Horst D. Deckert

Die Brüsseler Zensur-Krake

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Die Brüsseler Zensur-Krake

Der von der EU verabschiedete Digital Service Act wird im Februar in Deutschland in Kraft treten. Es baut einen bisher für liberale Demokratien beispiellosen staatlichen Zensurapparat für das Internet.

von Eine Analyseo

Der Digital Services Act (DSA) soll Europa „fit für das digitale Zeitalter machen“, so schreibt man es auf der Website der EU. „Ein einziges Regelwerk für die ganze EU für einen sichereren und offenen digitalen Raum, in dem europäische Werte im Mittelpunkt stehen“ soll der Digital Service Act zusammen mit dem Digital Market Act (DMA) bilden. Unter anderem sollen Internetplattformen „transparent und rechenschaftspflichtig“ gemacht werden – um die Meinungsfreiheit zu schützen. 

So nützlich die digitalen Dienste auch sein mögen, die wir täglich nutzen, „um miteinander zu kommunizieren“ oder „Informationen zu finden“ – sie werden auch missbraucht um etwa Desinformationen zu streuen, erläutert die EU weiter. „Diese Herausforderungen und die Art und Weise wie Plattformen sie angehen, haben erhebliche Auswirkungen auf die Grundrechte im Internet.“ Das Ziel des Gesetzes, so wird es immer wieder betont, ist der Schutz der Grundrechte an vorderster Front. 

Das Gesetz wurde im Sommer 2022 in der EU verabschiedet und am 27. Oktober 2022 im Amtsblatt veröffentlicht. Am 16. November 2022 trat es in Kraft. Doch erst am 17. Februar 2024 wird es in Deutschland im vollen Umfang rechtsverbindlich werden. Zusätzlich will der Bundestag vorher noch ein Gesetz beschließen, um den Digital Service Act zu konkretisieren. 

Gesetz verpflichtet auch zur Löschung nichtstrafbarer Inhalte 

Das Gesetz ist in seiner Materie sehr kompliziert und komplex. Spezifische Begriffe aus der Informatik werden juristisch definiert, Abläufe näher geregelt und Verantwortungsbereiche abgewogen. Der Digital Service Act gilt für sogenannte „Vermittlungsdienste“, denen umfassende Pflichten auferlegt werden. Der Begriff der Vermittlungsdienste ist breit gefasst. Artikel 3 (g) DSA zählt darunter neben reinen Durchleitungsdienste und Caching-Diensten auch Hosting-Provider. 

Von besonderer Bedeutung ist dabei ein Unterbegriff der Hosting-Dienste, nämlich Online-Plattformen wie Twitter, Facebook und Instagram. Besonders Online-Plattformen und Suchmaschinen mit durchschnittlich mindestens 45 Millionen aktiven Nutzern in der EU treffen empfindliche Pflichten. Nach eigenen Angaben zählen dazu Twitter, Google und Meta, wie die Tagesschau im Februar 2023 berichtete. 

Doch während der Gesetzgeber an den einen Stellen sehr komplex definiert und einordnet, wird er plötzlich an ganz entscheidenen Stellen schwammig. In Artikel 3 des Gesetzes wird zwar der Begriff „rechtswidrige Inhalte“ definiert. Doch im Gesetz werden rechtswidrige Inhalte nicht alleine problematisiert. Immer wieder ist die Rede von Inhalten, die sich nachteilig auf die Grundrechte aus der EU-Charta, die gesellschaftliche Debatte, Wahlprozesse oder die öffentliche Sicherheit auswirken können. Das ist höchst problematisch. 

Warum zählen diese Inhalte nicht unter den Begriff der strafbaren Inhalte? Grund dafür muss zwingend sein, dass sie nicht strafbar sind. Doch was sind Inhalte, die sich negativ auf Grundrechte, die Debattenkultur oder Wahlen auswirken können, sich aber im legalen Raum bewegen? Die Deutungshoheit darüber bleibt bei der EU. Sie kann die Anbieter der betroffnen Plattformen dazu verpflichten, diese Inhalte zu überwachen, zu zensieren oder anderweitig zu bekämpfen. Kommen die betroffenen Unternehmen ihren angeordneten Pflichten nicht nach, so drohen empfindlich hohe Bußgelder von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes – das würde auf Zahlungen in Milliardenhöhe hinauslaufen. 

Die staatliche Drangsalierung zur Selbstüberwachung 

Die Verpflichtungen, die der Digital Service Act den großen Anbietern auferlegt, sind hart. So müssen sie etwa gemäß Artikel 34 jährliche „Risikobewertungen“ schreiben und an die EU übermitteln. Dabei müssen sie analysieren, inwieweit rechtswidrige Inhalte – oder wieder die undefinierbaren Inhalte mit „nachteiligen Auswirkungen“ – auf den Plattformen oder Suchmaschinen verbreitet werden und dabei systematische Risiken darstellen. Anbieter sozialer Netzwerke müssen damit Einschätzungen treffen, zu denen sie weder befähigt noch geeignet sind. Twitter, Google und Co. müssen ihre Inhalte auf mögliche Gefahren für die EU untersuchen – Aufgaben, die man instinktiv eher in den Zuständigkeitsbereich von Behörden wie der Polizei oder den Geheimdiensten zählen würde. 

Auf Grundlage dieser Risikobewertungen sind die Anbieter dann dazu verpflichtet, Maßnahmen zu treffen, um diese systematischen Risiken aus dem Weg zu schaffen – „Risikominderung“ nennt sich das. Zu diesen Maßnahmen zählt ganz zentral die Inhaltsmoderation. Inhalte, die beispielsweise unter „rechtswidrige Hetze“ fallen, sollen rasch gelöscht und die verbreitenden Accounts gesperrt werden. Auch die Europäische Union wird jährlich Berichte schreiben, in der die Bekämpfung der „systematischen Risiken“ durch Anbieter analysiert werden soll, weiter will die Kommission Empfehlungen für besonders wirksame Mittel herausgeben. 

Einmal jährlich sollen die Anbieter – auf eigene Kosten – einer unabhängigen Prüfung unterzogen werden. Darin soll die Umsetzung der ihnen auferlegten Pflichten kontrolliert werden. Die Plattform- und Suchmaschinen-Anbieter müssen für diese Überprüfungen „alle relevanten Daten und Räumlichkeiten gewähren und mündliche oder schriftliche Fragen beantworten“. Das angemessene Maß an Vertraulichkeit und die Einhaltung der Geheimhaltungspflicht muss bei diesen Prüfungen nur soweit eingehalten werden, wie es die Arbeit nicht erschwert. Die Kommission berechnet den Plattformen außerdem jährliche Aufsichtsgebühren bis zu 0,05 Prozent der weltweiten Jahresnettoeinnahmen. 

Die Plattformen müssen staatlichen Behörden zur Kontrolle ausgiebigen Datenzugang gewähren, wie das Gesetz in Artikel 40 unter dem Punkt „Datenzugang und Kontrolle“ umfassend festlegt. Außerdem haben die Anbieter Compliance-Abteilungen einzuführen, deren Aufgaben staatlich vorgeschrieben sind. Sie haben mit den staatlichen Vertretern zusammenzuarbeiten und dafür zu sorgen, dass die Pflichten, die der Digital Service Act den Unternehmen auferlegt, erfüllt werden. Alles immer mit dem Damoklesschwert der Bußgelder in Milliardenhöhe über dem Kopf. Im Grunde stehen Twitter, Google und Co. damit unter ständiger staatlicher Beobachtung und Kontrolle. 

Pandemien und Kriege können verschärfte Eingriffe begründen 

Unter Erwägungspunkt 91 des Gesetzes wird als Ziel für das Gesetz unter anderem angebracht, dass man in Krisenzeiten besonderen Einfluss auf die Anbieter sehr großer Online-Plattformen nehmen will. Zusätzlich zu den grundsätzlich angeordneten Maßnahmen, die von den Anbietern ergriffen werden müssen, sollen weitere Mittel hinzukommen, wenn es als erforderlich angesehen wird. Krisensituationen, so definiert es das Gesetz, können dabei zum Beispiel bewaffnete Konflikte, Terroranschläge, Naturkatastrophen oder Pandemien sein. 

Als spezifisches Mittel wird beispielsweise konkret erwogen, dass Anbieter von Online-Plattformen oder Suchmaschinen ihre Verfahren zur Inhaltsmoderation anpassen oder verschärfen müssen, sogar in das Design ihrer Online-Schnittstellen oder die Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann eingegriffen werden. Außerdem kann eine „weitere Intensivierung der Zusammenarbeit mit vertrauenswürdigen Hinweisgebern, die Durchführung von Sensibilisierungsmaßnahmen und die Förderung vertrauenswürdiger Informationen“ angeordnet werden. 

Über die Vertrauenswürdigkeit der Informationen und Hinweisgeber soll die Kommission auf Empfehlung des Europäischen Gremiums für digitale Dienste entscheiden, genauso über die Auswahl der angeordneten Maßnahmen. Es ist weiterhin sicherzustellen, dass dies in kürzester Zeit umsetzbar ist – unter der Berücksichtigung der Rechte und berechtigten Interessen aller betroffenen Parteien, versteht sich. Im Gesetz wird dies unter dem Punkt „Krisenreaktionsmechanismus“ verbindlich verankert. 

Eine Gefahr für die Meinungsfreiheit und die verfassungsmäßige Ordnung 

Die EU beweist mit den Digital Service Act hemmungslos, was für ein breites Spektrum an staatlichen Eingriffen, Kontrollen und Zwangsmaßnahmen sie sich anmaßt. Besonders kritisch zu sehen, ist dabei der doppelte Begriff der systematischen Risiken. Dass es Inhalte gibt, die gewissermaßen strafbar sind, ohne rechtswidrig zu sein, sollte zu bedenken geben. Die Löschung von Meinungsäußerungen im digitalen Raum bedeutet einen harten Eingriff in die Meinungsfreiheit. Die Sperrung des ganzen Accounts erst recht. Strafrechtliche Konsequenzen hin oder her, für den Betroffenen entsprichen diese Einschränkungen einer Bestrafung – für die es eine eindeutige Rechtsgrundlage geben sollte. 

Man macht Plattformen wie Twitter und Google zu Hilfspolizisten und verpflichtet sie zu feuern. Sie müssen „systematische Risiken“ überwachen und bekämpfen. Die EU hat sich genug Mittel zurechtgelegt, um die Plattformen unter einen dauernden unaufhörlichen Druck zu setzen – der ohne Zweifel zur Folge haben wird, dass Inhalte zensiert werden, die eigentlich völlig legal waren. Denn das Gesetz legt ja schwarz auf weiß fest, dass die zu zensierenden Inhalte und die strafbaren Inhalte nicht deckungsgleich sind – dass es Inhalte geben muss, die legal aber trotzdem verboten sind. 

Geldstrafen, zahlreiche Kontrollinstanzen – der Druck ist hoch. Die jährlich angesetzten Untersuchungen lesen sich wie Razzien, alles muss zur Verfügung gestellt werden, jeder muss kooperieren, die Rücksicht auf die Rechte der Betroffenen ist ausdrücklich begrenzt – sobald es zu Unannehmlichkeiten kommt, hat die staatliche Kontrolle Vorrang. Man behandelt nicht nur Nutzer, die von ihrer Meinungsfreiheit Gebrauch machen, wie potentielle Gefährder. Man behandelt auch die Plattform-Anbieter wie Kriminelle auf Bewährung. 

Aus dem Gesetzestext muss man beinahe unweigerlich schließen: Es ist verboten, was nicht erlaubt ist. Es gibt eine Wahrheit und dann gibt es noch „systematische Risiken“ – wer unter letzteres fällt, der betritt einen rechtsfreien Raum, ohne Meinungsfreiheit, ohne Vorbehalt des Gesetzes. Da ist einfach nur Funkstille. Das alles soll die Meinungsfreiheit schützen. Doch wessen Meinungsfreiheit? Die jener Nutzer, die sich selbst zensieren, bevor die Plattformanbieter es aus Angst vor Milliardenbußgeldern tun? Man bekommt den Eindruck, dieses Gesetz soll nur einen schützen: Die EU. 

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