Horst D. Deckert

Moskau und Peking einig: „Freund und Feind erkennt man im Krieg!“

China und Russland stehen Rücken an Rücken

 

Von JURY TAVROVSKY | Die Krise in der Ukraine ist das unvermeidliche Ergebnis des Kalten Krieges des Westens gegen Russland. Das unausweichliche Ergebnis des Kalten Krieges des Westens gegen China könnte schon bald die Taiwan-Krise sein.

Der Kalte Krieg gegen China war unter der Präsidentschaft von Donald Trump voll entbrannt. Die US-Administration hatte im Juli 2018 einen Handelskrieg vom Zaun gebrochen und ging auch offensiv gegen chinesische Hightech-Unternehmen, wie Huawei oder ZTE vor. Weiters wurden Chinesen aus Labors und Universitäten in den USA ausgeschlossen. Das Aufwiegeln von Separatisten in Hongkong und Xinjiang so wie Waffenlieferungen nach Taiwan nahmen zu. Die weltweite Anti-China-Propagandakampagne wurde im Zuge der Corona-Pandemie zur Spitze getrieben. Zum Ende der Amtszeit von Trump im Jahr 2021 wurde China als eine der Hauptgefahren gegenüber der wirtschaftlichen und militärischen US-Hegemoniestellung hingestellt. Es war der Zeitpunkt, als neben der „russischen Front“ die zweite globale Front des Kalten Krieges, die der „chinesischen Front“, hinzutrat.

Mit dem Amtsantritt von Präsident Joe Biden erhielt der Kalte Krieg eine neue Dimension mit ideologischer Bedeutung. Die Demokratische Partei pflegt der Durchsetzung „amerikanischer Werte“ traditionell den Vorrang vor Wirtschaftsinteressen einzuräumen. Der Kampf gegen die Kommunistische Partei Chinas, die das Land erfolgreich auf den Pfad eines „Sozialismus mit chinesischen Charakteristiken“ führte, droht auf die Prediger eines „Kapitalismus mit amerikanischen Charakteristiken“ zu stossen. In Peking wurde der von den USA veranstaltete »Gipfel für Demokratie« Ende des Jahres 2021 nicht ohne Grund mit einem Kreuzzug verglichen. Der Hass auf Rotchina nimmt tatsächlich Züge eines Religionskrieges an. Washington beschleunigt die Einkreisung des Reichs der Mitte durch den Einsatz von NATO-Kräften, die Schaffung neuer strategischer Strukturen wie Qwad (quatrilateraler Sicherheitsdialog zwischen USA, Australien, Indien und Japan) und AUKUS (trilaterales Militärbündnis zwischen Australien, UK und USA) oder die Aktivierung von Militärverträgen mit Japan, Südkorea und Australien. Die Amerikaner haben Taiwan zum Hauptbestandteil der „chinesischen Front“ erhoben.

Bis vor wenigen Wochen war es schwer abzusehen, an welcher der beiden Fronten des Kalten Krieges die heiße Phase beginnen würde. Russland hatte erkannt, gegen die Zeit zu arbeiten und einen „Gegenschlag“ gegen ein sich zusammenbrauendes NATO-Feuerwerk gerichtet. Die Anerkennung der Republiken Donezk und Luhansk war der Anlass, aber keineswegs die Ursache. Ähnlich könnte sich die Situation an der „chinesischen Front“ entwickeln, ausgehend von einer Anerkennung der „Souveränität“ Taiwans durch die Vereinigten Staaten. Dieser Schritt wurde durch Resolutionen des Kongresses vorbereitet, flankiert durch die unermüdliche Arbeit des US-Außenministeriums, Pentagons und durch gesamte Logik der Unterstützung separatistischer Kräfte auf Taiwan.

In Taiwan arbeitet die Zeit gegen China. Eine ganze Generation wurde mit einer „taiwanesischen Identität“ gemäss offizieller Propaganda gegen die Wiedervereinigung mit der VR China grossgezogen. Die militärischen Fähigkeiten des Landes sind rasch angewachsen – nicht nur durch US-Waffenlieferungen im Wert vieler Milliarden US-Dollar: Neben Patriot-Raketensystemen, Panzern und Kriegsschiffen erhält das Land demnächst 66 F‑16-Kampfjets der neuesten Generation. Taiwan hat mit der Massenproduktion eigener Marschflugkörper mit einer Reichweite von 1.500 Kilometern begonnen, die Ziele tief im chinesischen Staatsgebiet treffen könnten.

Anders als der Politneuling Selenskyj scheint die taiwanesische Regierungschefin Tsai Ing-wen zielbewusster und droht nicht mit dem Bau eigener Atomwaffen: Entweder hat sie diese schon oder wird sie bald haben. „Erstens haben wir keine Atomwaffen, und zweitens werden wir sie, wenn nötig, einsetzen“, sagte die israelische Premierministerin Golda Meir in ähnlicher Situation.

Die Entwicklung der taiwanesischen Atombombe begann 1961 und wurde 1976 auf amerikanischen Druck hin in einer fortgeschrittenen Phase gestoppt. Nachdem die Amerikaner jedoch 1978 ihren Verbündeten verraten hatten, um strategische Beziehungen zur VR China aufzubauen, ordnete der damalige taiwanesische Präsident Chiang Ching-guo an, die Arbeiten im Geheimen fortzusetzen.

Nun sprechen einige taiwanesische Experten vom Beispiel der „verführten und verlassenen“ Ukraine und der Unzuverlässigkeit Washingtons. Andere diskutieren über die Notwendigkeit einer „offiziellen“ Atombombe. Der Politikwissenschaftler Chen Shih-min von der Nationalen Universität schrieb darüber in einer Stellungnahme in der englischsprachigen Taipei Times. Es handelt sich höchstwahrscheinlich dabei um kein irrtümliches Leck.

Auch Peking studiert sorgfältig die Reaktion Amerikas im Zuge die Ereignisse in der Ukraine. Die Reaktion der USA gleicht der eines Geldverleihers – nicht der eines Kriegers. Die Amerikaner wagen es nicht, selbst in einen umfassenden Krieg gegen Russland oder China einzutreten. „Nukleare Schutzschilde“ sind eine ernste Sache. Für Landoperationen in Europa scheinen amerikanische Truppen zu dürftig, auch wenn „Infanterie“ aus NATO- und Vasallengebieten hinzukäme. Es handelt sich auch nicht um Operationen auf chinesischem Boden. Der Pentagon mag sich erinnern, wie im Koreakrieg (1950–53) Chinesen in wattierter Kleidung und mit Maschinenpistolen erfolgreich amerikanischen Panzerregimentern Widerstand leisteten. Doch Taipeh über Ausrufung ihrer „Unabhängigkei“» auf den Kriegspfad zu treiben, scheint für einige US-Strategen durchaus vorstellbar.

Sollen doch die Chinesen Chinesen töten, so wie die Russen Russen töten. Sollen doch Sanktionen den unaufhaltsamen Aufstieg der chinesischen Wirtschaft ebenso verlangsamen wie den der russische Wirtschaft, die gerade dabei war, sich zu erholen. Sollen doch die liberalen Medien das Provokationsopfer Peking der Aggression beschuldigen, wie zuvor Moskau, das schon seit acht Jahren blutige Provokationen hinzunehmen hatte. Anmerkung der Redaktion: 14.000 Tote im Gebiet des Donbass seit dem Putsch in Kiew im Jahr 2014.

Einige Experten in Peking könnten versucht sein anzunehmen, dass sich Amerika ggf. in einem Kalten Krieg enlang der „russischen Front“ verzetteln könnte, um für länger so Druck von China zu nehmen. „Infolge der veränderten geopolitischen Lage in der Ukraine wird Amerika in Zukunft mehr Ressourcen nach Europa als in den asiatisch-pazifischen Raum investieren“, schrieb Professor Li Haidong in der Global Times. – Zumindest für die nächsten Jahre werden die USA gezwungen sein, sich auf Europa zu konzentrieren, und ihre indo-pazifische Strategie wird zu einem leeren Schlagwort verkommen. Weiter über diese Strategie zu sprechen, würde zu einem weiteren Zusammenbruch führen, ähnlich wie in Afghanistan. Es ist unwahrscheinlich, dass die amerikanischen Eliten dies übersehen könnten.

Der Standpunkt gegen China scheint historisch begründet. Zu Jahrhundertbeginn klagte Präsident George W. Bush bei seinem Amtsantritt über seinen Vorgänger Bill Clinton, welcher zu «weich» gegenüber China gewesen wäre, welches er als „strategischen Konkurrenten“ qualifizierte. Der Anschlag auf die beiden Bürotürme in New York, der die Prioritäten der US-Politik für viele Jahre verschob, hinderte die USA damals ihren Worten Taten folgen zu lassen.

Aber es gibt noch eine andere Deutung. Angesichts der russischen Antwort auf den „US-Drang nach Osten“ könnten die Amerikaner versucht sein, ihre Verbündeten in Europa mit den Konsequenzen allein zu lassen: Die Ukraine gilt bereits als verspielte Karte und wird einfach aus dem Spiel genommen. Aber es verbleiben noch einige Trümpfe in den restlichen Karten, und das Ass heisst Taiwan. Die Strategen in Washington könnten einen unwiderstehlichen Drang verspüren, ein neues Spiel zu entfachen, und die neuen Trümpfe dann auszuspielen.

In den Hauptquartieren der „russischen Front“ und „chinesischen Front“ werden die simplen Pläne der amerikanischen Strategen immer deutlicher. Die Kombinationen und Entwicklung einer gemeinsamen Gegenstrategie wurden höchstwahrscheinlich von den Präsidenten und Oberbefehlshabern von Russland und China bei ihrem Treffen am 4. Februar in Peking weiter aufgenommen. Auch nach dem Beginn der Operation in der Ukraine, am 25. Februar, gab es einen weiteren „Strategieabgleich“: Es kam zu einem anderthalbstündigen Gespräch über sichere Kommunikationskanäle.

Moskau und Peking zeigen gegenseitiges Verständnis für die reale Situation des strategischen Partners. Der Tenor der chinesischen Diplomatie und einflussreicher Medien ist positiv. Russische Diplomaten drängen ihre Kollegen auch nicht zu unüberlegten Äußerungen. Provokante Klagen über die vermeintlich „mangelnde Unterstützung“ des russischen Handelns von den erklärten Gegnern der Allianz mit Peking durch sogenannte sachkundige Experten in den Medien kann nur belächelt werden.

China und Russland, stehen an den beiden Fronten desselben Kalten Krieges Rücken an Rücken!

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