Äußerlich entspannt konnten wir und unsere Fortschrittsregierung über den Jahreswechsel auf unsere Energie-Versorgungslage blicken. Das ist Folge gut gefüllter Gasspeicher, weiter oder wieder laufender konventioneller Kraftwerke, sparsamer Haushalte und abgesenkter Industrieproduktion, vor allem aber des Wirkens eines uns gnädigen Wettergottes, dem hiermit herzlich gedankt sei. Wind- und Sonnenergie werden kräftig ausgebaut. Sie sind weiterhin nicht in der Lage, Versorgungssicherheit herzustellen. Das kann man feststellen, wenn man sich die Zahlen des Jahres 2022 ansieht. Man kann es auch ignorieren, wie die Regierung es tut.
von Frank Hennig
Ein weiteres speziell deutsches Energiewendejahr liegt hinter uns. Die wirtschaftliche Lage hat sich weiter verschlechtert. 39 von 49 vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) befragten Branchen blicken pessimistisch auf 2023. Die Hoffnungen, nach der Pandemie wieder kräftig loslegen zu können, werden vor allem durch die hohen Energiepreise zunichte gemacht. Und nein, man kann es nicht oft genug wiederholen: Putin ist nicht der Grund, er ist nur der Booster.
Bereits im Jahr 2021 verdreifachten sich die Börsenstrompreise, die CO2-Zertifikatepreise hatten sich schon in den fünf Jahren vor Kriegsbeginn verzehnfacht. In Europa wurden seit 2017 mehr als 20 Gigawatt (GW) Kohlekraftwerksleistung stillgelegt, in Deutschland allein 11 GW. Der gegenwärtige Energiemangel ist vor allem deutscher und EU-weiter Abschaltpolitik geschuldet. Die Brückentechnologie Erdgas wurde zwar oft, aber folgenlos erwähnt. Die 30 oder mehr bis 2030 zu errichtenden Gaskraftwerke hat niemand initiiert. Nun fehlt ohnehin das Gas.
Bis Juni lieferte Russland noch die volle Gasmenge, erst ab September wurden die Lieferungen völlig eingestellt. Ein Großteil des Speicherinhalts, den wir jetzt nutzen, ist also noch russisches Gas. Das wird 2023 anders sein. Wir werden dann vor allem deshalb mehr Gas brauchen, weil die Kernkraftwerke vermutlich für immer stehen werden und weitere Kohlekraftwerke ebenso. Aber wir haben ja die „Erneuerbaren“!
Ein Blick auf die Zahlen von 2022 ernüchtert. Der Zubau an Windkraftanlagen um mehr als 1,5 GW beziehungsweise mehr als 6 GW solcher der Fotovoltaik führte in keiner Weise zu einer Sockelbildung des Angebots, das heißt einer erwähnenswerten Versorgungssicherheit. Nennenswerte Stromspeicher sind nicht gebaut worden.
Die Menge des Stroms aus diesen Anlagen schwankte wieder beträchtlich. Im März betrug die Minimalleistung aller Wind- und Solaranlagen ganze 0,9 Prozent ihrer installierten Leistung. Ein fast hundertprozentiges absicherndes Backup bleibt nötig. Selbst in windreichen Monaten wie dem Februar lieferten die Windkraftanlagen im Durchschnitt nur 49,5 Prozent der theoretisch möglichen Leistung. Auch die Fotovoltaik blieb mit einem Spitzenwert von 63,9 Prozent im August unter ihren rechnerischen Möglichkeiten. Das ficht die Energiewendeerfolgsjournalisten nicht an. Sie nehmen die installierte Leistung einfach als künftig erzeugte an und rechnen dann eine Anzahl an Haushalten hoch, die man würde versorgen können. Meine Familie möchte nicht zu diesen Haushalten gehören.
Die Erkenntnisse aus den Vorjahren gelten auch für 2022:
– Mit Erzeugern von Zufallsstrom kann kein einziges konventionelles Kraftwerk ersetzt werden.
– Durch die Absicherung und zunehmend weiter notwendige Systemeingriffe verteuert sich der Strom weiter. Bereits 2021 wurden 1,4 Milliarden Euro für Maßnahmen des Redispatchs und des Einspeisemanagements gebraucht. Die Kosten werden für 2022 höher sein.
Die „minimale Mehrproduktion“
Die noch laufenden und übrigens rissfreien deutschen Kernkraftwerke (KKW) senkten im Streckbetrieb allmählich ihre Leistung ab:
Günstig wirkte sich der Umstand aus, dass die französischen KKW nach und nach wieder ans Netz gehen:
Klimaminister Habeck sprach angesichts der noch laufenden deutschen KKW von einer „minimalen Mehrproduktion“. Immerhin überstieg die produzierte Strommenge dieser nur drei (!) KKW die Windstrommenge von See im Jahr 2022 deutlich1. Auch die Fotovoltaik (PV) war nach seiner Definition kein wesentlicher Bestandteil der Stromversorgung. Im ersten Quartal 2022 kamen 9 TWh aus der gesamten PV in Deutschland, die verbliebenen Kernkraftwerke brachten es auf 8,5 TWh.
Ehrlicherweise muss man also konstatieren, dass die Windkraft offshore wie auch die PV zeitweise nur unbedeutende Mengen liefern. Können sie dann „Säulen“ einer künftigen Energieversorgung sein und berechtigt das zum Abschalten wetterunabhängig laufender Kraftwerke?
Die Zahl der Stunden mit negativen Strompreisen ging seit August auf null zurück. Nur für 29 Stunden am Jahresende, bei viel Wind, hohen Temperaturen und wenig Last, fielen die Börsenpreise noch einmal unter die Null. Das bedeutet, dass es den so genannten Überschussstrom de facto nicht mehr gibt. Vielen Investitionen von Stadtwerken und Versorgern in Anlagen des P2H (Power to heat), also vereinfacht formuliert in große Tauchsieder zur Wärmeerzeugung, wird damit die wirtschaftliche Basis entzogen. Strom, dessen Abnahme noch prämiiert wird, kostenlosen oder billigen Strom gibt es nicht mehr. Damit trägt auch die Idee einer preiswerten Wasserstofferzeugung aus Grünstrom nicht mehr. Jeder Wind- oder Solarstromerzeuger tut gut daran, seinen Strom direkt ins Netz zu verkaufen und so die Gewinne zu maximieren, anstelle den Strom für grünen Wasserstoff zu verschenken oder zu verramschen. Vermutlich wird es aber hier einen neuen Subventionstatbestand geben.
Ein Markt für grünen Wasserstoff soll hochlaufen. Die am lautesten danach rufen, wissen, dass es ein Subventionsmarkt sein wird und sie wollen ein möglichst großes Stück vom Steuergeld-Kuchen haben. Habeck will einen „Markt bauen“, auch hier zeigt sich sein Unverständnis der Marktwirtschaft. Freie Märkte existieren und regulieren sich selbst, so man sie lässt. Man braucht und kann sie nicht „bauen“. Natürlich müssen sie politisch gerahmt sein, um Auswüchse zu vermeiden. Einige –zig Jahre sozialer Marktwirtschaft in der Bundesrepublik haben gezeigt, dass Markt und Soziales sehr wohl harmonieren können. Ist die Wirtschaft erfolgreich, gibt es mehr zu verteilen. Die derzeit zu beobachtende ökologistische Staatsplanwirtschaft hingegen lebt nicht von Wachstum, sondern von selbstverursachter Schrumpfung und „gerechter“, aber insgesamt unsozialer Verteilung von Mangel.
Die Regierung will natürlich viel, viel und noch viel mehr Wind- und Solaranlagen. Die Ziele für die Windkraft sehen so aus:
Ab 2025 sollen jährlich 7,8 GW Windkraftleistung netto zugebaut werden, unter Berücksichtigung des Rückbaus von Altanlagen. In der Annahme, dass Anlagen der 5-Megawatt-Klasse errichtet werden und durchschnittlich 301 Werktage pro Jahr genutzt werden können, würde dies bedeuten, dass ab 2025 an jedem Werktag (Montag bis Samstag) mehr als fünf Anlagen ans Netz angeschlossen werden müssten. Das ist nicht optimistisch, sondern unrealistisch. Vor dem Hintergrund der teils oder völlig abgewanderten deutschen Windindustrie (Rotorblätter, Türme, Spezialgussteile), der verfügbaren Mengen an Stahlbeton, der verfügbaren Technik (Großkräne), des Mangels an Fachkräften, der wetterabhängigen Montage und weiter steigender Anlagenpreise wird dies offensichtlich die zu erwartenden Möglichkeiten übersteigen.
Das Windkraft-Journal bezeichnete die Ausschreibungsrunde „Wind an Land“ vom 1. Dezember 2022 als „völliges Desaster“. Von 1.190 ausgeschriebenen Megawatt installierbarer Leistung wurden nur 203 bezuschlagt. Bereits die zwei Ausschreibungsrunden vorher waren unterzeichnet. Obwohl die Obergrenzen für 2023 bei der Windkraft auf 7,35 Cent pro Kilowattstunde angehoben wurden (vorher 5,88 Cent), wird sich der Neubau von Windkraftanlagen auf Grund geringer Energiedichte und immer schlechterer Standortbedingungen weiterhin wenig rentieren. Der Wind schickt eben doch eine Rechnung und die Windkraft würde auf dem freien Markt nicht bestehen, vor allem dann nicht, wenn man ihr die hohen Systemkosten verursachergerecht zuschreiben würde.
Natürlich könnte man die Regularien ändern und den Zubau an Erneuerbaren verstaatlichen und mit Steuergeld finanzieren, aber das dürfte politisch vorerst noch schwer durchsetzbar sein.
Man kann Wünsche als Ziele aufschreiben, ihre Erreichung wird aber schwierig. Die Bundesregierung hält immer noch am Ziel 400.000 neuer Wohnungen fest, obwohl jeder weiß, dass diese Zahl nicht erreichbar ist. Zumal dann, wenn der Großteil des Betons künftig in die Fundamente neuer Windkraftanlagen gehen soll.
Es ist offensichtlich auch eine Frage der Führungsfiguren. Ein Wirtschaftsminister ohne Grundkenntnisse von Marktwirtschaft, eine Bauministerin ohne Kenntnisse der Baubranche, eine Verteidigungsministerin in High-Heels im Sand von Mali und ohne Kenntnisse des Militärs, geschweige denn selbst erlebten Wehrdienstes – belassen wir es an der beispielhaften Aufzählung.
Theorie und Praxis
Unterdessen sieht Klimaminister Habeck
„deutliche Fortschritte beim Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland. Er verweist auf beschlossene Gesetze zur Beschleunigung des Ausbaus.“
So vermeldet vom Hofmedium tagesschau.de.
Beschlossene Gesetze bedeuten im Deutschland von heute längst nicht, dass sie auch Realität werden, vor allem, wenn sie ohne jede Plausibilitätsprüfung gebastelt werden. Noch nie wurde eine Energiestrategie irgendeiner deutschen Bundesregierung umgesetzt. Warum es gerade jetzt in Anbetracht des handelnden Personals gelingen sollte, bleibt rätselhaft. In typisch politischer Allmachtszuschreibung geht Habeck davon aus, dass staatlich induzierte Entwicklungen „schnell“ umgesetzt werden könnten. Ein Blick in den Rückspiegel täte gut. Der BER genannte „Fluchhafen“ Berlin-Brandenburg brauchte 14 statt sechs Jahren Bauzeit, der vom Staatskonzern DB gemanagte Umbau des Hauptbahnhofs in Stuttgart wird es vermutlich auf 15 anstelle neun Jahren Bauzeit bringen. Der Neubau des Schiffshebewerks in Niederfinow dauerte 14 Jahre, das Vorgängerbauwerk war vor fast hundert Jahren in sieben Jahren errichtet worden, zwar kleiner, aber mit entsprechend weniger technischen Möglichkeiten.
Eine gewisse Skepsis sollte also bei einem angekündigten schnellen Ausbau von „Erneuerbaren“, von Netzen und anderer Infrastruktur angebracht sein. Die Medien beten den Zweckoptimismus nach und schreiben Kohle- und Kernkraft tot. Währenddessen stellte der ostdeutsche Braunkohleförderer und –verstromer LEAG im Jahr 2022 950 neue Mitarbeiter ein, vor allem zur Steigerung der Kohleförderung und der Wiederinbetriebnahme zweier Jänschwalder Kraftwerksblöcke mit einer Laufzeit bis mindestens Juni 2023. Zum 1. Januar nahm der Block 7 des Großkraftwerks Mannheim wieder seine Arbeit auf, bis zum März 2024. Und dann?
Die Regierung und die sie begleitenden Medien sprechen immer noch von einer erfolgreichen Energiewende, trotz Krieges in Europa von einem „idealerweise“ möglichen Kohleausstieg bis 2030. Sie fordern regierungskonform den „Energiewende-Turbo“, den „Energiewende-ICE“ und was der Phrasen mehr sind, um über die mediale Buschtrommel den immer schnelleren, entschlosseneren, ehrgeizigeren Ausbau zu fordern von – na, Sie wissen schon.
Seit Juli 2022 wird die EEG-Umlage nicht mehr erhoben. Die hohen Strompreise am Markt bescheren den EE-Betreibern Windfall-Profits, die jede Umlage übersteigen. Das Umlagekonto brauchte nicht mehr angetastet werden. Im August betrug der Kontostand über 17 Milliarden Euro. Ein großer Teil davon (13 Milliarden) wird eingesetzt, um die ausufernden Netzentgelte aufzufangen. Irgendwann ist das Konto leer.
Staatsgeld aus Müll
Gleichzeitig wird der Eindruck erweckt, die Regierung arbeite heldenhaft und fleißig an unser aller Entlastung. Abgesehen davon, dass wir einen Großteil der steigenden Belastungen mehreren Bundesregierungen überhaupt erst zu verdanken haben, wird auch hier das Instrument der Halbwahrheit zur Desinformation eingesetzt.
Nur als Randnotiz erfährt der Medienkonsument – und nur, wenn er sich dafür interessiert – dass ab Januar auch die Müllverbrennung in den Emissionshandel einbezogen wird. Das ist insofern eine Besonderheit und anders als im fossilen Kraftwerkssektor, dass man sie kaum deutlich reduzieren und auch nicht abschaffen kann. Die Deponierung ist verboten.
Müllverbrennungsanlagen (MVA) können keine anderen Brennstoffe einsetzen. Durch mehr Recycling ist es sicher möglich, die Müllmengen etwas weiter zu reduzieren, aber wir sind im internationalen Vergleich in der Frage der Kreislaufwirtschaft bereits gut aufgestellt. Eine emissionsmindernde Wirkung ist nicht zu erwarten, ausschließlich eine Zusatzbelastung für Bürger und Unternehmen. Für das Jahr 2023 rechnet der Bundesverband der deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft e.V. (BDE) mit Kosten von 900 Millionen Euro, die dann entsprechend der so genannten Preistreppe des BEHG (Brennstoffemissionshandelsgesetz) jährlich steigen – ohne jeden Effekt „fürs Klima“.
Die Müllgebühren werden steigen. Welche Regelungswirkung soll die CO2-Bepreisung beim Müll haben? Mehr Müll wird im Gelben Sack, in der Landschaft und am Ende beim Steuerzahler landen, mehr Müll wird durch die eigene Esse gehen, so man eine hat. Vielleicht nehmen auch die Müllexporte nach Malaysia, Indonesien oder die Türkei zu. Wie umweltgerecht dort entsorgt wird, weiß niemand. Der Weg in die Meere ist dann kurz. Es wäre einfach, Müllexporte zu verbieten, damit die Reststoffe bei uns kontrolliert verbrannt werden. Diese thermische Verwertung dann noch zu verteuern, ist kontraproduktiv.
Dabei ist die Müllverbrennung netzdienlich, grundlastfähig und regelbar. Mehr als ein Gigawatt Strom werden zumeist eingespeist, das ist an manchen Tagen mehr, als Wind und Sonne zusammen liefern können.
Der Staat braucht Geld. Kosmetische Diskussionen in Wahlkampfzeiten über die Absenkung der Stromsteuer oder die Mehrwertsteuer auf Energie dienen der Ablenkung.
Die Aufrufe der grünen Bourgeoisie und ihrer Medientrompeten zum Verzicht auf den Karibikurlaub und den neuen SUV sind eine Verhöhnung der Bevölkerung, der immer zahlreicher werdenden Tafelkunden und flaschensammelnden Rentner. Der Trend, dass nicht mehr Atomkerne gespalten werden, sondern die Gesellschaft, geht weiter.
Auch 2022 zeigte, die deutsche Methode einer Energiewende ist weltweit einmalig. Wir sind die Geisterfahrer der globalen Entwicklung und werden die Welt nicht retten. Wir können nur hoffen, dass wir von der Welt gerettet werden. Vielleicht nimmt uns jemand als Kolonie.
Abschließend möchte ich mich bei Rolf Schuster von vernunftkraft.de bedanken, der auch 2022 wieder die Daten der Netzbetreiber akribisch zusammengetragen hat und so einen schnellen und aussagekräftigen Überblick über unseren Energiemix im Stromnetz gibt. Vergleichbares findet man zum Beispiel bei den Bundesverbänden der Wind- und Solarwirtschaft aus gutem Grund nicht. Dort wird vernebelt, zum Beispiel mit der Sprachregelung, dass nur in wenigen Stunden des Jahres Windkraftanlagen keinen Strom liefern. Das klingt besser als eine Verfügbarkeit von etwa 20 Prozent, die sich aus der Volllaststundenzahl ergibt.