Horst D. Deckert

Von „Kindern“ und „kleinen Engeln“ – Frankreichs George-Floyd-Moment

Zur Vorgeschichte: Naël, ein 17-jähriger Algerier aus der Pariser Vorstadt-Siedlung Nanterre, wurde in einem gelben Sportwagen von einer Motorradstreife der Polizei angehalten. Auf einem Video ist zu sehen, wie ein Polizist eine Maschinenpistole im Anschlag hält, als mit dem Fahrer durch die Fensterscheibe gesprochen wird. Dann drückt der Fahrer das Gaspedal durch, es fällt ein Schuss, wenig später ist der Sportwagen in der Leitplanke, ein Beifahrer flüchtig – und der 17-Jährige tot.

 

Unerklärlich?

Der tödliche Vorfall wurde vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron, während er sich am Mittwoch in einer Mitteilung an die französische Öffentlichkeit wandte, als „Unerklärlich“ und „unentschuldbar“ bezeichnet. Die Reaktion von Macron ist stellvertretend für die eingeübte Vorverurteilung einer Öffentlichkeit, die nur noch auf Erregungsimpulsen reagieren kann und Opfer von Gewaltdelikten in gut und böse einteilt.

Ähnlich wie Floyd wird Serientäter zum unschuldigen Opfer stilisiert

Inzwischen sind brisante Details zur Tat aufgetaucht. Der „Engel“ Naël galt als jugendliche Serientäter, er brach die Schule ab und sammelte 15 Strafeinträge in 17 Jahren, darunter Drogendelikte, Versicherungsbetrug, das Fälschen von Nummernschilder. Er wurde beim Fahren ohne Führerschein erwischt und widersetzte sich bereits fünf Mal Polizeikontrollen. Inwiefern ein jugendlicher Kleinkrimineller von der Öffentlichkeit zu einem Held stilisiert werden sollte, kann durchaus in Frage gestellt werden, fragt pleiteticker.de.

Schweigeminute für „Kind“ und „kleinen Engel“ im Parlament

Die gewohnte Betroffenheits-Rhetorik, nicht nur von Seiten linker Gutmenschen, folgte prompt: Der Linkenpolitiker Jean-Luc Mélenchon sprach zynisch von „Todesstrafe“, die eigentlich abgeschafft sei; der Schauspieler Omar Sy („Ziemlich beste Freunde“) schrieb: „Möge eine Gerechtigkeit, die diesen Namen verdient, das Andenken dieses Kindes ehren.“ Der Fußballstar Kylian Mbappé gedachte dem „kleinen Engel“. Das französische Parlament hielt eine Schweigeminuten ab und im Milieu Juste Frankreichs fand sich kaum eine Stimme, die nicht zur Vorverurteilung des Polizisten Florian M. aufrief. Der ist mittlerweile inhaftiert.

George Floyd-Moment Frankreichs und unterschiedliches Trauer-Ranking

Deshalb ist in dem verlogenen George Floyd-Moment Frankreichs auch eine postmoderne Groteske zu erkennen, bei der offenkundig sichtbar sind, dass es Opfer erster und zweiter Klasse gibt, schreibt das genannte online-Magazin. Vorbestrafte Migranten aus Afrika und dem Nahen Osten, die unter ungeklärten Umständen von der Polizei getötet werden, stehen im Trauerranking höher als weiße getötete Franzosen. Oder wer erinnert sich an die Schweigeminute für Lola, ein 12-jähriges Mädchen, die 2022 das Opfer eines Foltermordes durch eine Algerierin wurde? Wo waren denn, die jetzt ach so Betroffenen, als ein Syrer in Annecy auf Kinder einstach? Oder als eine jüdische Seniorin von einem Gottesfürchtigen massakriert wurde? Wo war Kyllian Mbappé, als ein Tschetschene einen Lehrer köpfte – wegen Mohamed-Karikaturen? Richtig, sie alle haben geschwiegen. Und dürften wohl auch weiter schweigen wenn wieder „Ungläubige“ ermordet werden.


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