Horst D. Deckert

Abgehobene SPD-Heuchelei: Rote Feudalisten

Lifestyle-Linke Katarina Barley hat Spartips für Geringverdiener (Foto:Imago)

Was von anderthalb Jahrhunderten einst stolzer deutscher Sozialdemokratie übriggeblieben ist, welche mediokre, abstoßende und entrückte Arroganz unter SPD-Apparatschiks der Gegenwart vorherrscht und mit welcher Kaltschnäuzigkeit sich ihre Parteibonzen übers gemeine Volk erheben, lässt inzwischen ganze Batterien verblichener Vorkämpfer sozialer Gerechtigkeit von Lassalle über Bebel und Schumacher bis Brandt in ihren Gräbern rotieren. Die Partei der „Spitzenverdiener auf Staatskosten“ hat jede Bodenhaftung, jede Empathie für die Nöte ihrer einstigen Schwerpunktklientel verloren – die „kleinen Leute“ und die Arbeiterschaft. Diese Selbstentfremdung wurde schon vor 20 Jahren, am Vorabend der Hartz-Reformen im Zuge der Agenda 2010, ihrem letzten Kanzler Gerhard Schröder (alias „Genosse der Bosse“) angelastet und war einer der Gründe für die Abspaltung der WASG bzw. des späteren Erstarken der Linkspartei. Inzwischen jedoch sind die Spitzengenossen schon viel weiter: Sie machen überhaupt keinen Hehl mehr aus ihrer Abscheu für die Gosse, für Geringverdiener und die abgehängten Milieus, die ehemals die sozialdemokratische Herzkammer bildeten.

In der „modernen“ SPD haben heute Zivilversager das Sagen: jene, die es in der freien Wirtschaft nie zu etwas gebracht haben oder gebracht hätten, hätten sie nicht frühzeitig den Weg des Safe Play als vollalimentierte Berufspolitiker eingeschlagen – Studienabbrecher wie Kevin Kühnert lassen grüßen – oder akademische Schwurbler der brotlosen Künste, Gewerkschaftsfunktionäre und „Aktivisten“. Die eigene Parteikarriere und errungene Ämter betrachten sie als respektable Lebensleistung, und sie bilden sich ernsthaft ein, ihre Überprivilegierung dank Transfereinkommen auf Gemeinschaftskosten stelle ihr „Verdienst“ im Wortsinne dar. Deswegen empfinden etliche Parvenüs der „Selbstversorger-Partei Deutschlands“ keinerlei Scham dabei (und betrachten es wohl insgeheim als ihr gutes Recht), verächtlich auf jene herabzublicken, deren Interessen sie doch vorgeblich vertreten.

Schamlose Parvenüs voller Basisverachtung

Die Beispiele dieser Verachtung schießen zur Zeit wieder ins Kraut, je stärker die Inflation galoppiert und je enger die Durchschnittsbürger den Gürtel schnellen müssen. Voller Hohn empfahl vorgestern SPD-Politikerin und EU-Vizepräsidentin Katarina Barley (monatliches Gehalt: 22.122,10 Euro, ohne Zulagen, Spesen, sonstige Vergütungen und Nebeneinkünfte) vorgestern bei „Hart aber fair“ einem Zuschauer, der sich sorgenvoll über die teuren Strom- und Energiepreise äußerte, er solle doch einfach Strom sparen: „Die Kilowattstunde, die ich nicht verbrauche, ist am billigsten.“ Nach dem Motto: Wenn Sie arm sind essen Sie doch einfach nichts mehr! Unweigerlich fällt einem hier das Marie-Antoinette (fälschlicherweise) zugeschobene Zitat ein: „Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen!„.

Mit dieser frappanten Dreistigkeit steht die völlig abgehobene EU-Frühstücksdirektorin Barley in ihrer Partei nicht alleine. Vor drei Wochen erst hatte ihre Parteivorsitzende Saskia Esken höchstpersönlich, die laut eigenen Angaben Einkünfte von über 47.000 Euro (davon 22.000 für ihre Bürobediensteten) bezieht, einem Rentner den „Tip“ gegeben, er solle zur Minderung des CO2-Preises am besten „in Wärmedämmung und klimafreundliche Heizung investieren„, für so etwas gäbe es schließlich, neben Förderungen, „günstige Kredite„. Auf den Hinweis des ehemaligen Maurers, er habe monatlich nur 1.500 Euro zum Leben, entgegnete Großverdienerin Esken zynisch: „Das müsste auch weiterhin zum Leben reichen.

Legendär und geradezu paradetypisch in diesem Zusammenhang übrigens immer noch das Statement der SPD-Politikerin Elfie Handrick aus Wustermark, die 2019 dem ZDF ihr gänzliches Unverständnis über das undankbare Gejammer der Normaldeutschen (natürlich im Kontext „Kampf gegen Rechts“) in die Kamera drückte:

Es ist übrigens derselbe Realitätsverlust, der auch den mutmaßlichen neunten Bundeskanzler Olaf Scholz längst ereilt hat. Mit rotzfrecher Nonchalance und taktischer Senilität lässt dieser gerade Veruntreuungsvorwürfe und einen handfesten Anfangsverdacht der Korruption im Fall der Cum-Ex-Affäre und eines 47-Millionen-Euro-Steuererlasses für die Warburg-Bank an sich abprallen (zur Relation: in Österreich tritt ein Bundeskanzler wegen eines weitaus geringfügigen Verdachts und laufenden Ermittlungen zurück, in Deutschland wird ein Minister trotz schwerwiegenden Verdachts und laufenden Ermittlungen Bundeskanzler!). Auch Scholz‘ Vorstellungshorizont übersteigen die Alltagssorgen der „einfachen Leute“ völlig: Mitten im Wahlkampf, Ende Juni, fand er bekanntlich nichts Verwerfliches dabei, seine völlige Unkenntnis und sein demonstratives Desinteresse an der Höhe der Spritkosten offen zu bekennen: Er kenne die aktuellen Literpreise nicht, schließlich tanke er nicht selbst. Für einen langjährigen Dienstwagenfahrer wäre soviel Bodenhaftung vermutlich auch zu viel verlangt.

All diese anekdotischen Beispiele, die sich praktisch beliebig fortsetzen lassen (und zwar auch ohne in die Skandale auf Länder- oder Kommunalebene einzusteigen, Stichwort Arbeiterwohlfahrt Frankfurt), belegen, was aus dieser SPD geworden ist und was sie im Jahr 2021 noch verkörpert: Einen Club von Absahnern, von weinsaufenden Wasserpredigern, von Heuchlern und Doppelmoralisten, die täglich zelebrieren, wie sehr ihnen die Regeln selbst am Allerwertesten vorbeigehen, deren Befolgung sie von anderen wie selbstverständlich erwarten. Der Maskenverstoß im Bundestag war hier nur ein entlarvendes Momentum; tatsächlich geht es um viel mehr: Die deutsche Sozialdemokratie hat ihre Seele verkauft, und sie hat – nach Deutschland als Nation und Heimat der Deutschen – auch noch ihre eigene Basis verkauft.

Immerhin bringt die SPD unter Walter-Borjans und Esken mit der Galionsfigur Scholz damit die günstigen Voraussetzungen mit für die politische Bigamie namens „Ampel“: Im gemeinsamen Koalitionsbett kann sie mit geistesverwandten Grünen und liberalen Opportunisten zeitnah das verwirklichen, was sie am besten beherrscht: Bevormunden, verteuern, den Menschen im Zeichen der Planetenrettung das Leben schwer machen und jeden Hedonismus als antisozial geißeln – was freilich ganz besonders Spaß bereitet, wenn man von den Konsequenzen der eigenen Entscheidungen selbst gar nicht betroffen ist. Hauptsache, es fühlt sich gut und richtig an.

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