Der reformierte Pfarrer Lothar Mack gehört zu den wenigen kirchlichen Stimmen, die die Corona-Politik von Anfang schonungslos kritisiert haben. Sein Engagement brachte den ehemaligen Gemeindepfarrer aber auch in Schwierigkeiten. Noch immer hat Mack heute mit den Mühlen der Justiz zu kämpfen.
Deutsche Justizbehörden werfen Mack vor, gegen Corona-Verordnungen verstossen zu haben. Sein «Vergehen»: Er hielt am 10. April 2021 auf dem Schulhof der Anne-Frank-Schule in Rastatt einen Gottesdienst ab.
Für diesen Tag hatten Aktivisten im städtischen Tullapark eine Versammlung gegen die Corona-Politik angekündigt und dazu Mack für einen Vortrag eingeladen. Das Landratsamt Rastatt verbot diese Versammlung jedoch. Zahlreiche Polizisten befanden sich an diesem Tag in der Stadt, um diese Weisung auch durchzusetzen. Die Behörde begründete ihren Entscheid damit, dass sich durch eine Versammlung das Coronavirus verbreiten und die Bevölkerung gefährden könnte.
Ungeachtet des Verbots, versammelten sich am frühen Nachmittag einige hundert Menschen im Umkreis der Anne-Frank-Schule. Mack reiste damals in seiner Eigenschaft als Pfarrer ebenfalls in die Stadt, weil er sich gerade jetzt nicht von den Menschen zurückziehen und eine mögliche Eskalation der Situation vermeiden wollte. Er beabsichtigte, dann bei Bedarf deeskalierend einzugreifen.
Mack entschied sich gegen 15 Uhr spontan dazu, einen Gottesdienst abzuhalten (hier sehen Sie das Video dazu). Dabei forderte er zu Beginn mit dem Mikrofon die Menschen auf, den erforderlichen Mindestabstand einzuhalten. Während des Gottesdienstes betete er das Vaterunser, zitierte aus Bibelstellen und segnete die Menschen.
Erfolglose Beschwerde
Ein Unding für die Behörden. Die Stadt Rastatt sandte Mack ein halbe Jahr später ein Bussgeldbescheid in der Höhe von 1500 Euro. Sie hielt dem Pfarrer vor, gegen die damalige Corona-Verordnung verstossen zu haben. Dafür hatte dieser aber kein Verständnis und reichte Beschwerde ein. Erfolglos.
Am 30. September 2022 verurteilte ihn das Amtsgericht Rastatt. Es warf Mack vor, «vorsätzlich eine religiöse Veranstaltung ohne Einhaltung der Hygieneanforderungen und ohne Erstellung des erforderlichen Hygienekonzepts» abgehalten zu haben.
Rechtsanwalt Dirk Sattelmaier, der Mack bei dieser Gerichtsverhandlung juristisch vertrat, sprach von einem «historischen Urteil». «Damit dürfte Herr Mack der erste Pfarrer in Deutschland sein, der wegen des reinen Abhaltens eines Gottesdienstes verurteilt wurde», sagte Sattelmaier in einem Video nach jener fünfstündigen Verhandlung.
Mack zog das Urteil daraufhin weiter. Doch auch die weiteren Instanzen beurteilten die Rechtslage nicht wesentlich anders. Ebenso wie das Amtsgericht sah auch das Oberlandesgericht Karlsruhe die Sache: Der Gottesdienst habe aufgrund der damaligen epidemiologischen Lage eine Gefahr für Leib und Leben dargestellt, so die Wahrnehmung der Justizbehörde. Entsprechend sei die Religionsfreiheit nur noch zweitrangig gewesen und die Busse gegen Mack gerechtfertigt.
Ganz anders sieht das Rechtsanwalt Ralf Ludwig. Der bekannte Anwalt ist der Meinung, dass die bisherigen Gerichtsbeschlüsse verfassungswidrig seien. Ludwig unterstützt Mack juristisch und hat für ihn unlängst Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Eine solche ist im deutschen Recht ein ausserordentlicher Rechtsbehelf, mit dem die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts gerügt werden kann.
Ziel ist es, damit die bisherigen Entscheidungen zu kippen. Denn bei einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen auf.
Fehlende Abwägung
Ludwig wirft den Justizbehörden vor, zentrale rechtliche Standards missachtet zu haben. Dies unter anderem deshalb, weil sie nicht zwischen der Religionsfreiheit (Art. 4 Grundgesetz) und dem «Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit» (Art. 2 Grundgesetz) abgewogen hätten. Weder das Amtsgericht Rastatt noch das Oberlandesgericht Karlsruhe habe diese wichtige Abwägung vorgenommen.
Das Amtsgericht habe einfach «vorausgesetzt», dass durch den Gottesdienst eine Gefahr ausgegangen sei. Doch eine «gerichtliche Überprüfung» habe nicht stattgefunden, schreibt Ludwig in der Beschwerde, die Transition News vorliegt. Ludwig weiter:
«Letztlich hat das Amtsgericht einen absoluten Vorrang von Leib und Leben festgestellt, der dem Grundgesetz fremd ist und diesen absoluten Vorrang gegen andere Grundrechte gestellt und diesen anderen Grundrechten hierdurch in ihrem Wesenskern ihre Berechtigung abgesprochen.»
Für Ludwig steht fest: Die Verletzung der Religionsübungsfreiheit «ist offensichtlich». Der Anwalt wirft den Justizbehörden zudem vor, Mack sein rechtliches Gehör verweigert zu haben, weil die Justizbehörden überhaupt nicht auf dessen Rechtsbeschwerden eingegangen seien.
Mack gibt nicht klein bei
Für Lothar Mack ist klar: Er wird noch lange nicht klein beigeben. Er sieht seine Grundrechte verletzt – insbesondere jenes auf Religionsfreiheit. «Die ungestörte Religionsausübung muss gewährleistet sein», sagt Mack gegenüber Transition News, das stehe auch in Artikel 4 des Grundgesetzes. Mack verweist zudem darauf, dass die Störung der Religionsausübung gar einen Straftatbestand erfülle.
Hier gehe es um Grundsätzliches. Im Zentrum stehe schliesslich die Frage: Gibt es Religionsfreiheit oder gibt es sie nicht? Dafür sei Mack auch bereit, das Verfahren gegebenenfalls an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg weiterzuziehen.
Doch er hofft, dass die Verfassungsbeschwerde angenommen wird. Dann stünden die Chancen auf eine Revision der bisherigen Urteile gut, wie er meint. «Von der Sache her müssten sie unbedingt drauf eingehen; politisch dürfte es inopportun sein.»
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Hinweis der Redaktion:
Lothar Mack verfasst auf Transition News regelmässig «Das andere Wort zum Sonntag».