Horst D. Deckert

Die «Atlantische Frage»: Kann nur atomare Eskalation die alten Hegemonieansprüche brechen?

Wie lassen sich atlantische Kriegstreiber noch stoppen?

 

Von REDAKTION | Der nachstehende Artikel von Professor Sergej A. Karaganow hat in Russland unter Experten eine große Debatte über Atomwaffen, ihre Rolle und die Bedingungen für ihren Einsatz ausgelöst.

Dies gilt insbesondere angesichts des Status von Sergej Karaganow als ehemaliger Präsidentenberater sowohl von Boris Jelzin als auch von Wladimir Putin.

Sergej Karaganow seziert das Versagen der herrschenden westlichen Eliten und ihrer abgewirtschafteten Gesellschaften. Er kommt dabei zu einem grausamen Ergebnis:

«In der Zwischenzeit sind die geschwächten Vereinigten Staaten dabei Europa und andere abhängige Länder zu vernichten, mit dem Versuch sie nach der Ukraine in Konfrontationen zu stürzen. Die lokalen Eliten in den meisten dieser Länder haben die Orientierung verloren und führen ihre Länder in ihrer Panik nach dem Scheitern ihrer eigenen inneren und äußeren Positionen pflichtgetreu zur Schlachtbank. Das Gefühl des größeren Versagens, der Machtlosigkeit, der jahrhundertealten Russophobie, der intellektuellen Degradierung und des Verlusts strategischer Kultur lässt ihren Hass noch erbitterter, als jenen der USA anwachsen…

Der WW III hat bereits begonnen und kann sich zufällig oder aufgrund der wachsenden Inkompetenz und Verantwortungslosigkeit der modernen herrschenden Kreise im Westen zu einem ausgewachsenen Flächenbrand ausweiten…

Es könnte der Punkt kommen, die Landsleute und alle Menschen guten Willens zu warnen zu müssen, ihre Häuser in der Nähe von Einrichtungen zu verlassen, die zu Zielen von Atomschlägen in Ländern werden könnten, die das Kiewer Regime direkt unterstützen…

Der Feind muss wissen: Wir sind bereit, einen Präventivschlag als Vergeltung für alle seine gegenwärtigen und vergangenen Aggressionen zu führen, um das Abgleiten in einen globalen thermonuklearen Krieg zu verhindern… »

Die Analyse und Warnung von Professor Karaganow – fünf Minuten vor Zwölf – sollte allen atlantischen Politikern und ihren Mitläufern eine deutliche letzte Warnung sein:

Inkompetenz und Verantwortungslosigkeit schützt vor Strafe nicht! Es könnte sich schon bald als tödlicher Irrtum herausstellen, leichtfertig davon auszugegangen zu sein, dass Kriegstreiberei aus der Etappe heraus, für die Anführer des «vereinten Westens» absolut sicher und einmal mehr nur gewinnbringend enden könnte. Schon eine Volksweisheit sagt:

«Der Krug geht so lange zum Brunnen bis er bricht!»

Eine harte, aber notwendige Entscheidung

Von Professor Sergej Karaganow, Ehrenvorsitzender des Councils für Außen- und Verteidigungspolitik (SWAP) und akademischer Leiter an der School of International Economics and Foreign Affairs Higher School of Economics (HSE) in Moskau.

Ich möchte Ihnen einige Gedanken mitteilen, die ich schon seit langem hege und die nach der jüngsten Versammlung des Rates für Außen- und Verteidigungspolitik, einer der bedeutendsten in seiner 31-jährigen Geschichte, Gestalt angenommen haben.

Eine Wachsende Bedrohung

Russland und seine Führung, steht meines Erachtens vor einer schwierigen Entscheidung. Es wird immer deutlicher, dass die Auseinandersetzung mit dem Westen auch dann nicht zu Ende sein wird, nachdem wir in der Ukraine einen Teil- oder gar einen vernichtenden Sieg errungen hätten.

Wenn wir die Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson vollständig befreien, würde dies ein Teilsieg sein. Ein etwas größerer Erfolg wäre die Befreiung des gesamten Ostens und Südens der heutigen Ukraine innerhalb von ein oder zwei Jahren. Aber es wird immer noch ein Stück davon übrigbleiben, mit einer noch verbitterteren, ultranationalistischen Bevölkerung, die mit Waffen vollgepumpt ist – eine blutende Wunde, die droht, unweigerlich Komplikationen und einen erneuten Krieg nach sich zu ziehen. Die Situation könnte noch schlimmer sein, wenn wir die gesamte Ukraine unter ungeheuren Opfern befreiten und mit einer weitgehend hasserfüllten Bevölkerung auf Trümmern zurückblieben. Es würde Jahrzehnte dauern, sie „rückzuerziehen“.

Jede der genannten Optionen, insbesondere die letzte, wird Russland von der dringend notwendigen Verlagerung seines geistigen, wirtschaftlichen, militärischen und politischen Zentrums in den Osten Eurasiens ablenken. Wir würden auf dem wenig aussichtsreichen Weg nach Westen feststecken. Und die Gebiete der heutigen Ukraine, vor allem in der Zentral- und Westukraine, würden Management‑, Human- und Finanzressourcen dem Land Ressourcen entziehen. Diese Regionen wurden schon zu Sowjetzeiten stark subventioniert. Und die Feindschaft mit dem Westen würde fortbestehen, da er einen Guerillabürgerkrieg niederer Priorität unterstützen würde.

Eine attraktivere Option wäre die Befreiung und Wiedervereinigung des Ostens und des Südens und die Erzwingung einer Kapitulation von der Rest-Ukraine mit vollständiger Entmilitarisierung, wodurch ein befreundeter Pufferstaat entstünde. Ein solches Ergebnis ist jedoch nur möglich, nachdem es uns gelänge, den Willen des Westens zur Unterstützung die Kiewer Junta, um sie gegen uns auszuspielen zu brechen und sie zu einem strategischen Rückzug zu zwingen.

Und damit komme ich zu einer entscheidenden, aber kaum diskutierten Frage. Die zugrundeliegende, ja grundlegende Ursache des Konflikts in der Ukraine und vieler anderer Spannungen in der Welt sowie des allgemeinen Anstiegs der Kriegsgefahr ist das zunehmende Versagen der modernen herrschenden westlichen Eliten – vor allem der Kompradoren aus Europa, die durch den Globalisierungskurs der letzten Jahrzehnte entstanden sind.

Anmerkung der Redaktion: Die portugiesischen Kolonialisten benutzten das Wort „Komprador“ zur Bezeichnung lokaler Zwischenhändler, die ihre Ansprüche vermittelten.

Dieses Scheitern geht einher mit einer rasanten, in der Geschichte beispiellosen Veränderung der globalen Kräfteverhältnisse zugunsten einer globalen Mehrheit, wobei China und teilweise Indien als deren wirtschaftliche Triebkräfte fungieren und Russland dabei ein militärisch-strategischer Anker ist.

Diese Schwächung macht nicht nur die imperial-kosmopolitischen Eliten (Biden & Co) wütend, sondern jagte auch den imperial-nationalen (Trump & Co) den Schrecken ein. Ihre Länder verlieren ihre seit fünf Jahrhunderten bestehende Fähigkeit, Reichtum in der ganzen Welt abzuschöpfen und vor allem mit roher Gewalt politische und wirtschaftliche Ordnungen und kulturelle Dominanz durchzusetzen. Es wird also kein schnelles Ende der sich entfaltenden westlichen defensiven, aber aggressiven Konfrontation geben.

Dieser Zusammenbruch moralischer, politischer und wirtschaftlicher Positionen bahnt sich seit Mitte der 1960er Jahre an; er wurde durch den Zusammenbruch der Sowjetunion nur unterbrochen, nahm aber in den 2000er Jahren mit neuer Kraft wieder Fahrt auf. Die Niederlagen im Irak und in Afghanistan sowie der Beginn der Krise des westlichen Wirtschaftsmodells im Jahr 2008 waren wichtige Meilensteine.

Um diese lawinenartige Talfahrt zu stoppen, hat sich der Westen vorübergehend erfangen. Die Vereinigten Staaten haben die Ukraine in eine Schlaghand verwandelt, die eine Krise auslösen, um Russland – dem militärisch-politischen Kern, der sich von den Fesseln des Neokolonialismus befreiten nicht-westlichen Welt – die Hände zu binden: Oder im Idealfall, es einfach in die Luft zu jagen, um darüber die aufstrebende alternative Supermacht China radikal zu schwächen.

Da wir übersahen, dass eine Konfrontation unmittelbar bevorstand bzw. Kräfte gebündelt wurden, handelten wir nur langsam präventiv. Weiters haben wir, dem modernen, vor allem westlichen militärisch-politischen Denken folgend, die Schwelle für den Einsatz von Atomwaffen leichtfertig zu hoch angesetzt, die Lage in der Ukraine falsch eingeschätzt und die militärische Operation nicht erfolgreich genug angesetzt.

Nach dem inneren Scheitern begannen die westlichen Eliten, aktiv das Unkraut zu nähren, das nach siebzig Jahren Wohlstand, Übersättigung und Frieden Wurzeln geschlagen hatte: All diese menschenfeindlichen Ideologien, die die Familie, die Heimat, die Geschichte, die Liebe zwischen Mann und Frau, den Glauben, das Engagement für höhere Ideale, alles, was das Wesen des Menschen ausmacht, ablehnen. Diejenigen, die sich widersetzen, werden ausgemerzt. Ziel ist es, ihre Gesellschaften zu zerstören und die Menschen zu «mankurtisieren», um ihre Fähigkeit zu verringern, sich dem modernen «Globalisten-Kapitalismus» zu widersetzen, dessen Ungerechtigkeit und Schaden für die Menschen und Menschheit immer offensichtlicher wird.

Anmerkung der Redaktion: «Mankurts» sind Sklaven ohne Verstand und Geschichtsbewusstsein, wie sie der große kirgisische, russische Schriftsteller Tschingis Torekulowitsch Aitmatow beschrieben hat. Nach Aitmatows fiktiver Legende sind «Mankurten» Kriegsgefangene, die zu nicht-autonomen, gefügigen Dienern gemacht werden, indem man ihnen Kamelhaut um den Kopf wickelte und sie der Sonnenhitze aussetzte. Diese Häute trockneten wie ein Stahlband und verursachten Hirnschäden und eine bildliche Zombifizierung. Die Mankurten kannten weder ihren Namen noch ihre Familie oder ihren Stamm: „…ein Mankurt erkannte sich selbst nicht als Mensch.!“

In der Zwischenzeit sind die geschwächten Vereinigten Staaten dabei Europa und andere abhängige Länder zu vernichten, mit dem Versuch sie nach der Ukraine in Konfrontationen zu stürzen. Die lokalen Eliten in den meisten dieser Länder haben die Orientierung verloren und führen ihre Länder in ihrer Panik nach dem Scheitern ihrer eigenen inneren und äußeren Positionen pflichtgetreu zur Schlachtbank. Das Gefühl des größeren Versagens, der Machtlosigkeit, der jahrhundertealten Russophobie, der intellektuellen Degradierung und des Verlusts strategischer Kultur lässt ihren Hass noch erbitterter, als jenen der USA anwachsen.

Weiter und das Wichtigste ist: Die Situation dort wird nur schlimmer. Ein Waffenstillstand ist möglich, aber Aussöhnung ist es nicht. Wut und Verzweiflung werden in Schüben und Wendungen weiter zunehmen. Dieser Vektor der Bewegung des Westens deutet eindeutig auf ein Abgleiten in den Dritten Weltkrieg hin. Er hat bereits begonnen und kann sich zufällig oder aufgrund der wachsenden Inkompetenz und Verantwortungslosigkeit der modernen herrschenden Kreise im Westen zu einem ausgewachsenen Flächenbrand ausweiten.

Der Vormarsch der künstlichen Intelligenz und die Robotisierung des Krieges erhöhen die Gefahr einer unbeabsichtigten Eskalation. In der Tat können die Maschinen der Kontrolle verwirrten Eliten entgleiten.

Die Situation wird durch den „strategischen Parasitismus“ noch verschärft: In den 75 Jahren relativen Friedens haben die Menschen die Schrecken des großen Krieges vergessen und sogar aufgehört, sich vor Atomwaffen zu fürchten. Überall, aber besonders im Westen, ist der Selbsterhaltungstrieb geschwächt.

Ich habe viele Jahre lang die Geschichte der Nuklearstrategie studiert und bin zu einer eindeutigen, wenn auch scheinbar nicht ganz wissenschaftlichen Schlussfolgerung gekommen. Die Entwicklung von Atomwaffen war das Ergebnis einer göttlichen Intervention. Aus Entsetzen darüber, dass die Menschen – Europäer und Japaner inklusive – innerhalb einer Generation zwei Weltkriege entfesselten und dabei zig Millionen Menschenleben geopfert hatten, übergab Gott der Menschheit eine Waffe des Armageddon, um diejenigen, die die Angst vor der Hölle verloren hatten, zu zeigen, dass es sie gibt. Es war diese Angst, auf welcher der relative Frieden über das letzte Dreivierteljahrhundert beruhte. Heute ist diese Angst ist verschwunden. Das Undenkbare im Sinne früherer Vorstellungen von nuklearer Abschreckung ist eingetreten: Eine Gruppe herrschender Kreise hat in einem Anfall blinder Wut einen umfassenden Krieg im Unterleib einer nuklearen Supermacht entfesselt.

Diese Angst vor einer nuklearen Eskalation muss wieder verinnerlicht werden. Sonst ist die Menschheit dem Untergang geweiht.

Auf den Schlachtfeldern der Ukraine entscheidet sich nicht nur bzw. nicht so sehr, wie die künftige Weltordnung aussehen wird, sondern vor allem, ob es überhaupt eine Welt geben wird oder ob der Planet aus radioaktiven Trümmern bestehen wird.

Indem wir den Aggressionswillen des Westens brechen, werden wir nicht nur uns selbst retten und die Welt endlich von dem fünfhundert Jahre währenden westlichen Joch befreien, sondern auch die gesamte Menschheit retten. Indem wir den Westen zu einer Katharsis und damit seine Eliten zur Aufgabe ihres Hegemoniestrebens zwingen, werden wir sie zum Rückzug zwingen, bevor es zu einer globalen Katastrophe kommt. Der Menschheit wird eine neue Chance zur Entwicklung eingeräumt.

Vorgeschlagene Lösung

Es besteht kein Zweifel, dass ein harter Kampf vor uns liegt. Wir werden die verbleibenden internen Probleme lösen müssen: Wir müssen uns endlich vom westlichen Zentrismus in unseren Köpfen und von den Westlern in der Führungsklasse, von den Kompradoren und ihrem eigenartigen Denken befreien. Ohne es zu wollen, hilft der Westen uns dabei. Die dreihundertjährige Reise nach Europa hat uns viel Nützliches gebracht und uns geholfen, unsere große Kultur zu entwickeln. Natürlich werden wir das europäische Erbe darin in Ehren halten. Aber es ist an der Zeit, nach Hause zurückzukehren – zu unserem wahren Selbst. Um zu beginnen mit dem angesammelten Gepäck und unserem eigenen Geist zu leben.

Das Außenministerium hat vor kurzem einen Durchbruch für uns alle erzielt, indem es Russland in seinem außenpolitischen Konzept als eine Staatszivilisation bezeichnete. Ich möchte hinzufügen: Eine Zivilisation der Zivilisationen, offen für den Norden und den Süden, den Westen und den Osten. Die Hauptrichtung der Entwicklung ist heute der Süden und der Norden, vor allem aber der Osten.

Die Konfrontation mit dem Westen in der Ukraine, wie immer sie ausgeht, sollte uns nicht von der strategischen inneren Bewegung – geistig, kulturell, wirtschaftlich, politisch und militärisch-politisch – zum Ural, nach Sibirien und zum Großen Ozean ablenken. Wir brauchen eine neue ural-sibirische Strategie, die mehrere geistige Projekte beinhaltet, darunter natürlich die Schaffung einer dritten Hauptstadt in Sibirien. Diese Bewegung sollte Teil der heute so dringend notwendigen Bemühungen sein, unseren «Russischen Traum» zu artikulieren – das Bild Russlands und der Welt, die wir anstreben wollen.

Ich habe schon oft geschrieben und damit bin ich nicht allein, dass große Staaten ohne eine große Idee ihre Größe verlieren oder einfach verschwinden. Die Geschichte ist übersät mit den Schatten und Gräbern der Mächte, die sie verloren haben. Sie muss von oben kommen, ohne zu erwarten, dass sie von unten kommt, wie es dumme oder faule Menschen tun. Sie muss mit den grundlegenden Werten und Bestrebungen der Menschen übereinstimmen und vor allem uns alle voranbringen. Es liegt jedoch in der Verantwortung der Elite und der Führung des Landes, sie zu formulieren. Die Verzögerung, dies zu erstellen und vorzulegen, ist unannehmbar lang.

Und damit komme ich zu dem schwierigsten Teil dieses Artikels. Wir können noch ein oder zwei oder drei Jahre weiterkämpfen und dabei Tausende und Abertausende unserer besten Männer opfern und Zehn- und Hunderttausende von Menschen, die in den Gebieten leben, die sich jetzt Ukraine nennen und in der tragischen historischen Falle gefangen sind, zermalmen. Aber diese Militäroperation kann nicht mit einem entscheidenden Sieg enden, ohne dem Westen einen strategischen Rückzug oder gar die Kapitulation aufzuzwingen. Wir müssen den Westen zwingen, seine Versuche aufzugeben, die Geschichte zurückzudrehen, globale Hegemonie anzustreben und ihn zwingen, sich mit sich selbst zu beschäftigen, seine gegenwärtige multiple Krise auf zu verarbeiten. Oder grob ausgedrückt: Der Westen muss sich einfach „verkrümmen“ und darf sich nicht mehr in die Zukunft Russlands und der Welt einmischen.

Dazu muss der Westen seinen verlorenen Selbsterhaltungssinn wiederherstellen, indem man ihn davon überzeugt, dass der Versuch, Russland zu zermürben und die Ukrainer gegen Russland auszuspielen, für den Westen selbst kontraproduktiv ist. Die Glaubwürdigkeit der nuklearen Abschreckung muss wiederhergestellt werden, indem die unannehmbar hohe Schwelle für den Einsatz von Atomwaffen gesenkt wird, indem die Abschreckungs-Eskalationsleiter berechnend, aber schnell nach oben verschoben wird. Die ersten Schritte sind bereits getan. Es gibt die entsprechenden Erklärungen von Präsident Putin und anderen führenden Politikern, sie haben mit der Stationierung von Kernwaffen und ihren Trägersystemen in Belarus begonnen und die Kampfkraft der strategischen Abschreckungskräfte erhöht. Es gibt viele Stufen auf dieser Leiter. Ich habe etwa zwei Dutzend gezählt.

Es könnte auch der Punkt kommen, die Landsleute und alle Menschen guten Willens zu warnen, ihre Häuser in der Nähe von Einrichtungen zu verlassen, die zu Zielen von Atomschlägen in Ländern werden könnten, die das Kiewer Regime direkt unterstützen. Der Feind muss wissen: Wir sind bereit, einen Präventivschlag als Vergeltung für alle seine gegenwärtigen und vergangenen Aggressionen zu führen, um das Abgleiten in einen globalen thermonuklearen Krieg zu verhindern.

Ich habe schon oft gesagt und geschrieben, dass mit der richtigen Strategie der Abschreckung und sogar des Einsatzes das Risiko eines nuklearen oder sonstigen „Vergeltungsschlags“ auf unserem Territorium minimiert werden kann. Nur wenn ein Verrückter im Weißen Haus sitzt, der auch sein eigenes Land hasst, würden die USA beschließen, zur „Verteidigung“ der Europäer zuzuschlagen und den Preis eines Vergeltungsschlags zu zahlen, indem sie ein angenommenes Boston für ein angenommenes Posen opferten. Sowohl die USA als auch Europa sind sich dessen wohl bewusst, ziehen es aber vor, nicht darüber nachzudenken. Auch wir haben durch unsere friedliebenden Erklärungen zu dieser Gedankenlosigkeit beigetragen. Da ich die Geschichte der US-Atomstrategie studiert habe, weiß ich, dass Washington, nachdem die UdSSR eine glaubwürdige nukleare Vergeltungsfähigkeit erlangt hatte, den Einsatz von Atomwaffen auf sowjetischem Territorium nicht ernsthaft in Erwägung gezogen hat, obwohl es in der Öffentlichkeit bluffte. Wenn Atomwaffen in Erwägung gezogen wurden, dann nur gegen „vorrückende“ sowjetische Streitkräfte in Westeuropa. Ich weiß, dass die Bundeskanzler Kohl und Schmidt aus ihren Bunkern flohen, sobald die Frage eines solchen Einsatzes in den Übungen aufkam.

Der Abstieg auf der Leiter zur Eindämmung und Eskalation sollte recht schnell erfolgen. In Anbetracht des Vektors des Westens – der Degradierung der meisten seiner Eliten – ist jede nachfolgende Entscheidung, die sie treffen, inkompetenter und ideologisch kurzsichtiger als die vorherige. Und bis jetzt können wir nicht erwarten, dass diese Eliten durch verantwortungsvollere und vernünftigere ersetzt werden. Dies wird erst nach der Katharsis – nach der Aufgabe der Ansprüche – geschehen.

Wir dürfen das „ukrainische Szenario“ nicht wiederholen. Ein Vierteljahrhundert lang haben wir nicht auf diejenigen gehört, die davor gewarnt haben, dass die NATO-Erweiterung zu einem Krieg führen würde, und haben versucht, zu verzögern und zu „verhandeln“. Im Ergebnis haben wir uns einen schweren bewaffneten Konflikt eingehandelt. Jetzt ist der Preis der Unentschlossenheit um eine Größenordnung höher.

Was aber, wenn sie nicht nachgeben? Was ist, wenn sie den Selbsterhaltungstrieb völlig verloren haben? In diesem Fall müssen wir eine Reihe von Zielen in einer Reihe von Ländern angreifen, um diejenigen, die den Verstand verloren haben, zur Vernunft zu bringen.

Man wird diese Entscheidung selbst treffen müssen. Selbst Freunde und Sympathisanten werden sie anfangs nicht unterstützen. Wäre ich Chinese, würde ich kein abruptes und entscheidendes Ende des Konflikts wollen, denn das entzöge US-Streitkräfte und ermöglichte es der Volksrepublik China, Kräfte für eine Entscheidungsschlacht zu sammeln – entweder direkt oder, gemäß den besten Regeln von Sun Tzu, so, dass sich der Feind kampflos zurückziehen müsste. Ich würde mich auch gegen den Einsatz von Atomwaffen aussprechen, weil eine Ausweitung der Konfrontation auf die nukleare Ebene eine Verlagerung auf einen Bereich bedeuten würde, in dem mein Land (China) noch schwach wäre. Außerdem entspricht ein entschlossenes Vorgehen nicht der Philosophie der chinesischen Außenpolitik, die den Schwerpunkt auf wirtschaftliche Faktoren legt (während sie gleichzeitig militärische Macht anhäuft) und eine direkte Konfrontation vermeidet. Ich würde meinen Verbündeten unterstützen, indem ich ihm Rückendeckung gäbe, aber ich würde hinter seinem Rücken handeln und mich nicht in den Kampf einmischen. (Vielleicht verstehe ich diese Philosophie aber auch nicht gut genug und schreibe den chinesischen Freunden Motive zu, die nicht ihre eigenen wären). Wenn Russland Atomwaffen eingesetzt hätte, würden die Chinesen dies verurteilen. Aber sie würden sich auch im Herzen darüber freuen, dass dem Ansehen und der Stellung der Vereinigten Staaten ein schwerer Schlag versetzt worden wäre.

Wie würden wir reagieren, wenn (Gott bewahre!) Pakistan Indien angreifen würde oder umgekehrt? Entsetzt. Wir wären betrübt, dass das nukleare Tabu gebrochen worden sei. Und dann kümmerten wir uns darum, den Opfern zu helfen und unsere Nukleardoktrin entsprechend zu ändern.

Für Indien und andere Länder der Weltmehrheit, einschließlich der Atomwaffenstaaten (Pakistan, Israel), ist der Einsatz von Atomwaffen sowohl aus moralischen als auch aus geostrategischen Gründen inakzeptabel. Ein „erfolgreicher“ Einsatz würde das Nuklear-Tabu entkräften – die Vorstellung, dass solche Waffen niemals eingesetzt werden sollten und dass ihr Einsatz den direkten Weg in ein nukleares Armageddon bedeuteten. Wir könnten nicht mit einer schnellen Unterstützung rechnen, auch wenn viele im „Globalen Süden“ zur Niederlage ihrer ehemaligen Unterdrücker, die geplündert, Völkermorde begangen und ihnen eine fremde Kultur aufgezwungen haben, Genugtuung empfänden.

Aber am Ende werden die Sieger nicht verurteilt. Doch den Rettern würde gedankt. Die europäische politische Kultur erinnert sich nicht an das Gute. Aber der Rest der Welt erinnert sich mit Dankbarkeit daran, wie wir den Chinesen geholfen haben, sich von der brutalen japanischen Besatzung zu befreien, und den Kolonien, das koloniale Joch abzuwerfen. Wenn sie uns anfangs nicht verstehen, wird es noch mehr Anreize geben, uns zu verbessern. Dennoch ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass wir siegen, den Feind ohne extreme Maßnahmen abschrecken und zum Rückzug zwingen können. Um nach einigen Jahren eine Position hinter dem Rücken Chinas einzunehmen, so wie es jetzt hinter dem unseren steht, und es in seinem Kampf mit den Vereinigten Staaten zu unterstützen. Dann kann dieser Kampf ohne einen großen Krieg vermieden werden. Und wir werden gemeinsam zum Wohle aller, auch der Menschen in den westlichen Ländern, gewinnen.

Und dann werden Russland und die Menschheit durch all die Dornen und Traumata hindurch in eine Zukunft gehen, die ich hell sehe – multipolar, multikulturell, vielfarbig und den Ländern und Völkern die Möglichkeit geben wird, ihr eigenes und gemeinsames Schicksal zu gestalten.

Und dann werden Russland und die Menschheit alle Härten überstehen und in eine Zukunft gehen, die mir hell, multipolar, multikulturell und bunt erscheint und den Ländern und Völkern die Chance gibt, ihre eigene und gemeinsame Zukunft aufzubauen.

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Dieser Artikel erschien ursprünglich auf Russisch in der Wochenzeitschrift Profile


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