DARPA plant den kollektiven Gedankenleser: MAGICS als Vorstufe zum digitalen Präventivstaat?
Die US-Forschungsbehörde DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency) hat ein neues Projekt gestartet, das viele Beobachter erschaudern lässt: Unter dem Namen „MAGICS“ (Methodological Advancements for Generalizable Insights into Complex Systems) soll nichts Geringeres als ein Paradigmenwechsel in der Vorhersage kollektiven menschlichen Verhaltens erreicht werden. Das Ziel: Modelle zu entwickeln, die nicht nur verstehen, sondern auch prognostizieren können, wie sich Gesellschaften bewegen, reagieren – oder rebellieren.
Dabei geht es nicht um militärische Gegner oder Extremisten. DARPA spricht explizit von der Analyse „komplexer sozialer Phänomene“ und „kollektiven menschlichen Verhaltens“. Beobachtet werden also wir alle. Und das mit einer Genauigkeit, die aktuelle Methoden wie Machine Learning und Social Media Tracking weit übertreffen soll.
Was ist neu an MAGICS?
MAGICS soll die Grenzen bestehender Prognosetools sprengen. Während klassische Datenanalysen an unvollständigen Datensätzen, unklaren Zusammenhängen und fehlender Kontextualisierung scheitern, will DARPA neue theoretische und technische Werkzeuge schaffen. Es geht um nichts weniger als die „Generalprognosegesellschaft“.
Im Fokus stehen fünf Kernbereiche:
- Dateninferenzgrenzen: Was kann man überhaupt zuverlässig aus Daten herauslesen?
- Validierungsprobleme: Wie stimmen messbare Indikatoren mit dem „wahren“ inneren Zustand von Menschen und Gruppen überein?
- Modellverfall: Wie verändern sich soziale Systeme – und wie passt man die Modelle daran an?
- Psychosoziale Blindstellen: Bisherige Modelle versagen oft an der psychologischen Komplexität.
- Komplexe Phänomene: Wie modelliert man Systeme, die sich durch die Beobachtung selbst verändern?
Von der Terrorjagd zur Verhaltenssteuerung der Masse?
DARPA ist kein Neuling auf dem Feld der Bevölkerungskontrolle. Bereits nach 9/11 wurde mit dem berüchtigten „Total Information Awareness“ (TIA)-Programm versucht, durch totale Datenüberwachung Terroristen zu entlarven, bevor sie zuschlugen. Nun scheint man eine Schicht tiefer vorzudringen: in die Welt der öffentlichen Meinung, der Protestbewegungen, der sozialen Dynamik.
Dass diese Systeme später oft ihren Weg in zivile Bereiche finden, zeigt die Geschichte: Internet, GPS und sogar Sprachassistenten wie Siri oder Alexa entstanden aus DARPA-Programmen. Könnte also MAGICS in einigen Jahren zum Werkzeug für Versicherungen, Polizeibehörden, Konzerne oder politische Entscheidungsträger werden, um Verhalten gezielt zu lenken, zu formen – oder zu verhindern?
Pre-Crime 2.0?
Die Ähnlichkeit zu Science-Fiction-Szenarien wie „Minority Report“ ist frappierend. „Vor dem Verbrechen“ ist längst mehr als ein Filmkonzept. Die Öffnung hin zu nicht-adversarialer Bevölkerungsüberwachung – also der Beobachtung der eigenen Bürger ohne konkreten Verdacht – wird durch MAGICS legitimiert.
Und während noch kein Projektleiter benannt ist, liegt die Vermutung nahe, dass Eric Davis, der bereits das verwandte DARPA-Programm „Kallisti“ (Theory of Mind) leitete, auch hier eine Schlüsselrolle spielen könnte. Kallisti hatte sich die algorithmische Simulation fremder Denkprozesse zum Ziel gesetzt.
Fazit: Der digitale Leviathan rückt näher
Was nach ambitionierter Sozialforschung klingt, könnte sich in Zukunft als Fundament für eine nie dagewesene Verhaltensüberwachung entpuppen. Die entscheidende Frage bleibt: Wer kontrolliert den kollektiven Gedankenleser, wenn er einmal funktioniert? Und wie lässt sich verhindern, dass ein System zur Vorhersage kollektiven Verhaltens nicht zum Instrument zur Steuerung ebendieses Verhaltens wird?