Horst D. Deckert

Urteil gegen Tim Kellner: Politische Justiz in Detmold

Die gestrige Verurteilung des Youtubers, Satirikers und „Love Priests“ Tim Kellner durch das Amtsgericht Detmold zu 110 Tagessätzen, insgesamt 11.000 Euro Geldstrafe (er ist damit vorbestraft), wegen der angeblichen „Beleidigung“ dreier rot-grüner Politikerinnen kann nur als ein zwar provinzieller, aber doch alarmierender Justizskandal bezeichnet werden.

Denn wenn das, was Kellner zur Last gelegt wurde, nicht vom Grundrecht auf Kunst- und Meinungsfreiheit gedeckt sein soll, dann gibt es dieses Grundrecht nicht.

Angeklagt wegen einer Farce

Er wurde wegen einer Farce angeklagt. Konkret, weil er in seinen urkomischen Video-Collagen Passagen der legendären Wutausbrüche Klaus Kinskis verwendet hat, der dort etwa „Arschloch“ sagt; weil er dümmliche Phrasen Sawsan Cheblis über „respektvollen Umgang“ der „weltoffenen Gesellschaft“ durch einen Einspieler kontrastiert, in dem sich zwei Frankfurter Migrantinnen mit Schimpfworten („Ey du kleine Fotze“) fetzen; oder weil er die Akne der peinlichen grünen Bundestags-Hupfdohle Emilia Fester verbalisiert und weil er die Bundesinnenministerin als „aufgedunsene Dampfnudel“ titulierte.

Zur Absurdität der Vorwürfe ist eigentlich nicht viel zu sagen. Nur soviel: Bei Chebli hält ihr der „Love Priest” schlicht und einfach die gesellschaftliche Realität als Spiegel vor, indem er ihr Multikulti-Idyll mit frei verfügbarem Videomaterial der bitteren Wirklichkeit als Lüge entlarvt. Das Gericht aber wertete es – rechtlich und tatsächlich gleichermaßen fehlerhaft – so, als habe Kellner Chebli eine „Fotze“ genannt.

Wie war das damals mit Kohl?

Emilia Fester ist die Abgeordnete, die statt Inhalten praktisch ausschließlich mit Selbstdarstellung glänzt: Durch einstudierte fremdschamwürdige TikTok-Tänze, durch ungefragtes Outing als „Bisexuelle“, durch möglichst schamlose Inszenierung bei LBGTQ-Paraden. Sie selbst hat die Reduktion zu Äußerlichkeiten zu ihrem Markenzeichen gemacht. So eine muss sich nicht wundern, wenn ihr Äußeres zum Gegenstand von Satire gemacht wird. Zumal sich Kellners Formulierung „verpickelte Göre“ sinnbildlich auf ihr pubertäres Politikverständnis bezog. Das Gericht lässt diese Einwände nicht gelten.

Und wenn Nancy Faeser durch die Bezeichnung „aufgedunsene Dampfnudel“ justiziabel beleidigt worden sein soll, wie es die Richterin sieht, die allein dafür 50 Tagessätze verhängte, dann fragt man sich, wie eigentlich Helmut Kohl jahrzehntelange als „Birne“, als „fette  Matschbirne“, als „Pfälzer Saumagen“ oder als „Dicker aus der Pfalz“ verächtlich gemacht werden konnte, ohne dass dies je zu einer Anklage geschweige denn Verurteilung führte.

Richterin tat, was von ihr erwartet wurde

Kellner hatte das Pech, dass gestern über ihn eine junge Vorsitzende von vielleicht Mitte, Ende zwanzig zu Gericht saß. Diese Richterin, Frau Stelbrink ihr Name, war zwar höflich, korrekt und sympathisch, sie versuchte in ihrer Verhandlungsführung aber erkennbar, den in sie gesetzten externen Erwartungen gerecht zu werden.

Zudem erweckte sie den Anschein, als sei sie typische Vertreterin jener jungen weiblichen Juristengeneration, die nach Abitur und Studium gezielt ins Richteramt drängt, weil dieser Job die mit beste Work-Life-Balance aller Berufsbilder überhaupt aufweist, gerade für junge Frauen. So eine zieht ihr Lebensprogramm nach Plan durch. Anecken, Reibungspunkte, Nonkonformismen sind hier biographisch nicht vorgesehen.

Mutmaßliches Schubladenurteil

Von ihr konnte Kellner keine eigenständige, mutige Entscheidung erwarten, zu der sich ein reiferer, selbstbewussterer Jurist vielleicht bereitgefunden hätte. Keine einzige Frage – außer bei Personenfeststellung und Formalien – hatte sie an den Angeklagten (ebenso wenig übrigens auch der Staatsanwalt) gerichtet. Kellner und sein Anwalt Hendrik Schnelle ließ sie geduldig ins Leere reden.

Im Anschluss an die Schlussplädoyers von fast 45 Minuten Länge und Kellners letztem Wort als Angeklagtem brauchte Frau Stelbrink nicht einmal 15 Minuten, um – nach einigen handschriftlichen Notizen, für die sie nicht einmal den Sitzungssaal verließ – ein offensichtlich schon fertig in der Schublade liegendes Urteil zu verlesen, das in weiten Passagen fast identisch war mit dem zuvor gehörten Plädoyer der Staatsanwaltschaft.

Realvorwurf: Majestätsbeleidigung gegen Linksgrün

Lediglich beim vierten Tatvorwurf, der verleumderischen Verwendung eines zusammengeschnittenen Baerbock-Videos, „sprach” sie Kellner „frei”; Kunststück: Zuvor hatte sogar schon der Staatsanwalt diese Anklage zurückgenommen. Sie reduzierte die Strafe aber nicht, wie es angemessen gewesen wäre, um ein Vierteil, sondern nur um nicht einmal 10 Prozent, von 120 auf 110 Tagessätze; und selbst das nicht ohne den bedauernden Hinweis, sie habe Kellner einen beleidigenden Tatvorsatz hier „nicht nachweisen“ können. So redet, wenn überhaupt, der Staatsanwalt – nicht das Gericht.

Mit ihrem Urteil hat Frau Stelbrink aus Sicht des Systems den in sie gesetzten Erwartungen voll genügt; der Linksstaat kann mit ihr zufrieden sein: Die Staatsanwaltschaft, die hinter den hier strapazierten Paragraphen – vor allem den eigens zum „Politikerschutz“ erlassenen neuen §188 Strafgesetzbuch – eigentlich nur einen faktischen Vorwurf erhob, nämlich den der Majestätsbeleidigung gegen die linksgrüne Regierungskoalition.

Im Zweifel gegen die Grundrechte

So tickt der NRW-Justizapparat, der solche zuverlässigen Richterinnen braucht. Und natürlich Fester-Chebli-Faeser, jene dilettierenden Politikerinnen, die die Strafanzeigen und -anträge gegen Kellner losgetreten hatten (und sowieso wenig aufs Grundgesetz geben, wie ihre Äußerungen und Handlungen immer wieder zeigten).

Jahrzehntelang neigten bundesdeutsche Richter dazu, bei Abwägungsentscheidungen zwischen Grundrechten und verletzten Persönlichkeitsrechten zugunsten der Grundrechte zu urteilen, im Zweifelsfall also den Geltungsbereich etwa der Rede, Kunst- und Meinungsfreiheit deutlich großzügiger auszulegen und ihm einen Vorrang vor etwaigen Straftatbeständen wie Beleidigung und Verleumdung zu geben.

Auf einem Auge blind

Diese intuitive Scheu, sich auch nur dem Anschein einer Missachtung der Grundrechte auszusetzen, resultierte aus der Vorgeschichte der NS-Justiz, war aber auch Ausdruck einer echten richterlichen Unabhängigkeit. Diese hat mit der großen Linksverschiebung in Deutschland, mit der informellen politischen Gleichschaltung aller Staatsorgane durch eine moralisierende linksgrüne Obrigkeit, und der Spaltung in „zulässige“ und „delegitimierende“ Meinungen ihr allmähliches Ende gefunden.

Justitia ist nicht länger auf beiden Augen, sondern nur noch auf einem Auge blind – was zu einer deutlichen Zweiklassenjustiz geführt hat: Während bestimmte Bevölkerungsgruppen mit der vollen Unerbittlichkeit des Gesetzes rechnen müssen, genießen andere Narrenfreiheit. Dasselbe gilt für die politische Einstellung: Linke können sich in Deutschland alles herausnehmen; bei denen, die als Konservative ist gleich Rechte ist gleich Rechtsextreme auffallen, wird kein Pardon gegeben.

Faktische Zweiklassenjustiz

So erklärt sich nicht nur, dass migrationsstämmige Messerstecher, Gruppenvergewaltiger und Wiederholungstäter wieder und wieder straffrei ausgehen oder mit lächerlichen Symbolstrafen und bestenfalls fahrlässigen Verwahrungen bedacht werden, während Deutsche – mit festem Wohnsitz, Steuer- und Sozialversicherungsnummer – bei Bagatelldelikten „robust” zur Rechenschaft gezogen werden.

Es wird so ebenfalls verständlich, warum sich ein primitiver, unlustiger Prolet und Hetzer wie Jan Böhmermann, der Kinder als „Ratten“ bezeichnet, Frauen als „Scheißhaufen“ oder den türkischen Präsidenten als „Ziegenficker”, erfolgreich auf Kunst- und Meinungsfreiheit berufen kann, warum AfD-Chefin Alice Weidel eine „Nazi-Schlampe“ genannt werden darf oder eine Linken-Politiker AfD-Politiker in die Gaskammer schicken will, ohne dass dies auch nur zu einer Anklage führte – während als solche erkennbare, offensichtliche Satire eines Youtubers zu einer Verurteilung führt. Will man darin keine Form von Rechtsbeugung erkennen, dann ist es zumindest eine Perversion des Rechtsfriedens und des Gleichbehandlungsgrundsatzes.

Zum Autor: Daniel Matissek ist Journalist mit pfälzischen Wurzeln, arbeitet neben für AUF1 auch für diverse deutschsprachige freie Medien (unter anderem „Journalistenwatch.com“). Gründungsherausgeber des Blogs „Ansage.org“. Schwerpunktthemen: Migrationspolitik, politischer Extremismus, Demokratie und Medienlandschaft. Freund differenzierter Zwischentöne, aber gerne auch leidenschaftlicher Polemiker. Devise: „Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos; es könnte aber auch umgekehrt sein.“

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