«Die Schweiz hat sich beim Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine auf die Seite des Völkerrechts und des Opfers dieser Aggression gestellt», schrieben Benno Zogg und Marianne Fakhurdinova am 30. Dezember 2022 in der NZZ.
In ihrem Gastkommentar zeigen die beiden auf, was die Schweiz im vergangenen Jahr bereits für die Ukraine geleistet hat und wie die Ukraine selber das Schweizer Engagement einschätzt.
So erfährt man, dass das «Veto der Schweiz gegen die Wiederausfuhr von Kriegsmaterial (…) in den ukrainischen Medien grosse und sehr kritische Beachtung» gefunden habe. Auch als die Schweiz im Juli 2022 entschieden hatte, hierzulande keine kriegsverletzten Ukrainer zu behandeln, hätte Kiew dies kritisiert.
Der Grund für diese Haltung der dortigen Regierung: Die Schweiz habe von Anfang an grosse Hoffnungen geweckt. Denn Bern habe «die russische Invasion ab Tag eins verurteilt und sich seither den meisten EU-Sanktionspaketen angeschlossen».
Zogg und Fakhurdinova machen keinen Hehl daraus, auf welcher Seite sie stehen: Sie loben in ihrem Artikel die enge Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der Ukraine. So fragt sich der geneigte Leser bald einmal, ob nicht die Presseabteilung der NATO hinter diesen Zeilen stünde. Doch dazu gleich mehr.
Die Gastkommentatoren verweisen beispielsweise lobend auf die Kooperation im Bereich Digitalisierung. Digitale Tools und E-Dienstleistungen wie «DIIA» oder «eMalyatco» konnte Kiew nur dank der Unterstützung durch die Schweiz einführen.
«Die bereits vor dem 24. Februar sehr beliebte DIIA-App mit über 50 elektronischen Behördendiensten erwies sich dann inmitten des Krieges als von grossem Nutzen. Viele Menschen, die ihre Ausweise verloren hatten, konnten sich mit der App weiterhin identifizieren, und Binnenvertriebene konnten elektronisch registriert werden», schrieben Zogg und Fakhurdinova.
Sie sehen zudem ein grosses Potenzial in der digitalen Zusammenarbeit beider Länder und machen dabei auch auf eine jüngst unterzeichnete «Partnerschaftsvereinbarung» im Bereich «digitaler Transformation» aufmerksam. Die Schweizer Neutralität scheint für Zogg und Fakhurdinova ein vernachlässigbares Überbleibsel aus der Vergangenheit darzustellen, an dem man pro forma aber weiterhin festhalten sollte.
Die Argumentation von Zogg und Fakhurdinova kommt nicht von ungefähr. Verständlich wird sie vor dem Hintergrund ihrer beruflichen Laufbahn. Denn bei der bisherigen Vita der Kommentatoren wird es erst richtig interessant.
Fakhurdinova ist ehemalige Praktikantin der ukrainischen Botschaft in Berlin. Sie ist Absolventin der Guildhall School of International Journalism und des «NATO Professional Development Program ‹YOUNG UA›», eines akademischen Programms für «reformorientierte» junge Ukrainer, das über das westliche Militärbündnis NATO organisiert wird.
Heute arbeitet sie für die Denkfabrik New Europa Center, die eigenen Angaben zufolge 2017 als «unabhängige» Organisation gegründet wurde – mit dem Ziel, die Ukraine in die NATO und die EU zu integrieren. Zu den Sponsoren des Gründungsjahres zählten unter anderem die US-Behörde USAID und die deutsche Friedrich-Ebert-Stiftung. Letztere steht der SPD nahe und plädiert dafür, dass Deutschland die Ukraine unterstützt (siehe auch hier).
Noch spannender wird es bei Benno Zogg. Er wird in der NZZ als Forscher präsentiert, der am «Center for Security Studies der ETH Zürich» arbeitet. Doch die Realität ist inzwischen eine andere: Seit Januar 2023 ist Zogg «Chef Strategie und Internationales» in der Abteilung Sicherheitspolitik des Schweizerischen Verteidigungsdepartements (VBS).
Lorenz Frischknecht, stellvertretender Kommunikationschef des VBS, erklärt gegenüber Transition News, dass Zogg den Artikel noch in seiner Funktion beim Center for Security Studies (CSS) an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) geschrieben habe. «Sein Artikel wurde dann aber von der NZZ aus Produktionsgründen erst gedruckt, als Benno Zogg seine Tätigkeit im VBS angetreten hat.» Zogg selbst antwortete auf Fragen von Transition News nicht. All dies war für den Leser der NZZ nicht ersichtlich.
Der Wechsel von der ETH direkt ins Verteidigungsministerium mag auf den ersten Blick überraschen. Ein genauer Blick auf das CSS zeigt allerdings: Die Denkfabrik der ETH ist ebenfalls verbandelt mit NATO-nahen Organisationen. Zogg hatte innerhalb des CSS im Euro-Atlantic Security-Team gearbeitet.
Co-Teamleiterin ist dort derzeit Névine Schepers. Bevor Schepers 2020 zum CSS kam, arbeitete sie bei der Denkfabrik «International Institute for Strategic Studies» (IISS) in London und VERTIC. Das IISS ist eng mit dem britischen Verteidigungsministerium verbunden. Es wird von Regierungen und Militärs mehrerer westlicher Länder, führenden Unternehmen der Rüstungsindustrie und den repressiven Golfmonarchien grosszügig finanziert.
Zu den Kernpartnern des CSS zählen unter anderem: der Schweizer Nachrichtendienst (NDB), das Verteidigungsdepartement und das Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA).
Doch zurück zu Zogg. Er studierte unter anderem an der Universität Zürich sowie auch am King’s College in London. «Seine Mitstudentinnen arbeiten heute für das US-Aussenministerium oder im Irak für die UNO», schrieb der Tages-Anzeiger im Frühing 2022 in einem Porträt über ihn. Genau wie Zogg heute. Bei den politischen Eliten hierzulande scheint er viel Vertrauen zu geniessen.
Am 10. März 2022, wenige Tage nachdem Russland in die Ukraine einmarschiert war, analysierte Zogg vor Schweizer Parlamentariern im Nobelhotel «Bernerhof» die geopolitische Ausgangslage. Eingeladen dazu hatte Verteidigungsministerin Viola Amherd.
Zwischen 2017 und 2022 war Zogg ebenfalls für die liberale Denkfabrik Foraus als Co-Leiter des «Peace & Security»-Programms tätig. Foraus steht der Grünliberalen Partei nahe. Ins Leben gerufen wurde Foraus von Nicolas Forster, einem Gründungskurator der «Global Shapers Bern». «Global Shapers», das sind junge ambitionierte Führungskräfte, die über das Netzwerk des Weltwirtschaftsforums (WEF) unterstützt werden.
Foraus tat sich im vergangenen Jahr besonders darin hervor, dass sie die Schweizer Neutralität neu zu konzipieren versuchte. Co-Geschäftsführerin Anna-Lina Müller war 2022 Mitglied einer Expertengruppe, die im Auftrag von Aussenminister Ignazio Cassis Vorschläge zur Entwicklung der Neutralität erarbeitet hatte. In der Vergangenheit hatte Müller selbst im Schweizer Aussendepartement gearbeitet.
Die Denkfabrik erstellte im August 2022 gar eine ausführliche Arbeit, in der sie Empfehlungen für die künftige Ausgestaltung der Neutralität machte. Foraus plädiert darin für eine «kooperative Neutralität» und eine engere Kooperation mit der EU und NATO. Die Wortkombination «kooperative Neutralität» hatte Cassis am 23. Mai 2022 im Rahmen des WEF in Davos in die Welt gesetzt.
Die Arbeit von Foraus zeichnet sich dadurch aus, dass sie die Realität verbrämt. In ihren Neutralitäts-Empfehlungen wird die Ansicht vertreten, dass im Handelskrieg gegen Russland nicht von einem Wirtschaftskrieg die Rede sein dürfe, sondern lediglich von «Wirtschaftssanktionen». Dass die Schweiz die EU-«Wirtschaftssanktionen» gegen Russland mitträgt, unterstützt die Denkfabrik.
Entsprechend viele Überschneidungen gibt es zwischen den Positionen der Denkfabrik Foraus und jenen von Zogg. Dem durchschnittlichen NZZ-Leser hingegen bleibt dies alles verborgen, gilt Zogg doch dem freisinnigen Blatt des Zürcher Grossbürgertums lediglich als ein «Forscher» an der ETH.
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