ihnen nahestehenden Wirtschaftslobbyverbänden gehen.


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