Horst D. Deckert

Siegeszug von AfD & BSW: Ist der Osten erst der Anfang?

Während im Westen die etablierten Parteien zumindest bislang noch relativ fest im Sattel sitzen, vollzieht sich im Osten eine politische Wende. Die AfD etabliert sich dort als feste politische Größe und das BSW scheint das Erbe der Linkspartei anzutreten. Wie geht es weiter? Ist es an der Zeit für einen politischen Systemwechsel?

Ein Kommentar von Heinz Steiner

Früher war die Bundesrepublik auf politischer Ebene simpel aufgeteilt. Baden-Württemberg und Bayern beispielsweise waren stets fest in der Hand von CDU bzw. CSU. Berlin (bzw. früher West-Berlin alleine) erlebte stets Perioden, in denen entweder die CDU oder die SPD über einen längeren Zeitraum dominant war. Bremen und Hamburg galten weitestgehend als SPD-Hochburgen – genauso wie Rheinland-Pfalz, welches nach jahrzehntelanger CDU-Dominanz ab den 1990ern stets die Sozialdemokraten an die erste Stelle wählte.

Doch in den letzten zwanzig, dreißig Jahren gab es langsam Verschiebungen hin zu einem breiteren Parteienspektrum. Gab es früher meistens entweder absolute Mehrheiten für eine der beiden Großparteien oder eine Koalitionsoption mit der FDP als „Königsmacher“. Erst in den 1980ern gab es mit den Grünen eine vierte politisch relevante Kraft im Bundestag (und den Bundesländern), während mit der Wiedervereinigung die PDS (später Die Linke) als fünfte Kraft hinzukam. Als Folge der Wirtschafts-, Finanz- und Eurokrise 2008/2009 etablierte sich langsam auch die AfD als weitere etablierte bundesweite Kraft. Und mit der Abspaltung der Wagenknecht-Fraktion aus der Linken samt Gründung des BSW kam eine weitere politisch relevante Partei hinzu.

Der Bundestag und die Landtage, die für Jahrzehnte stets von SPD, CDU/CSU und FDP geprägt waren, sehen sich nun mit einer zersplitterten Parteienlandschaft konfrontiert. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Stammwähler ab, während es immer mehr Wechsel- und Protestwähler gibt. Und diese übernehmen insbesondere in den neuen Bundesländern (wo es ohnehin eine geringere Parteienbindung gibt) zusehends das Ruder. In Thüringen könnten AfD und BSW bereits eine Regierung bilden, in Sachsen haben die beiden Parteien zusammen die Mandatemehrheit nur knapp verfehlt.

Von solchen Wahlergebnissen ist man in den meisten anderen Bundesländern zwar noch weit entfernt, dennoch spielen diese beiden Parteien dort eine wachsende Rolle – und führen zur Bildung von Multi-Parteien-Regierungen, weil sich Zweierkoalitionen immer seltener ausgehen. Auch tun sich AfD und BSW vor allem im Westen schwer damit, die immer noch vorhandene relativ starke Stammwählerschaft von CDU/CSU und SPD zu überzeugen. So wie es schon früher für Republikaner, DVU und NPD ein schwieriges Umfeld war. Der höhere Anteil an Wählern mit Migrationshintergrund im Westen erschwert es zudem insbesondere der AfD, höhere Stimmenanteile zu ergattern.

Sachsen und Thüringen läuten zwar nicht unbedingt einen großen, bundesweiten Wählerumschwung ein – doch über kurz oder lang wird sich die deutsche Politik Gedanken darüber machen müssen, ob das bestehende politische System überhaupt noch realitätstauglich ist. Ein Blick auf die Schweiz, die auf ein Proporzsystem (ohne Prozenthürden) setzt, beweist, dass verschiedene politische Kräfte trotz all ihrer Gegensätze zusammenarbeiten können. Das freie Spiel der Kräfte im eidgenössischen Nationalrat verhindert zudem, dass die einzelnen Parteien über Koalitionen ihre politischen Positionen verwässern müssen und damit ihre Wähler zu sehr enttäuschen (einen kritischen Blick auf das aktuell bestehende politische System finden Sie unter anderem im Buch „Demokratie statt Parteiendiktatur„).

Das, was wir heute erleben, ist wohl der Anfang vom Ende eines sich selbst überlebenden politischen Systems. Die AfD ist – wie vor Jahrzehnten die Grünen – gekommen um zu bleiben. Beim BSW stellt sich die Frage, ob es die Person Sahra Wagenknecht überdauern kann. Doch wer weiß – auf kommunaler Ebene spielen kleine lokale Listen bereits jetzt eine wachsende Rolle. Mit der Zeit könnte sich das auch auf die einzelnen Bundesländer ausweiten und solche Regional- und Lokalparteien unter Umständen über Direktmandate auch in den Bundestag einziehen.

Politische „Brandmauern“ gibt es in der Schweiz beispielsweise nicht. Egal, welche Partei einen Gesetzesvorschlag einbringt, die anderen Parteien stimmen entsprechend ihrer Linie entweder dafür oder dagegen – oder enthalten sich einfach ihrer Stimme. Und mehr noch – über ein solches Proporzsystem könnten Parteien wie die AfD oder das BSW ihre Regierungsfähigkeit unter Beweis stellen. Und ganz ehrlich: Viel schlimmer als die Grünen können die beiden Parteien doch wirklich nicht sein, oder?

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