Da das traditionelle Bad Ischl im Programm des Kulturhauptstadtjahrs 2024 eher eine untergeordnete Rolle spielen wird, wie viele Bewohner befürchten, dürften nicht nur die Einheimischen als Besucher enttäuscht werden, sondern vor allem auch die Deutschen.
Nicht nur für die Deutschen ist der Salzkammergut-Hauptort Bad Ischl schon seit Jahrzehnten ein beliebtes Touristenziel. Aber warum kommen Österreichs Nachbarn so gern in diesen Ort und in die Seenregion, die sich über drei österreichische Bundesländer erstreckt?
Besondere Geschichten der Region
Wegen der schönen Landschaft, wegen des guten Essens und wegen seiner Vergangenheit, sagen die Ischler. Damit meinen sie auch die Geschichte der gesamten Region, aber auch die Geschichtchen, die die mehr oder weniger bekannten Leute dort wie auch und vor allem in Bad Ischl machten.
„Unsere Gäste wollen die Kaiservilla sehen, in die Café-Konditorei Zauner gehen, vielleicht auch eine Operettenaufführung besuchen und einige der ehemaligen Wohnhäuser von früheren Schauspielern, Adelsangehörigen und Musikkomponisten bewundern, wie auch jenes von Franz Lehar“, erzählte mir begeistert eine ältere Ischlerin, mit der ich vorm „Café Ramsauer“ ins Gespräch kam.
Das legendäre Café Ramsauer, zu dessen Stammgästen auch Walzerkönig Johann Strauss.
Hoher Besuch im Café Ramsauer: Walzerkönig Johann Strauss
In diesem Café verkehrte einst auch der Walzerkönig Johann Strauss, der sich darin – so erzählte sie stolz – zu vielen seiner unsterblichen Melodien inspirieren ließ. Auch der zu seinen Lebzeiten sehr bekannte Volksschauspieler Alexander Giradi war Stammgast beim Ramsauer.
Im Ramsauer saßen sowohl im 19. als auch noch im 20. Jahrhundert viele berühmte Künstler.
„Villa Blumenthal“: Ort der Inspiration
Ischl wird stets mit seinen vielen Künstlern, den Schriftstellern und Komponisten, die hier nicht nur als Sommergäste verweilten, in Verbindung gebracht werden, hatte mir Peter Janisch schon früher bei meinen Besuchen erzählt, als er noch die „Villa Blumenthal“ in der Kaltenbachau bewohnte.
In diesem Haus schrieb Oskar Blumenthal, zusammen mit dem Librettisten Gustv Kadelburg, 1896 das Lustspiel „Im Weissen Rössl“, das später als Vorlage für die gleichnamige Operette diente.
Peter Janisch vor seinem langjährigen Wohnhaus, der früheren Villa von Oskar Blumenthal.
Traditionelles mehr hervorheben
Neugierig geworden durch die Erklärungen der Frau über die prominenten Gäste des Cafés Ramsauer, besuchte auch ich das Lokal, um ein wenig vergangene Künstlerluft in mich einzusaugen. Dabei kam ich mit der Kellnerin ins Gespräch, die sich – wie sie mir auf meine konkrete Frage hin antwortete – nicht sehr viel vom Kulturhauptstadtjahr für Bad Ischl erwartet. Denn das Traditionelle, so ließ sie durchblicken, käme bei der ganzen Sache ein wenig zu kurz.
Vorm traditionellen Huthaus Bittner, der 1862 gegründeten Hutmanufaktur, werden später Leute, die im Schaufenster gerade das Angebot musterten, mir gegenüber monieren, dass man auch das traditionelle Handwerk hätte stärker herausstellen können. Man hätte auch irgendetwas mit den Salzflössern auf der Traun machen können.
Auch Skepsis in der Kur-Apotheke
In der traditionsreichen Kur-Apotheke schaut man dem Kulturhauptstadtjahr ebenfalls mit Skepsis entgegen. Neben dem zeitgemäßen Medikamenten- und Drogerieangebot werden dort auch noch immer wirksame Arzneien und Pflegemittel aus der Kaiserzeit vertrieben.
Sehr beliebt sind deren „Haustropfen“, ein Kräuterbitter zur besseren Verdauung. Auch ein mit Veilchen durchsetztes Badesalz, das schon Kaiserin Sisi verwendete, wird in der Kurapotheke noch immer hergestellt und verkauft.
Touristenmagnet Nummer 1: Die Kaiservilla.
Nicht nur der Wirtin vom „Gasthaus zum Bären“, das an der Linzer Straße und etwas außerhalb von Ischl liegt, scheint Handwerk und Brauchtum im Programm des kommenden Kulturhauptstadtjahres etwas unterrepräsentiert zu sein.
Viel Raum für freie Szene – Bestehendes übergehen
So sieht es im Übrigen auch der Gosauer Grafiker Jörg Hoffmann, der Betreiber einer Plattform für Kreative, der ebenfalls mit dem Kulturhauptstadtjahr-Programm hadert. Gegenüber der „Presse“ hat er schon beizeiten Vorschläge gemacht, woraus man ein regionales Salzkammergut-Kunstprojekt entwickeln könnte: beispielsweise aus der Faschingskultur, aus dem Narzissen-Fest wie auch aus der „Nacht der Ballone“.
Aber nein, ärgerte sich Hoffmann, über Bestehendes werde drübergefahren und Neues inszeniert wie beispielsweise das Ding mit dem „Salzkammer(sc)hall“. Dabei soll es um Chöre gehen, die den gebirgigen Horizont als schroffe Notation „lesen“, wie es heißt, anstatt melodiöse, traditionelle Lieder zu singen.
Die Schuld an diesen verrückten Projekten, die von der Masse der Einheimischen nicht mitgetragen werden, geben die Ischler der künstlerischen Leiterin für das Kulturhauptstadtjahr, Elisabeth Schweeger. Sie hat vor allem der „freien Szene“ viel Raum eingeräumt, wie sie selbst sagt, betont aber auch, dass Tradition und Handwerk schon auch gut berücksichtigt werden.
Kultur ist das neue Salz, so lautet das Motto des Großprojektes „Kulturhauptstadt“, wie es auch überall verkündet wird. Leider wird der Blick dabei weniger auf jenen Rohstoff gerichtet sein, der die Region bekannt gemacht hat, sondern mehr auf internationale Künstler und Künstlerinnen, wie man beim Besuch der Stadt an der Traun von allen Seiten zu hören bekommt.
Verlobungsort von Kaiser Franz Josef und Kaiserin Sisi
Sicher: Etliche Museen werden gerade neu inszeniert, darunter auch das im ehemaligen „Hotel Austria“ untergebrachte Stadtmuseum. Dabei handelt es sich um das Seeauerhaus an der Esplanade, in dem sich 1853 Kaiser Franz Josef mit seiner Sisi verlobte.
Kaiserin Sisis Verlobungsort ist heute Stadtmuseum: Die Hinteransicht des ehemaligen „Hotel Austria“.
In diesem Gebäude wird anlässlich des Kulturhauptstadtjahres die Stadtgeschichte gerade mit den Kapiteln der Nazi-Zeit und der Nachkriegszeit erweitert, damit die Besucher dort nicht nur etwas über die romantischen Begebenheiten in der ehemaligen kaiserlichen Sommerfrische erfahren, wie es heißt.
Doch wegen diesen Kapiteln der Vergangenheit werden die erhofften Besucher aus allen Teilen Europas kaum in Scharen nach Ischl und ins Salzkammergut strömen, und vielleicht ist das auch gut so, bekam ich im Café Ramsauer zu hören.
Witzig: Das Café Elisabeth auf halbem Weg zwischen dem legendären Café Zauner an der Pfarrgasse und dem Zauner-Gartenbetrieb an der Esplanade.
Wir haben ja gar nicht die Gasthaus- und Hotel-Kapazitäten, um diese Menschen alle zu beherbergen und zu verköstigen, hatte mir die Kaffehauskellnerin im Ramsauer erklärt und auch der Kurapotheke hat man Zweifel, ob es überhaupt genügend Autoparkplätze für die Besucher der Kulturhauptstadt geben wird.
Ursprüngliche Idee: Kulturerbe bekanntmachen
Die Erfindung der „Kulturhauptstädte“ geht auf eine Initiative der ehemaligen griechischen Kulturministerin Melina Mercouri zurück, die damit das gemeinsame Kulturerbe bekanntmachen und stärken wollte.
Es hat 1985 mit Athen begonnen, dem Florenz, Amsterdam, West-Berlin und Paris als „Kulturhauptstädte“ folgten. Seit der Jahrtausendwende werden nun nicht mehr nur die Hauptstädte abgefeiert, sondern auch so genannte Second- und Third Citys wie beispielsweise Graz oder auch Linz.
Mit Bad Ischl bilden diesmal noch 22 weitere Gemeinden im steirischen und oberösterreichischen Salzkammergut „Europas Kulturhauptstadt 2024“, die aber nach der Vermutung ihrer Bewohner, nicht sehr viel davon haben werden.
Bisher, so monieren schon etliche Bürgermeister, haben wir nur bezahlen dürfen, um dabei mitzumachen. Aber wobei eigentlich? Das fragen sich die Menschen in den Gemeinden wie Unterach, Pettenbach oder Vorchdorf, die über die Art ihrer Einbindung bislang noch nicht viel vernommen haben sollen. Auch potentielle Kulturhauptstadt-Besucher dürften von Pettenbach oder Vorchdorf bislang kaum etwas gehört haben.
Fotos: Guggenbichler
Zum Autor: Kurt Guggenbichler war Mitbegründer und Chefredakteur des „Wochenblick“. Sein journalistisches Handwerk hat er bei der „Goslarschen Zeitung“ in Norddeutschland erlernt, wo er acht Jahre lang als Redakteur, Reporter und Kolumnist tätig war. Wieder zurück in seiner Heimat, arbeitete Guggenbichler in der Funktion eines Ressortleiters dann 25 Jahre lang für die „Oberösterreichischen Nachrichten“. Zum „Wochenblick“ wechselte er einige Zeit nach seiner Tätigkeit als Chefredakteur der Tageszeitung „Oberösterreichs Neue“ und für AUF1-Info ist Guggenbichler nun als Nachrichten-Redakteur, Kommentator und Reporter im Einsatz.