Von Laschet lernen heißt scheitern lernen (Foto:Imago/onw-images)
Einen „günstigeren“ Zeitpunkt für Hauen und Stechen, für innerparteiliche Selbstdemontage und Vervollkommnung eines desolaten Außenbildes hätte sich die Union nicht aussuchen können als zwei Wochen vor der Bundestagswahl. Selbst eine Art „Kampa“, die dezidiert den Auftrag erhalten hätte, bestehende Wahlchancen maximal zu schmälern und die CDU zu rasieren, hätte keinen gründlicheren Schaden anrichten können als die Sabotage aus den eigenen Reihen, die sich derzeit gegen missliebige Bundestagsaspiranten und den Spitzenkandidaten Laschet gleichermaßen wendet – obwohl letzterer beim Bestreben, seine gänzliche Nichteignung fürs Kanzleramt zu verdeutlichen, definitiv keine fremde Hilfe bräuchte.
Ungeniert macht da die „Bildungsexpertin“ aus Laschets Schattenkabinett, das sich hochtrabend als „Zukunftsteam“ ausgibt, Wahlwerbung für den SPD-Gegenkandidaten von Hans-Georg Maaßen, der in Südthüringen für die CDU kandidiert: Bei „Lanz“ danach gefragt, ob sie den ehemaligen Verfassungschutzpräsidenten Maaßen wählen würde, wenn sie in Thüringen lebte, antwortete die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien: Sie wisse gar nicht, was dieser in der CDU zu suchen habe, und gab dann ein unmissverständliches Votum für den SPD-Mann und Ex-Profi-Biathlet Frank Ullrich ab. Wahrlich: Wer solche „Parteifreunde“ hat, braucht keine politischen Feinde mehr. Eigentlich müsste Priens Verhalten nicht nur den sofortigen Rausschmiss aus Laschets Mannschaft nach sich ziehen, sondern würde eigentlich ihren Parteiausschluss rechtfertigen. Unter Helmut Kohl wäre eine solche Person noch am selben Tag ihrer Ämter ledig gewesen und in hohem Bogen aus der CDU geflogen. Nach 16 Jahren Merkel jedoch ist jedes Bekenntnis zu linker Gesinnung wertvoller als innerparteiliche Loyalität – selbst mitten im Wahlkampf und in Erwartung eines historischen Fiaskos.
Wer solche Parteifreunde hat, braucht keine Feinde mehr
Wie wenig übriggebliebene ist an Strategie, Wahlkampftaktik und innerparteilicher Disziplin in einer Partei, die zu einer reinen Machterhaltungsmaschine einer einzigen Frau im Kanzleramt degeneriert ist (wofür über vier komplette Legislaturperioden hinweg wichtigste Köpfe vergrault und reihenweise originärste Grundüberzeugungen geopfert wurden), das bewies gestern auch der Umgang der eigenen Schwesterpartei. Zur absoluten Unzeit, am absoluten Nadir aller bisherigen Umfragetalsohlen, fühlt sich CSU-Generalsekretär Markus Blume bemüßigt, die Kandidatenfrage nochmals aufzurollen – und in der Entscheidung um die Kanzlerkandidatur „einen Grund für die aktuelle Misere der Union“ zu konstatieren. „Natürlich stünden wir mit Markus Söder besser da„, so Blume zum „Spiegel„. Sein Chef Markus Söder hingegen erfreue sich „ungebrochen hoher Zustimmungswerte„, die zeigte zeigten, welches Potenzial die Union eigentlich habe.
Dass dieser bayerische Egotrip natürlich Nonsens ist, beweist der just gestern veröffentlichte aktuelle Bayern-Trend, der die CSU zum ersten Mal in ihrer Geschichte unterhalb der 30-Prozent-Marke sah. Unter Berücksichtigung der Fallhöhe, also bei Vergegenwärtigung, woher die jeweiligen Parteien ursprünglich kamen, ist Söder langfristig ein mindestens ebenso formidabler Verlierer wie die Merkel-Laschet-Union, bei der die Formel „20 Prozent Minus x“ fürs Wahlergebnis als ausgemachte Sache gelten darf. Blumes selbstgerechte Breitseite und die Aufarbeitung einer vorweggenommenen Wahlniederlage dürften dafür sorgen, dass beide Parteien noch weiter abrutschen. Damit erreicht die Selbstzerlegung der Union als einstmals großer Volkspartei eine neue Dimension.

