Horst D. Deckert

Chinas nuklearer Kraftakt: Peking auf Kurs zu 1000 Atomsprengköpfen

Ein neuer Geheimdienstbericht der US-Defense Intelligence Agency (DIA) sorgt bei den westlichen Regierungen für Unbehagen. China befindet sich demnach in der größten nuklearen Aufrüstungsphase seiner Geschichte. Dabei übertreffen die Zahlen die Erwartungen deutlich.

Der am Mittwoch veröffentlichte 194-seitige DIA-Bericht „Nuclear Challenges 2024“ zeichnet ein eindringliches Bild der chinesischen Ambitionen. Während die Volksrepublik noch vor wenigen Jahren über ein vergleichsweise bescheidenes Atomwaffenarsenal verfügte, hat sich das Blatt dramatisch gewendet. Bereits jetzt verfügt Peking über mehr als 500 einsatzfähige Atomsprengköpfe – eine Zahl, die selbst frühere US-Prognosen aus dem Jahr 2018 deutlich übertrifft.

Besonders alarmierend ist die Geschwindigkeit dieser Entwicklung. Allein seit Januar 2023 hat China sein Arsenal um 90 Sprengköpfe aufgestockt. Der DIA-Bericht prognostiziert, dass die Volksrepublik bis 2030 die Schwelle von 1000 operativen Nuklearsprengköpfen überschreiten wird. Ein Großteil davon wird auf Systemen stationiert sein, die das kontinentale Gebiet der USA erreichen können.

Die strategische Ausrichtung Pekings geht jedoch über reine Zahlen hinaus. China entwickelt gezielt Sprengköpfe mit geringerer Sprengkraft, die als „proportionale Antwortoptionen“ dienen sollen – ein deutlicher Hinweis auf eine verfeinerte nukleare Doktrin. Die Modernisierung umfasst auch den Ausbau von Trägersystemen mittlerer Reichweite, wie die DF-26 Mittelstreckenraketen.

Im globalen Kontext bleiben die USA und Russland mit zusammen 8.088 Sprengköpfen die dominierenden Nuklearmächte. Doch während deren Arsenale seit Jahrzehnten weitgehend stabil sind, markiert Chinas rapide Aufrüstung eine historische Zäsur in der nuklearen Weltordnung. Bemerkenswert ist auch der breitere Trend: Neben China stocken auch Indien und Nordkorea ihre Arsenale auf. Die beiden europäischen Atommächte Frankreich und Großbritannien verfügen gemeinsam über 515 einsatzfähige Sprengköpfe – eine Zahl, die China in wenigen Jahren allein übertreffen wird.

Diese Entwicklung unterstreicht einen fundamentalen Wandel in der globalen Machtbalance. Während der Westen noch vom Ende des Kalten Krieges geprägt ist, schafft China neue nukleare Realitäten – eine Entwicklung, die das strategische Gleichgewicht des 21. Jahrhunderts nachhaltig prägen wird. Vor allem, wenn man im Kontext der neuen globalen Blockbildung bedenkt, dass die BRICS-Staaten Russland, China und Indien zusammen mehr als die Hälfte der global vorhandenen nuklearen Sprengköpfe besitzen.

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