Ein „Wirtschaftsminister, der mit seiner äusseren Erscheinung in einer Ansammlung von Bahnhofsalkoholikern nicht negativ auffallen würde“: Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) fühlte sich durch diesen Tweet beleidigt und stellte Strafantrag gegen den Journalisten Rainer Meyer (bekannt als Don Alphonso). Das Amtsgericht Miesbach hatte Meyer wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt, doch in zweiter Instanz wurde er nun freigesprochen. Das Urteil ist ein wichtiger Sieg für die Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland.
Die Grünen teilen gerne aus, aber auf Kritik an ihrer Politik reagieren sie äußerst empfindlich, außerdem fühlen sie sich schnell persönlich beleidigt. Im März hatte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock Strafantrag gegen einen bayerischen Unternehmer gestellt, der Anti-Grünen-Plakate auf seinem Grundstück aufgehängt hatte. Auf einem der Plakate war sie als trotziges Kleinkind dargestellt worden, was Baerbock als Beleidigung aufgefasst hatte. Vom Amtsgericht wurde der Unternehmer zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt. Er legte Einspruch ein und wurde in zweiter Instanz vom Vorwurf der Beleidigung freigesprochen. (Report24 berichtete.)
Auch Habeck unterlag nun in zweiter Instanz. Er hatte den Journalisten Rainer Meyer, der unter dem Pseudonym Don Alphonso schreibt, aufgrund eines Tweets, von dem er sich beleidigt fühlte, verklagt. Mayer hatte im Februar 2023 geschrieben: „ein Wirtschaftsminister, der mit seiner äußeren Erscheinung in einer Ansammlung von Bahnhofsalkoholikern nicht negativ auffallen würde“. Habeck wurde also gar nicht namentlich genannt.
Der Tweet war eine Anspielung auf den unangemessenen Kleidungsstil Habecks. Meyer hatte im Vorfeld mit einem Journalisten-Kollegen über Fotos diskutiert, die der Wirtschaftsminister in den sozialen Medien geteilt hatte. Dabei ging es beispielsweise um ein Foto auf Instagram aus Habecks Zeit als Grünen-Vorsitzender, auf dem er unrasiert, in Socken und mit offenem Hemd an einen Pfeiler gelehnt auf einem Bahnsteig sitzt und auf einen Laptop schaut. Dazu hatte Habeck geschrieben, zwei Tage Sommerreise wären gleichbedeutend mit „zwei Tagen unerledigter Mails“. Außerdem dankte er dem Bundesland Rheinland-Pfalz für die Gastfreundschaft. Auch in den sozialen Medien sorgte dieses Foto für Diskussionen und kritische Kommentare.
Im April 2023 wurde Meyer von seiner Anwältin darüber unterrichtet, dass Habeck persönlich einen Strafantrag gegen ihn unterschrieben habe – aufgrund des Tweets vom Februar. Ein Richter des Amtsgerichts Miesbach verurteilte Meyer im Oktober wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 3200 Euro. Nius zufolge soll es derselbe Richter gewesen sein, der bei dem bayerischen Unternehmer Michael Much eine Hausdurchsuchung anordnete, weil dieser satirische Plakate gegen die Grünen auf seinem Grundstück aufgehängt hatte.
Meyer ging in die Berufung und wurde am 30. April vom Münchner Landgericht freigesprochen. Mit dem Urteil folgte das Gericht der Argumentation von Meyers Anwalt, dass es sich bei dem Tweet nicht um eine Beleidigung, sondern um eine Meinungsäußerung gehandelt habe, die von der Meinungsfreiheit gedeckt sei. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, der Staatsanwalt könnte es noch anfechten – das gilt aber als unwahrscheinlich. Meyer betonte, dass er für das Grundrecht auf Meinungsfreiheit auch bis vors Bundesverfassungsgericht gezogen wäre. Im Falle einer Bestätigung des Urteils muss wohl der Steuerzahler die Anwalts- und Prozesskosten tragen.
Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, das verteidigt werden muss. Meinungs- und Pressefreiheit gehören zu den Grundrechten und sind Wesensmerkmale einer funktionierenden Demokratie. In diesem Fall haben diese Grundrechte einen Sieg errungen. In der heutigen Zeit, in der die Politik mit allen Mitteln an der Einschränkung der Meinungsfreiheit und an der Unterdrückung jedweder Kritik arbeitet, ist das Urteil ein wichtiges Signal. Zudem verdeutlicht es, dass Politiker sehr wohl auch in stärkerem Maße Kritik hinnehmen müssen, auch wenn besonders den Grünen das nicht gefällt.