Dieser Text ist zuerst auf Apolut erschienen. Transition News durfte den Artikel mit freundlicher Genehmigung des Autors übernehmen.
Wolodomir Selenski auf Europa-Tournee. Finnland, Polen, Deutschland, Niederlande, Frankreich und Grossbritannien waren die Stationen des gefeierten ukrainischen Präsidenten. In jedem Land wurde Selenski reich beschenkt mit allerlei nettem Kriegsspielzeug.
Allein aus Deutschland bringt der ukrainische Staatenlenker eine Gabe von 2,7 Milliarden Euro aus Steuermitteln mit – ausgestattet mit dem Auftrag, Russland zu «ruinieren», wie es unsere allseits geliebte Aussenministerin zu sagen beliebt. In Deutschland bekam Selenski zudem den schönen Aachener Karlspreis in die Hand gedrückt.
Diesen Preis würde ich nicht einmal geschenkt entgegennehmen. Erinnert er doch an den fürchterlichen Karl den Grossen, dereinst Reichseiniger und Erbe des Römischen Kaiserreiches auf deutschem Boden. Karl der Grosse ist in Erinnerung geblieben als der «Sachsenschlächter», da er einen nahezu genozidalen Krieg gegen Sachsen und Friesen geführt hat und allein an einem einzigen Tag 5000 Mitglieder der sächsischen Führungsschicht enthaupten liess.
Immerhin legitimiert sich der ukrainische Präsident selber, dass durch seine Kriegsführung nahezu 100’000 Russen getötet worden seien (1). Selenski könnte nach Henry Kissinger und Barak Obama der nächste Spitzenpolitiker sein, der vielleicht als Krönung der Auslese noch den Friedensnobelpreis zuerkannt bekommt.
Nun tönte unsere Qualitätspresse: Wenn Selenski in die Ukraine zurückkehrt, erwartet ihn erstmal eine Menge Ärger. Denn der oberste ukrainische Richter, der erst 43-jährige Wsewolod Knjasew, sei in flagranti von der Antikorruptionsbehörde NABU dabei erwischt worden, wie er Schmiergeld in Höhe von 2,7 Millionen Euro entgegennahm (2).
Stolz präsentierte die Anti-Korruptionsbehörde ein Foto mit den Schmiergeldscheinen, garniert auf einem beispiellos hässlichen Sofa. Kurz darauf wurde ein weiterer, bislang nicht namentlich genannter Oberster Richter verhaftet. Die noch im Amt befindlichen Richter zischelten zerknirscht, sie wollten mit der Korruptionsbehörde «kooperieren».
Doch wer war eigentlich der nicht namentlich genannte «ukrainische Oligarch, der jetzt in Frankreich lebt»? Die tapferen Korruptionskämpfer trauen sich offenkundig nicht, den Namen des unaussprechlichen Oligarchen auszusprechen.
Vorausgegangen war im letzten Februar ein Treffen von ukrainischen Regierungsmitgliedern mit den obersten Hierarchen der Europäischen Union in Brüssel (3). Wir alle wissen, dass die EU-Behörden durch makellose, korruptionsfreie Regierungskunst grosses Ansehen erworben haben. EU-Chefin von der Leyen hat, wie wir alle ganz «korrektiv» wissen, niemals befreundeten Pharmafritzen Vorteile bei der Auftragsvergabe verschafft.
Also konnte die EU-Spitze mit blütenreiner Weste den ukrainischen EU-Beitrittskandidaten vorschreiben, sie müssten ihr miserables Image als Eldorado der Korruption schleunigst ablegen. Sonst wird das nie etwas mit der ersehnten EU-Mitgliedschaft der Ukraine. Nun also rollen Köpfe. Und das ist natürlich schon überraschend. Denn Richter geniessen in der Ukraine Immunität: Solange sie Richter sind, können sie nicht mit Strafverfahren belästigt werden. Sie müssen also schon in flagranti auf frischer Tat ertappt werden.
Man sieht: Die Regierung Selenski handelt! Denn die Nichtregierungsorganisation Transparency International sieht die Ukraine in ihrer negativen Hitliste der korruptesten Staaten auf Platz 122 (4). Platz eins belegt Dänemark als sauberster Staat von insgesamt 180 Staaten, die gelistet sind. Aber Russland ist natürlich noch viel korrupter und belegt Platz 139 (5).
Auf der Weltkarte von Transparency International sieht man, dass die Staaten der westlichen Wertegemeinschaft alle ganz saubere Westen haben, die Vereinigten Staaten von Amerika und Grossbritannien sind demzufolge wahre Musterländer. Es gibt ja Miesmacher die behaupten, Transparency International würde von Regierungen der westlichen Wertegemeinschaft und von Rüstungskonzernen wie Raytheon finanziert … (6).
Nun ist es nicht ganz uninteressant, dass der amtierende ukrainische Präsident Wolodomir Selenski erstaunlicherweise selber auch im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen genannt wird. Selenski hat ein Jura-Studium erfolgreich abgeschlossen, hat aber nie als Anwalt praktiziert. Stattdessen avancierte er in Russland und in der Ukraine zum Comedy-Star und machte dabei viel Geld.
Nach der Annexion der Krim durch Russland im Jahre 2014 verzichtete Selenski auf seinen russischen Wirkungskreis, hörte auf, Russisch zu sprechen und erlernte mühsam die ukrainische Sprache. Er wusste aber auch im ukrainischen Wirkungskreis seine finanziellen Interessen durchaus weise zu nutzen.
Er gründete mit seiner Frau und zwei weiteren Kompagnons die Verwertungsgesellschaft «Kwartal 95» und verstand es, seine Gewinne am ukrainischen Fiskus vorbei zu manövrieren. Entscheidend für Selenskis Karriere in der Ukraine war der Oligarch Ihor Kolomojskyj.
Kolomojskyi machte Selenski über seinen Fernsehkanal 1+1 richtig gross. Und über Kolomojskyis Geldhaus, der so genannten PrivatBank, schleuste Selenski nun seine Gewinne auf Offshore-Konten im Ausland. Immerhin 41 Millionen Dollar sind auf diese Weise dem Privatvermögen von Selenski erhalten geblieben (8).
Es gibt Stimmen die behaupten, der Mega-Oligarch Ihor Kolomojskyi habe Selenski bewusst aufgebaut als sein politisches Sprachrohr und langfristig als seinen verlängerten Arm in der Regierung. Kolomojskyi ist einer von vielen Konjunkturrittern, die im politischen Machtvakuum der Trümmer des Sowjetreiches durch allzu hemdsärmelige Methoden ein irrsinniges Vermögen zusammengerafft haben.
Er gilt als corporate raider, zu deutsch etwa: Unternehmensräuber. Solche Leute pflegt man in Deutschland «Heuschrecken» zu nennen. Diese Leute kaufen sich ein Unternehmen und weiden es aus. Zerschlagen unrentable Unternehmensteile und verscherbeln die profitablen Reste mit Gewinn.
Oder belasten die gesunden Teile mit Krediten und lassen das ausgeweidete Unternehmen als leere Hülle zurück. Kolomojskyi gilt als besonders hemdsärmelig. Will sich eine Unternehmensleitung partout nicht feindselig übernehmen lassen, dann kommen Herren mit Geigenkästen und Sonnenbrillen in deren Büro. Danach stimmen die zunächst unwilligen Unternehmendirektoren dann doch lieber ihrer feindseligen Übernahme durch Herrn Kolomojskyi zu.
Mit den irrsinnigen Geldsummen, die Kolomojskyi dadurch angehäuft hat, konnte der Oligarch vier private paramilitärische Terrortruppen aufbauen und finanzieren. Unter ihnen befindet sich das berüchtigte Asow-Batillon, das sich durch ein klares Bekenntnis zum Hitler-Faschismus zu profilieren wusste. Im Jahre 2014 konnte sich Kolomojskyi als Gouverneur des Oblasts Dnipropetrovsk direkte politische Pfründe aneignen.
Er trieb es als Gouverneur seines politischen Eigentums Dnipropetovsk allerdings so ungeniert, dass selbst der damalige Präsident Petro Poroschenko ihn absetzen musste. Auch damals setzte Kolomojskyi seine Schlägerkolonnen ein, um seine Macht zu bewahren. Doch es half nichts. Der Oligarch musste das Land vorübergehend verlassen. Doch er investierte von nun an in Wolodomir Selenski, damit der als Präsident ihm den Weg in die ukrainische Heimat frei macht. Selenskis Beraterstab bestand damals zu hundert Prozent aus Kolomojskyi-Mitarbeitern (8).
Auch unter der Präsidentschaft von Selenski änderte sich nichts an der Korruptions-Unkultur in der Ukraine. Irgendwann durfte Kolomojskyi das Land wieder betreten. Doch mittlerweile ist Selenski nicht nur der Gewährsmann von Kolomojskyi. Vielmehr hat Selenski Gesetze geschleift, die den Verkauf ukrainischen Ackerlandes an ausländische Investoren verboten haben.
Jetzt gehört immer mehr ukrainisches Ackerland den grossen Agrarkonzernen wie Cargill oder Monsanto. Zudem hat Selenski im letzten Herbst einen Vertrag mit dem übermächtigen US-amerikanischen Vermögensverwalter Blackrock abgeschlossen. Der Vertrag sieht vor, dass Blackrock nach dem Ende des Ukraine-Krieges das Privileg erhält, den Wiederaufbau des geschundenen Landes nach eigenem Gusto neu zu gestalten (9).
Doch wer ist denn nun der «in Frankreich lebende Oligarch», der dem ukrainischen obersten Richter mal eben 2,7 Millionen Euro Cash in die Kralle gereicht hat? Wir wissen es natürlich leider immer noch nicht. Aber wir sind natürlich alle froh und erleichtert, dass die ukrainische Regierung jetzt energisch und ohne Ansehen der Person gegen Korruption vorgeht. Na endlich …
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Hermann Ploppa ist Politologe und Publizist. Er hat zahlreiche Artikel über die Eliten der USA veröffentlicht, unter anderem über den einflussreichen Council on Foreign Relations. Er schreibt unter anderem für Rubikon und Apolut.
Quellen und Anmerkungen:
(2) https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukraine-korruption-richter-102.html
(3) https://www.tagesschau.de/ausland/europa/interview-podoljak-103.html
(4) https://www.tagesschau.de/ausland/ukraine-korruption-101.html
(5) https://www.laenderdaten.info/Europa/Russland/korruption.php
(6) https://de.wikipedia.org/wiki/Transparency_International#Organisation
Niemand Geringeres als die Bundeszentrale für Politische Bildung beschreibt die Mechanismen der Geldwäsche von Selenski: https://www.bpb.de/themen/europa/ukraine-analysen/342240/dokumentation-offshore-geschaefte-selenskyj-und-kolomojskyj-in-den-pandora-papers/
(8) Darüber berichtet recht offenherzig die Online-Enzyklopädie Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Ihor_Kolomojskyj