Horst D. Deckert

«Wir möchten lieber zu Europa als zu Russland gehören»

Als Elena Ende Februar mit ihrer Freundin in Kiew telefonierte, hörte sie das Einschlagen von Bomben im Hintergrund. Elena, die nicht mit ihrem richtigen Namen genannt werden möchte, lebt seit sieben Jahren in Südspanien und arbeitet dort als Reinigungskraft. Den Krieg verfolgt sie vorwiegend über Nachrichtenkanäle auf Telegram. Über ihre Mutter muss sie sich wenig Sorgen machen, denn diese lebt rund 900 Kilometer vom Kriegsgeschehen entfernt nahe der rumänischen Grenze.

«Immer wieder erreichen mich Fotos von toten Kindern. Das macht mich sehr wütend», sagt Elena, die selbst eine 15-jährige Tochter hat. Es mache sie auch wütend zu erfahren, dass die Häuser der Flüchtenden geplündert werden.

In Spanien seien bereits rund 80’000 Ukrainer angekommen, gibt Elena Auskunft. Hier erhielten sie Hilfe vom Roten Kreuz und eine Aufenthaltsgenehmigung, die je nach Situation in der Ukraine, bis zu drei Jahre verlängert werden kann.

«Putin will uns unsere Freiheit nehmen und vermeiden, dass wir der NATO beitreten», echauffiert sich Elena. «Er spielt sich auf wie ein König, diesen Dummkopf müssen wir aufhalten.» Die Ukrainer hielten nun stärker zusammen als vorher. «Wir wollen lieber zu Europa als zu Russland gehören.»

Vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hätten viele erwartet, dass er sich nach dem Kriegsausbruch aus dem Staub machen würde, so wie ein Grossteil der ukrainischen Politiker, sagt Elena. Sie habe vorher aufgrund seiner korrupten Machenschaften keine grossen Stücke auf Selenskyj gehalten, nun habe er jedoch bewiesen, dass er zu den Ukrainern halte.

«Auf dem Donbass gibt es viele Ukrainer, die bis jetzt nur Russisch gesprochen haben. Nun wollen viele von ihnen Ukrainisch lernen», sagt Elena. «Ich weigere mich, in Zukunft auch nur ein Wort Russisch zu sprechen. Wer mich nicht versteht, hat Pech gehabt.»

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