Als die durchgesickerten „RKI-Akten“ am 23. Juli auf einer Pressekonferenz in Berlin enthüllt wurden, verkündete Aya Velazquez stolz, dass es sich bei den Dokumenten um die vollständigen, ungeschwärzten Protokolle der Covid-19-„Krisengruppe“ des RKI handelt. Velazquez fungierte dabei als Vermittlerin der undichten Stelle. Zuvor hatte das Robert-Koch-Institut, die deutsche Gesundheitsbehörde, die Protokolle nur in geschwärzter Form veröffentlicht.
Kritische deutschsprachige Beobachter stellten jedoch schnell fest, dass die „Aya“-Dateien tatsächlich nicht mit den offiziell freigegebenen Versionen identisch waren – und warfen damit gleichzeitig Fragen zur Authentizität des Leaks auf. In den „Aya“-Fassungen fehlten ganze Passagen aus den offiziellen Versionen.
Erstaunlich ist jedoch, dass nicht nur Passagen, sondern sogar das gesamte Protokoll eines Treffens in der „Aya“-Version fehlte – und zwar nicht das Protokoll irgendeines Treffens, sondern das Protokoll des allerersten Treffens der Krisengruppe, das in der offiziellen Version enthalten ist!
Wie hier auf der eigens für das Leck eingerichteten Website nachgeprüft werden kann, beginnen die Protokolle, die Aya Velazquez als PDFs in einem Zip-Ordner mit dem Titel „Minutes_all“ (Protokolle_gesamt) veröffentlicht hat, am 16. Januar. Wie hier bestätigt werden kann, beginnen die offiziellen Protokolle jedoch am 14. Januar. Der Ordner „Minutes_all“ enthält also tatsächlich nicht alle Protokolle!
Wo sind die fehlenden Protokolle?
Als Aya Velazquez auf die Diskrepanzen zwischen den offiziellen und ihren eigenen Versionen angesprochen wurde, erklärte sie, dass sie die veröffentlichten PDF-Dateien selbst aus Word-Dokumenten erstellt habe, die ihr von ihrer Quelle in teils mehreren Versionen zur Verfügung gestellt wurden. Velazquez, deren Name ein Pseudonym ist, bezeichnet sich derzeit als Journalistin, gab aber an, bis in jüngster Vergangenheit als Prostituierte tätig gewesen zu sein (siehe z. B. ihren Artikel hier). Bekannt wurde sie als Anti-Covid-Maßnahmen-Aktivistin, als sie noch in diesem Beruf arbeitete, und hat sich seither als Kommentatorin auf X eine größere Anhängerschaft aufgebaut.
Nachdem sie den Kritikern geantwortet hatte, stellte sie auch die Word-Dokumente mit den „Quelldateien“ auf die spezielle Website für das Leck. Es sei darauf hingewiesen, dass diese Quelldateien derzeit nicht leicht zugänglich sind und der Versuch, sie in Word zu öffnen, zu Fehlermeldungen wie der unten stehenden führt.
Gemäß dem Dateinamen (siehe oben) sind die frühesten Protokolle, die im Quellordner enthalten sind, jedoch ebenfalls die vom 16. Januar 2020.
Der Quelldateiordner enthält also auch nicht die fehlenden Protokolle. Wo ist das Protokoll der Sitzung der Krisengruppe vom 14. Januar?
Glücklicherweise findet man es bei einer Google-Suche mit dem Text der offiziellen Version: nämlich im „Zusatzmaterial“ (Zusatzmaterial), das ebenfalls auf der entsprechenden Website veröffentlicht wurde – und das nach den Erfahrungen dieses Autors von der Website aus ebenfalls nur sehr schwer (wenn auch nicht unmöglich) zugänglich ist.
Das Dokument ist in der Tat sehr aufschlussreich. Es zeigt, dass das Robert-Koch-Institut von Beginn der Covid-19-„Krise“ an eine direkte und höchst relevante Verbindung zu Wuhan hatte, denn ein Mitarbeiter des RKI stammte nicht nur aus Wuhan, sondern war sogar ein Spezialist für Atemwegserkrankungen!
Viele Beobachter der „RKI-Akten“-Saga – insbesondere diejenigen, die kein Deutsch lesen und die Entwicklung nicht in Echtzeit verfolgen konnten – werden den Eindruck haben, dass die bisher veröffentlichten offiziellen Versionen stark geschwärzt wurden. Dies ist nicht der Fall. Während die ersten Fassungen der Dokumente, die der Journalist Paul Schreyer auf eine FOI-Anfrage hin erhalten hat, stärker geschwärzt waren, sind in den Ende Mai auf der RKI-Website veröffentlichten Fassungen außer der Schwärzung von Namen nur sehr wenige Schwärzungen erhalten geblieben. Längere Schwärzungen, d.h. von Textpassagen, sind in den offiziellen Dokumenten nur selten zu finden.
Abgesehen von den Namen – und wie es der Zufall so will, taucht der eines Christian Drosten prominent und häufig auf – bestand das ganze Interesse des „Aya“-Leaks also darin, herauszufinden, was sich hinter diesen letzten verbliebenen Textredaktionen verbarg.
Das Protokoll vom 14. Januar enthält eine solche Schwärzung, wie im Folgenden aus der offiziellen Veröffentlichung ersichtlich wird.
Die Passage lautet: „…und liest regelmäßig die in China in Mandarin veröffentlichten Texte und gibt die Informationen weiter.“ Die im „ergänzenden Material“ enthaltene Datei – die jedoch aus irgendeinem Grund von Aya Velazquez nicht in das angeblich „vollständige“ Protokoll aufgenommen wurde – verrät, was unter dieser Schwärzung stand, wie unten zu sehen ist.
Der vollständige Satz lautet (meine Hervorhebung): „Eine [weibliche] Kollegin in FG36 kommt aus Wuhan und liest regelmäßig die in China veröffentlichten Texte in Mandarin und gibt die Informationen weiter.“ FG36 ist die Abteilung für Atemwegsinfektionen des Instituts.
Warum wurde diese Information in der offiziellen Mitteilung geschwärzt? Man beachte, dass der Name des Mitarbeiters in der geschwärzten Passage nicht genannt wird.
Liegt es daran, dass dieser unglaubliche Zufall die Aufmerksamkeit auf die vielfältigen und engen deutschen Verbindungen zur Virologie-Szene in Wuhan gelenkt haben könnte, die ich u.a. in meiner „The Greatest Story Never Told“ dokumentiert habe? Zu diesen Verbindungen gehören, wie ich gezeigt habe, eine jahrzehntelange öffentlich geförderte Forschungspartnerschaft und ein vollwertiges deutsch-chinesisches Labor direkt in der Stadt.
Wie ich in meinem Artikel „The Smoking Gun in Wuhan“ gezeigt habe, finanzierte Deutschland sogar ein Forschungsprojekt an keinem Geringeren als dem Wuhan Institute of Virology, bei dem es um Gentechnik und genau jene Teile des Humanen Immundefizienz-Virus ging, die sich als die mysteriösen „HIV-Inserts“ in SARS-CoV-2 entpuppen sollten. Liegt es daran, dass der Zufall angesichts dieser Zusammenhänge in Wirklichkeit kein Zufall ist?
Warum wurde vor allem dieses Dokument nicht in das „vollständige“, ungeschwärzte Protokoll von Aya Velazquez aufgenommen? Deutet dies auf eine gewisse Rücksichtnahme – sei es seitens der Quelle oder des Empfängers der undichten Stelle – auf den Wunsch des RKI hin, die Aufmerksamkeit nicht auf die Achse Berlin-Wuhan zu lenken?
Die Tatsache, dass das Leck die Protokolle von drei Sitzungen nicht enthält, die auch in der offiziellen Veröffentlichung fehlen, hat unter deutschsprachigen Beobachtern bereits einige Augenbrauen aufgeworfen und könnte ebenfalls als Zeichen der Rücksichtnahme gedeutet werden. Diese Protokolle (die vom 6. und 8. Januar sowie vom 9. Mai 2020) sind nicht einmal im „ergänzenden Material“ zu finden.
Das unten stehende Gruppenfoto von einem „Sino-German Symposium on Infectious Diseases“ 2015 in Berlin veranschaulicht die engen Beziehungen zwischen deutschen und chinesischen Virologiekreisen.
Christian Drosten, Leiter der Abteilung Virologie an der Berliner Charité und Entwickler des „Goldstandard“-SARS-CoV-2-PCR-Tests, ist in der unteren linken Ecke neben keinem Geringeren als Shi Zhengli zu sehen, dem weltweit anerkannten Fledermaus-Coronavirus-Spezialisten des Wuhan Institute of Virology. Der zähnefletschende Chinese mit der Brille unten rechts ist der damalige Direktor des WIV, Chen Xinwen. Die Frau mit den langen Haaren rechts von Shi scheint Wang Yanyi zu sein, die derzeitige Direktorin der WIV.
Der ehemalige Präsident des Robert-Koch-Instituts, Reinhard Burger, war ebenfalls anwesend. Er ist der weißhaarige Mann mit dem blauen Hemd in der Mitte der Gruppe.
Das Bild wurde in der Kaiserin-Friedrich-Stiftung am Robert-Koch-Platz 7 (sic!) aufgenommen, gleich um die Ecke von dem Gebäude, in dem Drosten die virologische Abteilung auf dem Campus der Charité untergebracht hat. Das Robert-Koch-Institut ist etwa eine Viertelstunde Autofahrt vom Campus entfernt. Bei der RKI-Mitarbeiterin aus Wuhan handelt es sich übrigens vermutlich um Wei Cai, die im September 2021 in Medizin an der Charité promoviert hat. Siehe ihre Dissertation hier und den Auszug aus dem Titelblatt unten.
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Robert Kogon ist das Pseudonym eines weitverbreiteten Journalisten, der über europäische Angelegenheiten berichtet. Abonnieren Sie seinen Substack hier.