Sahra Wagenknecht soll den linken Karren flottmachen
Was so ein christlicher Feiertag doch ausmacht. Wir Christen gedenken am 15. August der
leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel, aber auch andere haben eine Art Kollateral-
Nutzen davon, indem für sie sozusagen ein zweites Mal Pfingsten ist, das Fest der Erkenntnis.
Ein Text mit dem Titel „Gründet euch endlich“ in der doch etwas weit linken Berliner taz
(ausgeschrieben nennt sich das schmächtige Berliner Medium ganz schlicht Tageszeitung)
darf als Beleg gelten. Warum geht es?
Ein taz-Schreiber namens Jan Feddersen hat erkannt, wie man die in der Wählergunst munter
vorwärtseilende Alternative für Deutschland, kurz AfD, so richtig und nachhaltig schwächen
kann. Nämlich durch die sympathische Stalin-Verehrerin Sahra Wagenknecht. Die liebe Sahra
soll als Knecht, pardon Magd der bei unserem Nachbarn herrschenden Klasse (sohin:
Ampelkoalition plus CDU plus Linkspartei) die kommunistische SED-Nachfolgepartei Die
Linke doch einfach einmal in die Luft sprengen und eine eigene politische Bewegung
gründen, die der AfD das Wasser abgräbt. Feddersen stellt das Projekt unter das Motto
German Working Classes First!, was sozialistisch und zugleich national klingt. Mit anderen
Worten: Wagenknecht möge doch linkspopulistisch wie Jean-Luc Mélenchon mit seiner
Truppe Unbeugsames Frankreich agieren und dadurch AfD-Wähler anlocken, vor allem in
Mitteldeutschland.
taz-Redakteur Feddersen beginnt seine Ausführungen mit einer Art Partezettel für die SED-
Epigonen und formuliert: Selbstverständlich ist die Linkspartei, wie wir sie kennen, nicht
mehr zu retten. Sein Wort in Gottes Ohr. Aber wie soll es dann weitergehen? Feddersen weiß
es: Doch was zählt, ist die Auszehrung der AfD … Abstand zu den Themen Klimakrise,
Gendergerechtigkeit, Antirassismus, Solidarität mit Einwanderern und eine Kultur der
„Diversity“. Dafür eine Betonung der klassischen Themen der Arbeiterbewegung: Frieden,
Familien, Jobs. Außerdem mit deutlicher Betonung der nationalen Interessen (der
Arbeiterschaft), also Begrenzung der Migration.
Ganz einfach, weil Wagenknecht eine linke Populistin (ist), die das bürgerlich-liberale System
hasst, weil es immer nur die ohnehin Arrivierten, bis in die woken Mittelschichten, schützt
und den Prolet*innen kaum Luft zum Atmen lässt … Insofern wäre es eine zivilisatorische, ja
antifaschistische Mission, dieses Parteiprojekt der Wagenknecht-Fellows zu unterstützen. Der
Preis wäre die wesentliche Marginalisierung der Linkspartei, wie wir sie heute kennen. Aber
er wäre nicht zu hoch, wenn der AfD das jetzt schon machtbesoffene Verhalten ausgetrieben
würde. Doch sie müssten es (nämlich das Projekt einer Parteigründung, Anm. E. K.-L.) jetzt
ins Werk setzen, vor der EU-Wahl, vor den Landtagswahlen in den schon jetzt AfD-versifften
Bundesländern. Danach wäre es zu spät …
Nun, Herr Feddersen, es ist schon jetzt zu spät. Erstens ist eine Parteigründung rund um Sahra
Wagenknecht unwahrscheinlich. Ihr minder ausgeprägtes Organisationstalent hat
Wagenknecht bereits mit dem gescheiterten Versuch einer Bewegung namens aufstehen! unter
Beweis gestellt. Zweitens wird der SED-Politkadaver früher oder später auch ohne Hilfe
Wagenknechts aus dem deutschen Parlament verschwinden, was demokratiehygienisch zu
begrüßen ist. Und drittens ist die AfD bereits derart weit in die gesellschaftliche Mitte
vorgedrungen, dass ein allfälliger Wählerabfluss in Richtung einer Wagenknecht-Gruppe
kaum spürbar wäre.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei ZUR ZEIT, unserem Partner in der EUROPÄISCHEN MEDIENKOOPERATION.
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