
Unter dem reißerischen Titel „Angelockt und abgezockt“ behauptete die SPD-Europapolitikerin gegenüber dem Münchner Merkur nicht weniger, als dass sich deutsche Unternehmen vor Investitionen in Ungarn in Acht nehmen sollten. Die Frage wird Barley zwar von dem deutschen „Qualitätsmedium“ förmlich in den Mund gelegt, aber sie gibt unumwunden zu, sich „schon lange darum zu bemühen“, dass Unternehmen nicht in Ungarn investieren.
Die goldene und die Kehrseite des „Systems Orbán“
Dann zäumt sie das Pferd vom Schwanz auf, indem sie zunächst erzählt, „dass einige Unternehmen stark vom System in Ungarn profitieren“. Diese würden kaum Steuern zahlen, hätten einen direkten Draht zur Regierung und ließen Gesetze „zu ihren Gunsten“ verändern, „wenn sie ihnen nicht passen“. Besonders Unternehmen der Automobilindustrie würden von der „Kehrseite“ des „Systems Orbán“ verschont. Der Merkur fragt denn auch prompt wie ein artiges Grundschulkind, was denn die Kehrseite sei.
Die Kernaussagen des Merkur-Interviews wurden von deutschen Mainstream-Medien dankbar und unkritisch übernommen. Foto: Screenshot
Worauf sich Barley so richtig in Fahrt redet. Die ausgemachte Ungarn-Expertin erläutert: „Die Unternehmen werden mit niedrigen Kosten gelockt und gehätschelt, damit sie investieren. Haben die Unternehmen erstmal in Ungarn investiert, läuft alles super, bis sie dann schwarze Zahlen schreiben. Dann beginnt die Drangsalierung – und zwar auf eine Art und Weise, die man sich kaum vorstellen kann. So sollen Unternehmen plötzlich Sondersteuern in Höhe von bis zu 90 Prozent bezahlen.“ Andere Methoden seien neue Auflagen, es würden gar Mitarbeiter bedroht. Am Ende laufe es immer auf Übernahmeangebote hinaus, Orbán nahestehende Oligarchen würden das Geschäft dann „für etwa 30 Prozent des eigentlichen Wertes“ schlucken.
Als sich die Zeitung erkundigt, warum BMW unter solchen Bedingungen überhaupt noch in Debrecen baue, „wo doch niemand sicher sein könne“, antwortet Barley schlicht: „Ja, das ist schon bemerkenswert. Dabei könnte BMW überall bauen, in Rumänien zum Beispiel…“
Angriff auf souveränes Ungarn
Der Staatssekretär des Außenministeriums, Tamás Menczer, sieht hinter dem perfiden Interview einen weiteren Angriff auf das souveräne Ungarn. Brüssel passe halt nicht in den Kram, wie sich Budapest zu Migrationspolitik, Ukraine-Krieg und Russland-Sanktionen verhält. „Erinnern wir uns, die Vizepräsidentin des radikal auf Krieg und illegale Einwanderung setzenden Europaparlaments ließ schon mal die Worte fallen, man müsse Ungarn finanziell aushungern!“ Ungarn brauche die Auslandsinvestitionen, die Investoren zahlen hier Steuern und schaffen Arbeitsplätze. Der Staatssekretär erklärte, man weise diesen neuen Angriff aus Brüssel zurück und werde die Souveränität Ungarns verteidigen.
Warum nicht gleich einhundertzehn Prozent?
Leider geht der Staatssekretär nicht daran, die absurden Falschaussagen des Barley-Interviews konkret zu widerlegen. Also übernehmen wir die Aufgabe, die wenigen Fakten aus dem Merkur auf Stichhaltigkeit zu überprüfen. Da heißt es, „so sollen Unternehmen plötzlich Sondersteuern in Höhe von bis zu 90 Prozent bezahlen“. Katarina Barley hat tatsächlich Rechtswissenschaften studiert, weshalb man Äußerungen der Europapolitikerin zu Wirtschaftsbelangen nicht so sehr auf die Goldwaage legen sollte.
Aber bei Sondersteuern „von bis zu 90 Prozent“ wäre es angebracht zu wissen, worauf sich diese neunzig Prozent beziehen. Vermutlich versäumte die Politikerin, „auf Unternehmensgewinne“ hinzuzufügen, deren Bemessungsgrundlage noch ein Thema für sich wäre. Die Sondersteuern stürzten im vergangenen Jahr so manches Unternehmen in die roten Zahlen, da hätte Frau Barley mutig auch hundertzehn oder noch mehr Prozente in die Debatte einwerfen können.
Vielleicht meinte sie aber die „Bergbauabgabe“, die freilich schon 2021 auf besagten Satz angehoben wurde. Diese Art Übergewinnsteuer greift übrigens erst oberhalb eines genau definierten Preisniveaus für Baustoffe. Damit wollte die Regierung erklärtermaßen extreme Preissteigerungen in einem Sektor ausbremsen, der durch ausländische Anbieter dominiert wird. Ob das rechtmäßig geschah, wird wohl der Europäische Gerichtshof entscheiden müssen.
Sondersteuern als Abzocke?
Der Rechtsexpertin war zudem entgangen, dass die heute praktizierten Sondersteuern ganz und gar nicht aus heiterem Himmel fielen. Die Orbán-Regierung hatte in der EU von Anbeginn Sanktionen gegen Russland abgelehnt, mit der Begründung, diese würden den eigenen Bürgern mehr schaden, als dem Land, das damit getroffen werden soll. Die EU-Kommission will bis heute nicht eingestehen, den Mitgliedstaaten mit den Sanktionen ins eigene Bein geschossen zu haben. Der Wohlstand der Bürger wird in einem Tempo abgebaut, das sich mit jenem aus der gar nicht so lange zurückliegenden Finanzkrise um 2008 messen kann.
Allein die durch die Sanktionen forcierte Energiekrise hat Ungarns Steuerzahler und Wirtschaft in nur einem Jahr über die steigende Importrechnung 10 Mrd. Euro gekostet. Um diese Zahl ins Verhältnis zu setzen: Das sind anderthalb Mal mehr Mittel, als die dem Land zustehenden EU-Transfers, so diese denn fließen würden. Es ist beinahe die Hälfte der Gesamteinnahmen in der ungarischen Sozialversicherung, die zur Finanzierung des Gesundheitswesens und der Renten benötigt werden. Und es ist immer noch ein Fünftel sämtlicher Steuereinnahmen des Fiskus. Dass der Staat auf eine derartige Größe, die unmöglich vorausgeplant werden konnte, mit Steuererhöhungen reagiert, muss man einer SPD-Politikerin eigentlich nicht erklären.
Immer die gleiche üble Masche
Dann folgen Sätze im Interview, die uns verraten, dass wir es nicht einfach mit einer „Wirtschaftsweisen“ zu tun haben, sondern mit einer ausgewiesenen Ungarn-Kennerin: „Und am Ende passiert in der Regel das Gleiche: Die Unternehmen erhalten ein Übernahmeangebot für das Geschäft in Ungarn, in Höhe von ca. 30 Prozent des eigentlichen Wertes. Käufer sind immer Oligarchen, die Orbán nahestehen.” Woher Frau Barley die zweite konkrete Zahlenangabe nimmt, sei dahingestellt. Sie schießt aber mit den nächsten zwei Sätzen im Interview ein Eigentor: „Vor einiger Zeit hat Vodafone bekannt gegeben, dass sie ihr Ungarn-Geschäft an Orbán-nahe Käufer veräußern. Das ist genau diese Masche.”
Die Politikerin will den Lesern also allen Ernstes am Beispiel Vodafone vermitteln, wie ausländische Unternehmen „drangsaliert“ werden. Sie sollte einmal in der britischen Firmenzentrale nachfragen, ob man die 1,75 Mrd. Euro Ablöse für das Ungarn-Geschäft als schmerzliches Verlustgeschäft von dreißig Prozent (des Marktwertes?) verbucht hat. Bei der Gelegenheit könnte sie ihr Wissen um Transaktionen wie die MKB Bank oder die Gasspeicher in Ungarn erweitern. In den Fällen wurden anscheinend BayernLB und E.ON-Konzern übelst über den Tisch gezogen. Ein schwacher Trost sollte sein, dass die Orbán-Regierung nicht bei Investoren aus dem Westen Halt macht: Um die strategische Kontrolle über die MOL-Gruppe zurückzuerlangen, wurden vor gar nicht so langer Zeit sogar die Russen vor die Tür gesetzt. Natürlich mit der gleichen Masche, wie Frau Barley aus sicheren Quellen weiß.
Nur am Rande: Bei den erwähnten Transaktionen wurde der Regierung von Seiten der Opposition immer wieder vorgeworfen, zu viel bezahlt zu haben. Im Fall von Vodafone wurde gar behauptet, die Regierung hätte zu Lasten der ungarischen Steuerzahler einen Preis deutlich über dem Marktwert des Unternehmens akzeptiert. Während sonst immer sämtliche Vorwürfe der Opposition gegenüber der Orbán-Regierung von westlichen „Ungarn-Freunden“ dankbar aufgegriffen werden, werden die Unterstellungen bezüglich der überteuerten Einkäufe jetzt jedoch einfach ausgeblendet. Höchstwahrscheinlich wegen fehlendender Kompatibilität mit der aktuell verwendeten Anti-Ungarn-Narrative von der die Auslandsinvestoren mobbenden und abzockenden „Mafia-Regierung“.
DUIHK: Investoren bleiben Ungarn treu
Frau Barley gehört zu den schlimmsten Hetzern in der EU gegen Ungarn, das ist keine neue Erkenntnis. Bevor sie weitere Interviews vom Stapel lässt, sollte die Dame aber einmal in sich gehen, warum die Ungarn nach dem schmählichen Abgang ihres Gesinnungsgenossen Ferenc Gyurcsány seit 2010 einem „Diktator“ Viktor Orbán immer und immer wieder das Vertrauen aussprechen. Und das bei Wahlen, die korrekter als in den USA oder Berlin und weniger manipuliert als in deutschen Landen verlaufen.
Sie könnte aber auch einfach auf den Sachverstand von 250 Führungskräften vertrauen, die in der aktuellen Konjunkturumfrage der Deutsch-Ungarischen Industrie- und Handelskammer (DUIHK) weitere Investitionen in Ungarn ankündigten und ihr Personal per Saldo sogar aufstocken wollen. Die Standortqualität hat unter den Übergewinnsteuern natürlich gelitten, aber immer noch würden vier von fünf Unternehmen ihre Investitionsentscheidung für Ungarn beibehalten. Unabhängig von dieser Umfrage brachte es dieser Tage der Landesdirektor einer österreichischen Versicherung auf den Punkt: Wer Ungarn als strategischen Markt betrachtet, wird nicht gleich das Feld räumen, nur weil die auf zwei, drei Jahre begrenzten Sondersteuern dem Unternehmen vorübergehend Verluste bescheren.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei BUDAPESTER ZEITUNG, unserem Partner in der EUROPÄISCHEN MEDIENKOOPERATION.
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