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Industriespionage: Pekings Schatten in Göttingen

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Industriespionage: Pekings Schatten in Göttingen

Die Geschichte eines Hightech-Konzerns, der nach Göttingen kam, um „Europa wieder grün zu machen“ – und der sich völlig der chinesischen kommunistischen Partei unterordnet und sich an Programmen beteiligt, die Spionage betreiben.

von Sebastian Thormann

„Als der AGV, ein fahrerloser Transportwagen, das erste Batteriepack langsam vom Testfeld zu den Ehrengästen beförderte, brach das Publikum in Beifallsstürme aus“ – was ein wenig klingt, wie ein SED-Parteitagsbericht, wenn es damals schon selbstfahrenden Autos gegeben hätte, ist tatsächlich die Pressemitteilung eines deutschen Unternehmens heute in chinesischer Hand – die hiesige Tochter des chinesischen Batteriekonzerns Gotion.

Als Ende 2022 bekannt wurde, dass dieser das Göttinger Bosch-Werk übernehmen soll, war die Begeisterung vor Ort erstmal groß. Die 300 Jobs blieben erhalten – nun halt unter chinesischer Führung. Statt Autoteilen sollen dort jetzt Batterien hergestellt werden und das auch noch als „Null-Carbon-Werk“ – ohne jegliche Emissionen.

Zur Übergabe erschien damals Chinas Botschafter auf einer übergroßen Leinwand vor den deutschen Mitarbeitern in ergangener Arbeitskleidung und berichtete stolz über den neuen Standort und darüber, dass Deutschland und China keine Widersacher, sondern Partner seien und beide Regierungen das Projekt unterstützten.

2023, zum Produktionsstart, war Niedersachsens Ministerpräsident Weil (SPD) dann auch persönlich vor Ort und drückte gemeinsam mit chinesischen Vertretern den Startknopf für die Produktion der Batterien, die jetzt auch das Siegel „Made in Germany“ erhalten sollen. Danach löste jener Transportwagen mit den ersten Batterien die vermeintlichen „Beifallsstürme“ im Publikum aus. Und – zumindest wenn man der Pressemitteilung glaubt – konnten Mitarbeiter zum Produktionsstart ihre „Begeisterung nicht verbergen“, einer von ihnen wird mit den Worten „Ich bin sehr glücklich, es ist ein wunderbarer Moment in meinem Leben“ zitiert.

Beim Werk ginge es darum, mit den Batterien „Europa wieder grün zu machen“, erklärte der deutsche Geschäftsführer. Der Standort werde „auch als Forschungs- und Entwicklungszentrum“ von Gotion dienen. Geplant oder bereits im Gange sind Kooperationen mit vielen deutschen Technologieunternehmen.

Genau deswegen ist aber Gotion schon in anderen Ländern ins Visier von Regierungsstellen gekommen. In den USA, wo Gotion ebenfalls Werke hat, wird es vom überparteilichen Kongressausschuss zur kommunistischen Partei Chinas unter die Lupe genommen: Konkret geht es um enge Verbindungen zu Chinas Regime und Partei – und dementsprechend potenzielle Technologieabschöpfung für diese.

„Kombiniere Militär und Ziviles, kombiniere Frieden und Krieg“

Wie die US-Nachrichtenseite Daily Caller berichtet und auf den Firmenwebseiten von Gotion nachlesbar ist, nimmt der Konzern nämlich am „863“-Programm und dem „Torch“-Programm teil, beides staatliche chinesische Programme zur Technologiegewinnung. Das „863“-Programm heißt so, weil es im März 1986 als Antwort auf US-Präsident Ronald Reagans „Strategic Defense Initiative“ (auch bekannt unter „Star Wars“) ins Leben gerufen wurde. Auch wenn es sich insgesamt etwas ziviler als das amerikanische Vorbild gibt, versorgt es unter anderem die chinesische Volksbefreiungsarmee, das Militär der kommunistischen Partei, mit Hochtechnologie.

„Das Programm 863 zielt darauf ab, die Kluft zwischen der Volksrepublik China und dem Westen bis zum Jahr 2000 in wichtigen Wissenschafts- und Technologiesektoren zu verringern, einschließlich der militärischen Technologiebereiche: Raumfahrt, Informationstechnologie, Lasertechnologie, Automatisierungstechnologie, Energietechnologie und neue Materialien“, heißt es etwa in einem Kongressbericht, der auch beschreibt, dass das Programm „sich sowohl auf militärische als auch auf zivile Wissenschaft und Technologie“ konzentriert. Das Programm folge auch der „16-Zeichen-Richtlinie“, die wörtlich bedeuten: „Kombiniere Militär und Ziviles, kombiniere Frieden und Krieg, gebe militärischen Produkten Vorrang, lass das Zivile das Militär unterstützen“

Ähnliche Warnungen kommen auch von US-Nachrichtendiensten, wie dem Nationalen Spionageabwehr-Zentrum (NCSC). Das schrieb etwa in der Vergangenheit schon, das 863 Programm werde genutzt, um „heimlich US-Technologie und sensible Wirtschaftsinformationen zu erwerben“. Und weiter: „Ein Schwerpunkt des chinesischen 863-Programms liegt auf der Beherrschung wichtiger neuer Materialien und fortschrittlicher Fertigungstechnologien, um die industrielle Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.“ Batterietechnik dürfte dort dazugehören.

Aber auch abgesehen von solchen staatlichen Programmen ist klar zu erkennen, dass Gotion eine enge Beziehung zur kommunistischen Partei pflegt – und dies auch in andere Länder trägt. Eine Delegation der Partei eröffnete etwa eine „Übersee-Talent-Rekrutierungsstation“ für die chinesische Provinz Anhui im Silicon Valley-Standort des Unternehmens.

„Genosse Li Jinbin, Sekretär des Parteikomitees der Provinz Anhui, leitete eine Delegation in die Vereinigten Staaten und besuchte das Gotion High-Tech Silicon Valley Research Institute, um Orientierung zu geben“, beschreibt der Konzern den Besuch auf seiner chinesischsprachigen Website. „Nachdem er sich den Bericht von Li Zhen, Vorsitzender von Gotion Hi-Tech, angehört hatte, lobte er Gotions Innovation mit drei Schlüsselwörtern: ‚Gut in der langfristigen Planung, gut in Innovation und gut in der Rekrutierung von Talenten‘ und ermutigte das Research Institute, um die Talente voll auszuschöpfen und innovativ zu sein.“

Weiter heißt es dann: „Sekretär Li leitete auch die offizielle Eröffnung der Übersee-Talent-Rekrutierungsstation für die Provinz Anhui am Silicon Valley Research Institute und stützte sich dabei auf Gotions Plattform im Silicon Valley, um Talentgewinnungsarbeit für die Provinz Anhui durchzuführen.“

Stets der Partei untergeordnet

Die enge Zusammenarbeit und Verflechtung mit der kommunistischen Partei ist auch kein Geheimnis, wenn man einen Blick in die Satzung des Konzerns wirft. Dort findet man, wie bei manch anderen chinesischen Konzernen auch, schwarz auf weiß die Führungsrolle der kommunistischen Partei verankert. Neben Regelungen etwa zum Vorstand und Aktionären gibt es dort „Kapitel VI – Parteikomitee“, wo festgeschrieben steht: „Das Unternehmen gründet das Gotion High-Tech Co., Ltd.-Komitee der Kommunistischen Partei Chinas.“

Dessen Aufgaben? „Gewährleistung und Überwachung der Umsetzung der Richtlinien, Grundsätze und Richtlinien der Partei im Unternehmen sowie Umsetzung wichtiger strategischer Entscheidungen des Zentralkomitees der KP Chinas und des Staatsrates“ Ebenso die „Leitung der ideologischen und politischen Arbeit, der Einheitsfrontarbeit, des Aufbaus einer spirituellen Zivilisation, des Aufbaus einer Unternehmenskultur, der Gewerkschaft, des kommunistischen Jugendverbandes“.

Aber die wohl wichtigste aufgeführte Aufgabe des Gotion-Parteikomitees besteht, in seiner Rolle „als Kampffestung, Avantgarde- und Vorbildrolle der Parteimitglieder und die Vereinigung und Führung von Kader und Mitarbeitern“, wie es die Satzung festschreibt. Marktwirtschaft nach chinesischem Modell ist das – auch wenn es scheinbar private Unternehmen gibt, ordnet sich am Ende alles der Partei unter.

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