Horst D. Deckert

VW: Organisierte Zerstörung

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VW: Organisierte Zerstörung

Der Kahlschlag bei VW nimmt historische Ausmaße an. Mittlerweile sollen mindestens drei Werke geschlossen werden. Die Versäumnisse liegen nicht nur beim Management, sondern vor allem auch bei der rot-grünen Landespolitik und den mächtigen Gewerkschaften.

von Boris Cherny

Bei Europas größtem Autobauer Volkswagen verschlimmert sich die Situation zunehmend. Anfang September hieß es noch aus dem Konzern, dass man zwei Werke zu viel betreibe. Bereits jetzt spricht der Betriebsrat von mindestens drei Werken, die in Deutschland schließen sollen. Die Lage wird sich wohl noch weiter verschlechtern. Zehntausende Jobs sollen wegfallen, mindestens 15 Prozent der Belegschaft sollen gehen. Keines der zehn deutschen Werke wird von den Auswirkungen des Kahlschlags verschont bleiben. Auch die, die ihre Arbeit behalten können, werden Gehaltseinbußen hinnehmen müssen.

Kurzum, das Sparprogramm von Volkswagen ist historisch. Über mehrere Jahrzehnte hinweg galt ein Arbeitsplatz bei Volkswagen als besonders sicher, auch dank der mittlerweile aufgekündigten Jobgarantie. Noch nie mussten in Deutschland Werke schließen oder eine so große Zahl an Stellen abgebaut werden. Der Autohersteller symbolisierte auf eine Art den deutschen Traum. Volkswagen war das Aushängeschild der einst stolzen Automobilindustrie; der Konzern exportierte seine Autos in die ganze Welt. Doch bereits seit Längerem bröckelt das Fundament von VW.

In den letzten Jahren hat Volkswagen einen riesigen Schuldenberg aufgebaut. Aufgrund der Energiewende ist man auf ständig neue Investitionen angewiesen. Gleichzeitig waren die Lohnkosten viel zu hoch. Dabei erzwang die IG Metall immer wieder höhere Tarifverträge. Auch die aufgrund der Energiewende gestiegenen Energiepreise machten die Autoproduktion in Deutschland zunehmend unattraktiv. Trotzdem hielt die Politik, erst unter Führung der CDU, später unter der SPD und den Grünen, an der Energiewende fest. Auch das Verbrennerverbot und andere Beschränkungen werden Volkswagen schon bald sein Kerngeschäft nehmen.

Unterdessen beweint man in der Politik den Abstieg Volkswagens. Bei SPD und Grünen stellte man sich gegen die Werksschließungen. Die scheidende Parteivorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, kritisierte unterdessen auf X (ehemals Twitter), dass die Krise bei Volkswagen auf dem „Rücken der Beschäftigten“ ausgetragen werde. Es brauche „auch eine Konzernspitze, die Verantwortung für Mitarbeiter übernimmt“, schrieb sie in ihrer Stellungnahme auf der sozialen Plattform. Dabei haben Grüne und SPD in den letzten Jahren selbst massiv zu der heutigen Krise Volkswagens beigetragen.

Doch die Probleme bei Volkswagen gehen noch tiefer als der bisherige Kurs der Bundespolitik:. Gewerkschafter stellen die Hälfte des 20-köpfigen Aufsichtsrats. Zusätzlich sitzen immer zwei Vertreter der aktuellen Landesregierung im entscheidenden Unternehmensgremium. Die Arbeitnehmer genießen deshalb seit Jahren besondere Privilegien im Vergleich zu Beschäftigten in anderen Unternehmen. Beispielsweise hatten Beschäftigte bisher bessere Konditionen zur Altersteilzeit und vorgezogene Einmalzahlungen als Boni. Gleichzeitig liefen alle deutschen Werke weit unter ihrer maximalen Auslastung.

Die sprichwörtlichen Extrawürste der Arbeitnehmer führten zu einem sich immer weiter aufblähenden Personaletat; zuletzt betrug er 12,4 Milliarden Euro pro Jahr und damit 14 Prozent des Jahresumsatzes. Das hatte zur Folge, dass VW deutlich ineffizienter arbeitete als andere Autobauer. Berechnungen des Auto-Insiders Philipp Raasch zeigen das Ausmaß.

Der Premium-Autohersteller Porsche erzielt beispielsweise pro Mitarbeiter einen jährlichen Gewinn von etwa 251.000 Euro. Bei asiatischen Autobauern, wie Kia und Toyota, liegt der Wert noch bei rund 166.000 Euro bzw. 82.000 Euro. Selbst andere deutsche Hersteller, wie Mercedes, erwirtschaften pro Mitarbeiter einen Gewinn von über 67.000 Euro. Weit abgeschlagen macht Volkswagen mit jedem Beschäftigten jährlich nur 23.000 Euro Gewinn.

Jahrelang verhinderte man im Aufsichtsrat Reformen des Konzerns. Als der ehemalige Konzernchef Herbert Diess ein Sparprogramm auferlegen wollte, blockierte man das von Arbeitnehmerseite. Das Management, dem heute durch die Politik Fehler vorgeworfen werden, wurde durch den von der Politik und Gewerkschaften kontrollierten Aufsichtsrat bestimmt. Nur dank der guten Stellung im Aufsichtsrat konnten sich all die Arbeitnehmer-Boni durchsetzen.

Trotz der offensichtlichen Probleme kündigten Betriebsrat und Gewerkschafter auch jetzt erbitterten Widerstand gegen die Sparmaßnahmen an. Nun, wo es um die Verhandlung eines neuen Haustarifs für die westdeutschen Werke geht, fordert man immer noch sieben Prozent Gehaltserhöhung innerhalb von zwölf Monaten. Die dringend notwendigen Reformen werden so schwer durchzusetzen sein.

Auch die Landespolitik trägt zumindest teilweise die Verantwortung für die Misere. Mit seinen zwei Vertretern im Aufsichtsrat besitzt man erhebliche Macht im Konzern. Neben dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil sitzt dort die grüne Kultusministerin des Landes, Julia Willie Hamburg. Diese besitzt nicht einmal ein Auto und forderte von Volkswagen einst, dass das Unternehmen sich „stärker als Mobilitätsdienstleister“ verstehen „und nicht nur auf Individualverkehr“ setzen sollte.

Bereits kurz nach ihrer Berufung in den Aufsichtsrat wurde Hamburg auf einer Aktionärsversammlung scharf kritisiert. Damals warfen ihr viele Aktionäre Inkompetenz und fehlende Qualifikation vor. Hamburg besitzt kein abgeschlossenes Studium und zog schon mit 27 Jahren in den niedersächsischen Landtag ein und arbeitet seitdem als Karrierepolitikerin. Angesichts all dem kommt der Kahlschlag bei VW also wenig überraschend.


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