Horst D. Deckert

Per Anhalter durch die Neue Weltordnung: Aliens und UFOs für die dialektische Krisenbewältigung

Ist die Katze aus dem Sack? Gibt es UFOs also doch? Neulich fand ein Spektakel im US-Kongress statt, welches uns veranlasst zu schauen, was übrig bleibt, nachdem sich der aufgewirbelte Staub wieder gelegt hat. Es ist viel. Aber vielleicht nicht das, was einige erwarten.

Elem Chintsky

Ende Juli sagte der einstige US-Luftwaffenoffizier und Geheimdienstangestellte David Grusch vor einem Untersuchungsausschuss des US-Kongresses aus. Dabei behauptete er unter Eid, er habe fundierte Kenntnis von einem aufwendigen, bereits viele Jahrzehnte dauernden UFO-Programm der US-Administration, das technologische und biologische Überreste von Außerirdischen erforschen soll.

Der exoterische und esoterische Gehalt solcher Medienkampagnen sowie ihr konkretes Timing muss stets sorgfältig gewichtet werden. Dabei drängt sich rasch die Erklärung auf, dass das derzeitige Sommerloch – welches unter anderem bereits gefüllt ist mit der unliebsamen Diskreditierung und Schwächung des US-Dollars als Weltreservewährung oder der irritierenden Erkenntnis der NATO als Angriffsbündnis – mit fantastischen und „einenden“ Themen gestopft werden soll.

Gruschs Inhaltskatalog bleibt verschleiert in Hörensagen – keine fotografischen oder audiovisuellen Beweise für Außerirdische oder deren Technologie werden je von ihm demonstriert. Seine Primärquellen gedenkt er, anonym zu halten, wofür man noch Verständnis haben kann. Obendrein lastet nun auf Grusch der Verdacht auf Alkohol-Missbrauch und Einweisung in die Psychiatrie, die das US-amerikanische Nachrichtenmagazin The Intercept vor wenigen Tagen thematisierte. Grusch räumte daraufhin ein, dass er Episoden von posttraumatischer Belastungsstörung in der Vergangenheit zu bewältigen hatte – welche aber an der Qualität seiner Aussagen im US-Kongress keinerlei Einfluss hätten.

Selbst abgesehen davon, kommt die Vermutung auf, dass es sich um einen PR-Versuch handelt, ein innerlich gespaltenes Amerika und ein außenpolitisch und geostrategisch desorientiertes und leicht tollkühnes Amerika mit kurzlebigen Sensationen abzulenken.

Zum einen behauptet Grusch, er sei lediglich der US-amerikanischen Öffentlichkeit verpflichtet – sie ist es, die er als „Whistleblower“ aufgeklärt und unterrichtet sehen möchte. Zum anderen spricht er dem US-Kongress den Wunsch ab, diesem konkrete Beweise zu liefern. Grusch erläutert daraufhin, dass er „nicht berechtigt sei“, dies öffentlich zu machen. „Nicht berechtigt“ von wem? Er bot aber dem Untersuchungsausschuss an, unter Geheimhaltung und in unter staatlicher Kontrolle liegenden Räumlichkeiten diese sensiblen Beweise vorzulegen – womit das ganze Unterfangen geradezu wortwörtlich seinen Zirkelschluss erfährt.

In letzter Instanz ist ein Whistleblower jemand, der die einst geheime Information, deren Verschluss ihm auf dem Gewissen lastete, am Ende roh und transparent die Öffentlichkeit erreicht. Ja, es gibt in Staaten mit geteilten Gewalten verschiedene offizielle Kanäle, die potenzielle Whistleblower nutzen können, um Information ganz oder zumindest zum Teil an die Presseöffentlichkeit tragen zu lassen – ohne Verfolgung oder Verurteilung befürchten zu müssen.

Spätestens seit den Enthüllungen durch den geflüchteten Edward Snowden oder des der Freiheit beraubten Julian Assange ist erstens klar, dass das Prinzip der separaten Staatsgewalten im Westen ein Mythos ist. Zweitens ist evident, dass es sich bei wahrhaftigen Whistleblowern um Individuen handelt, die vom Staat und seinem Selbsterhaltungstrieb der Definition nach als Abtrünnige und Feinde markiert werden. Die Vorzeigebeispiele „geregelter“ und „gemäßigter“ Handhabe von Pseudo-Whistleblowern – im Spektrum von „gänzlich kontrolliert“ bis „zumindest koordiniert“ – wird nicht nur bei Themengebieten angewandt, die dem Staat selbst nicht wirklich schaden oder gefährlich werden könnten, sondern auch bei jenen, wo die resultierende Verwirrung und Ablenkung innerhalb der Bevölkerung dem jeweiligen Staat sogar von Nutzen ist. Kurz: ein oberflächlicher Ausflug in die eigentlich reiche und seriöse UFO-Domäne, um andere Unzulänglichkeiten des schwindenden US-Imperiums zu kaschieren.

Was also konkret Gruschs Wirken angeht, ist es im besten Fall eine eben sorgfältig kontrollierte PR-Strategie der aufgewirbelten „heißen Luft“, die mit der US-Administration im Vorhinein koordiniert war. Wäre sie das nämlich nicht, hätte man den Mann nicht frei sprechen lassen. Ja, Grusch behauptet von Kreisen, die sein Vorhaben nicht gutheißen wollten, im Vorfeld gemobbt und eingeschüchtert worden zu sein. Schaut man wiederum auf das letztlich tatsächlich Gesprochene, wird anhand der Substanzlosigkeit schnell klar, dass kein authentischer Whistleblower das Wort ergriff. Zumal sofort relevante Autoritäten, wie die US-Raumfahrtbehörde NASA oder das US-Verteidigungsministerium, zu den Behauptungen ihr klassisches Dementi gaben.

Das heißt, der Zuschauer und aufzuklärende Bürger wird in einem kognitiven Vakuum zurückgelassen – in einem galaktischen „Aussage gegen Aussage“, aus dem keine stichfesten Fakten hervorgehen können. Nur Ungewissheit und Verwirrung.

Dadurch wird das große, mannigfaltige Thema der UFOs gleichzeitig sogar generell diskreditiert, was äußerst bedauerlich ist. Dabei wird seit vielen Jahrzehnten ernsthafte Forschung betrieben, betreffend der Phänomene selbst. Diese sind so heterogen und divers, dass sich sogar (neben der klassischen, „extraterrestrischen Hypothese“) verschiedene andere Hypothesen über die Jahrzehnte herausgebildet haben, um diese Phänomene zu erklären. Allein ihre schiere Anzahl weltweit ist vom reduktiven, szientistischen Wissenschaftsmainstream schwer von der Hand zu weisen. Lesenswerte Forscher zu diesem Thema sind mit Sicherheit der französische Wissenschaftler Jacques Vallée (hier vor allem seine Sachbuch-Trilogie, 1988–91: „Dimensions: A Casebook of Alien Contact“, „Confrontations: A Scientist’s Search for Alien Contact“ und „Revelations: Alien Contact and Human Deception“), der Astronom und Astrophysiker J. Allen Hynek („The UFO Experience: A Scientific Inquiry“, 1972) oder auch der US-amerikanische Psychiatrie-Professor John E. Mack („Abduction: Human Encounters with Aliens“, 1994).

Die ersten beiden waren federführend bei der Herausarbeitung der sogenannten „interdimensionalen UFO-Hypothese“, welche andere Dimensionen annimmt, die parallel zu der unseren, wissenschaftlich messbaren erforscht. Aus diesem Betrachtungsrahmen spricht man den „Aliens“ eine andere Struktur und Beschaffenheit zu als die herkömmlich humanoide und physische Beschaffenheit. Letztgenannter Forscher war besonders mit der hochfrequent auftretenden, individuellen Erfahrung von Menschen, die behaupteten, von Außerirdischen entführt worden zu sein, klinisch befasst. Dank dieser Beiträge stellte sich heraus, dass das UFO-Phänomen – mit den vielen Sichtungen und Entführungen – eine geistliche, ja sogar theologische Sphäre bedient, vor der der materialistische Naturalismus abschätzig an seine Grenzen stößt.

US-Präsidenten als UFO-Kronzeugen

Am 21. September 1987 – in den letzten Atemzügen des Kalten Krieges – hielt der US-Präsident Ronald Reagan seine bekannte Rede in der UNO-Generalversammlung:

„In unserer Besessenheit von den gegenwärtigen Antagonismen vergessen wir oft, wie viel uns alle als Mitglieder der Menschheit verbindet. Vielleicht brauchen wir eine universelle Bedrohung von außen, damit wir diese gemeinsame Bindung erkennen. Gelegentlich denke ich daran, wie schnell unsere weltweiten Unterschiede verschwinden würden, wenn wir mit einer außerirdischen Bedrohung konfrontiert wären. Und doch frage ich Sie: Ist nicht bereits eine außerirdische Macht unter uns? Was könnte den universellen Bestrebungen unserer Völker außerirdischer [fremder] sein als Krieg und die drohende Gefahr von Kriegen?“

Ein mit US-amerikanischem Pathos erfüllter Appell, der wenige Jahre später an Wichtigkeit verlor, da die unipolare Pax Americana der USA eingeleitet wurde. Und zwar mit der Rede von Reagans Nachfolger, George H.W. Bush, zur „Neuen Weltordnung“ – zehn Jahre, auf den Tag genau, vor den Ereignissen vom 11. September 2001. Der Aspekt von Reagans Rede über eine „Bedrohung von Aliens aus dem All“, die die Menschheit einen würde, blieb als aktives Leitmotiv in den US-dominierten Medien tief verwurzelt. Dazu gleich mehr.

Reagans Vorgänger Jimmy Carter dagegen hatte noch während des Wahlkampfes zu seiner Wahl im Jahr 1976 Folgendes zum Thema zu sagen: „Wenn ich Präsident werde, werde ich alle Informationen über UFO-Sichtungen in diesem Land der Öffentlichkeit und den Wissenschaftlern zur Verfügung stellen. Ich bin überzeugt, dass UFOs existieren, weil ich eines gesehen habe.“ Auf das Halten solcher Versprechen wartete die US-amerikanische Öffentlichkeit vergebens. Im Jahr 1969 soll diese Begegnung der dritten Art vorgekommen sein. Neben dem damals zukünftigen US-Präsidenten sollen bei der Sichtung noch 20 weitere Menschen anwesend gewesen sein.

Die allerersten Schritte der UFO-Forschung antizipierten ihren heutigen Sinn

Es war der Erfinder des Begriffs „UFO“, Edward J. Ruppelt, der damit die höhnende Allüre des damals gängigen Begriffs der „fliegenden Untertasse“ semantisch loswerden wollte – und welcher im Jahr 1959 in seinem Forschungsbericht „The Report On Unidentified Flying Objects“ bereits die kognitive Erwartungshaltung von gewissen Gruppen so erfasste:

„Bewusst oder unbewusst wollen sie, dass UFOs real sind und aus dem Weltraum kommen. Diese Menschen, vielleicht verängstigt durch die Bedrohung atomarer Zerstörung oder durch andere Ängste – wer weiß was –, tun so, als ob nichts, was die Menschen unternehmen können, die Erde retten kann. Stattdessen suchen sie die Errettung im Weltraum, unter der aussichtslosen Prämisse, dass Männer fliegender Untertassen durch ihre bloße Existenz weiser und fortschrittlicher sind als wir. Solche Leute mögen argumentieren, dass eine Rasse von Außerirdischen, die zu interplanetaren Reisen fähig ist, bis weit ins Atomzeitalter hinein oder sogar darüber hinaus gelebt hat. Sie haben überlebt und können uns ihr Geheimnis des Überlebens verraten. Vielleicht hat die Bedrohung durch einen Atomkrieg ihren Planeten geeint und es ihnen ermöglicht, ihre Kriegsanstrengungen auf einen sozialen und technischen Fortschritt umzulenken. Für diese Menschen ist ein Suchscheinwerfer auf einer Wolke oder ein heller Stern ein interplanetarisches Raumschiff.“

Dass Ruppelt hier bereits im Jahr 1959 einen zivilisatorisch-kulturellen Nerv getroffen hat, zeigt der monumentale Medien-Output der Traumfabrik – seitdem und in jüngster Vergangenheit. Von den Myriaden an Beispielen seien hier nur die Filme „Interstellar“ von 2014 und „Contact“ von 1997 genannt. Beide schlachten die oben zitierte Prämisse Ruppelts exakt aus. Letzterer basierte zusätzlich auf den Gedanken und Überlegungen des US-amerikanischen Futurologen und Astronomen, Carl Sagan. Es war auch „Contact“, der den damals in Wirklichkeit amtierenden US-Präsidenten Bill Clinton auf dem silbernen Flimmerschirm zeigte, was für die damaligen Zuschauer natürlich eine Medienmatrix herstellte, die so klug aus „Wirklichkeit“ und „Fiktion“ zusammengebastelt wurde – ihr Resultat war eine immer wahrscheinlicher erscheinende Illusion.

Letztendlich antizipierte Ruppelt, dass das UFO-Phänomen einen stark religiösen, ja sogar eschatologischen Charakter annehmen würde. Eine Konvergenz aus verschiedenen gesellschaftlichen Bewegungen – denen angst und bange ist und die diese Angst auch gut finanziert weiterverteilen – ist allemal spürbar. Die bereits vom US-Luftwaffen-Offizier Ruppelt genannte Furcht vor atomarer Vernichtung wird heutzutage durch den US-Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine erneut relevant und akut. Auch in der Klimareligion ist der Aspekt der „apokalyptischen Dringlichkeit“ zuspitzender Natur. Wenn das Kleben der Hände auf Asphalt verworfen wird, bleiben nur noch „die Retter aus dem All“, die diese Phase planetarer Endzeit in ihrer Evolutionschronik offensichtlich bewältigt haben müssen, wenn sie es bis zu uns geschafft haben. Es ist also gut, dass sich die größten geistigen Oberhäupter der Erde bei der Causa „UFO“ bereits in Position bringen: Wie Papst Franziskus – der stellvertretend für die römisch-katholische Kirche – schon im Jahr 2014 versicherte, dass er durchaus bereit wäre, Außerirdische taufen zu lassen. Ob dann der „erste Kontakt“ authentisch oder von irdischen Interessen (vielleicht sogar mit „interdimensionaler“ Unterstützung vor Ort) inszeniert wird, ist noch eine ganz andere Frage für ein anderes Mal.

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Elem Chintsky ist ein deutsch-polnischer Journalist, der zu geopolitischen, historischen, finanziellen und kulturellen Themen schreibt. Chintsky publiziert unter anderem für RT DE und das Nachrichtenmagazin Hintergrund. Seit Anfang 2020 lebt und arbeitet der freischaffende Autor im russischen Sankt Petersburg. Der ursprünglich als Filmregisseur und Drehbuchautor ausgebildete Chintsky betreibt außerdem einen eigenen Kanal auf Telegram, auf dem man noch mehr von ihm lesen kann.

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