Von ELENA FRITZ | In einer bemerkenswerten politischen Kehrtwende hat der georgische Premierminister Irakli Kobachidse bekannt gegeben, dass sein Land bis 2028 keine Beitrittsgespräche mit der Europäischen Union aufnehmen und auf EU-Zuschüsse verzichten wird. Diese Ankündigung erfolgte nach einem Treffen der Führungsriege der Regierungspartei „Georgischer Traum“ mit der Parlamentsmehrheit und Mitgliedern der Regierung. Am Tag zuvor hatte das Parlament das Kabinett unter Kobachidse bestätigt.
Kobachidse begründete diesen Schritt damit, dass die EU-Frage als „Instrument zur Erpressung Georgiens“ verwendet werde. Gleichzeitig betonte er, dass Georgien bis Ende 2028 wirtschaftlich bereit sein werde, Beitrittsverhandlungen aufzunehmen – ein Ziel, das nach Ansicht der Regierung aus eigenen Mitteln und ohne finanzielle Unterstützung der EU erreicht werden soll. Kobachidse stellte klar: „Wir wollen nicht als Bittsteller der EU beitreten.“
Selbstbestimmung statt Abhängigkeit
Die Entscheidung ist ein Signal an Brüssel und ein klares Statement der georgischen Regierung für nationale Selbstbestimmung. Georgien erklärt, die im Assoziierungsabkommen von 2014 festgelegten Verpflichtungen weiterhin zu erfüllen – allerdings ohne Abhängigkeit von EU-Geldern. Bis 2028 will das Land 90 Prozent dieser Verpflichtungen umsetzen und seine wirtschaftliche Stabilität eigenständig sichern.
Doch dieser Schritt kommt nicht ohne Konflikte. Das Europäische Parlament hat in einer kürzlich verabschiedeten Resolution die georgischen Wahlen als undemokratisch bezeichnet und forderte Sanktionen gegen führende Vertreter der Regierungspartei, darunter Kobachidse selbst. Auch wurde eine Überprüfung des visafreien Reiseverkehrs mit Georgien angeregt. Zusätzlich kritisiert die EU mehrere neue Gesetze, die sie als Einschränkung demokratischer Werte ansieht.
Proteste und geopolitische Spannungen
Die Entscheidung der Regierung hat die Opposition mobilisiert. In Tiflis und anderen Städten fanden Proteste statt, angeführt von der pro-westlichen Opposition und Präsidentin Salome Surabischwili. Sie beschuldigt die Regierung eines „verfassungswidrigen Putsches“ und behauptet, Georgien wende sich von Europa ab und hin zu Russland. Surabischwili, deren Amtszeit bald endet, solidarisierte sich mit den Demonstranten und versuchte sogar, Sicherheitskräfte auf ihre Seite zu ziehen. Dabei stilisierte sie sich als letzte legitime Vertreterin des georgischen Volkes.
Die Regierung weist diese Vorwürfe entschieden zurück. Sie sieht die Proteste als Teil einer gezielten Kampagne westlicher Akteure, um die politische Stabilität des Landes zu untergraben. Trotz der Unruhen bleibt die Regierungspartei „Georgischer Traum“ bisher standhaft und scheint entschlossen, ihren Kurs fortzusetzen.
Geopolitische Implikationen
Der Konflikt in Georgien wirft grundlegende Fragen zur Rolle der EU in der Region auf. Die Kritik an Brüssels Vorgehen ist nicht neu: Die Nutzung von Beitrittsfragen als politisches Druckmittel stößt zunehmend auf Widerstand – nicht nur in Georgien, sondern auch in anderen Staaten der östlichen Partnerschaft. Tiflis wirft der EU vor, durch Manipulation und Spaltung gesellschaftlicher Kräfte langfristig Schaden anzurichten.
Gleichzeitig könnte Georgiens Schritt auch als taktische Neuorientierung verstanden werden. Das Land signalisiert einerseits Eigenständigkeit, andererseits bleibt die Euro-Integration als langfristiges Ziel bestehen. Diese Balance zwischen westlicher Integration und nationalen Interessen dürfte auch künftig die georgische Außenpolitik bestimmen.
Ein Balanceakt zwischen Ost und West
Georgiens Entscheidung verdeutlicht den Balanceakt zwischen westlicher Integration und nationaler Souveränität – ein Thema, das für viele Staaten im postsowjetischen Raum zunehmend relevant wird. Die Regierung scheint entschlossen, ihren eigenen Weg zu gehen und sich von äußeren Einflüssen unabhängig zu machen.
Ob dieser Kurs erfolgreich sein wird, hängt jedoch nicht nur von der inneren Stabilität des Landes ab, sondern auch davon, wie die EU und andere internationale Akteure auf diesen Paradigmenwechsel reagieren.
Die kommenden Jahre werden zeigen, ob Georgien als Beispiel für nationale Selbstbestimmung in einem komplexen geopolitischen Umfeld bestehen kann oder ob die Spannungen mit Brüssel das Land weiter destabilisieren werden. Fest steht: Tiflis hat mit dieser Entscheidung ein starkes Signal gesendet – an Brüssel, aber auch an seine eigene Bevölkerung.
PI-NEWS-Autorin Elena Fritz, geboren am 3.10.1986, ist vor 24 Jahren als Russlanddeutsche nach Deutschland gekommen. Nach ihrem Abitur hat sie Rechtswissenschaften an der Universität Regensburg studiert und erfolgreich mit einem Diplom abgeschlossen. Seit 2018 engagiert sie sich in der AfD, war von 2019 bis 2021 im bayerischen Landesvorstand tätig und kandidierte 2021 als Direktkandidatin für den Bundestag. Sie ist stolze Mutter eines dreijährigen Jungen. Hier gehts zum Telegram-Kanal von Elena Fritz.