Horst D. Deckert

Alle gegen den Wahlsieger: Österreichs politisches Establishment tanzt Dreiertango gegen FPÖ

In der Alpenrepublik bahnt sich etwas an, das man getrost als demokratiepolitischen Schachzug der besonderen Art bezeichnen könnte. Da gewinnt die FPÖ deutlich die Nationalratswahl, und was passiert? Das Establishment rückt zusammen wie eine Wagenburg bei einem Indianerangriff. Offensichtlich lautet das Motto „Alle gegen die Freiheitlichen“.

Bundeskanzler Karl Nehammer, seines Zeichens Chef der zweitplatzierten ÖVP, führt einen politischen Spagat auf, der selbst einen Zirkusakrobaten vor Neid erblassen ließe. Nach vier – man höre und staune – „konstruktiven“ Sondierungsgesprächen mit der SPÖ verkündet er nun, dass das Duo zum Trio erweitert werden soll. Wie praktisch, dass die NEOS schon in den Startlöchern stehen. Die Mathematik dahinter ist durchsichtig: Eine hauchdünne Mehrheit von einer Stimme zwischen ÖVP und SPÖ reicht nicht aus, um ruhig schlafen zu können. Also holt man sich die NEOS ins Boot – quasi als demokratische Rückversicherung.

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger, die bereits beim 90-minütigen Kennenlern-Kaffeeklatsch dabei war, stellt „Bedingungen“. Sie fordert „Reformwillen“ – ein Wort, das in österreichischen Regierungskreisen normalerweise als Fremdwort gehandelt wird. Wirtschaftsstandort stärken, Bildungsreform – klingt gut, kostet nichts. Zumindest, solange es nur Worte sind. Besonders pikant: Die FPÖ unter Herbert Kickl, die mit 29,1 Prozent als Wahlsiegerin hervorging, steht draußen in der Kälte. Niemand will mit ihr spielen, schon gar nicht der grüne Bundespräsident Van der Bellen, der kurzerhand die zweitplatzierte ÖVP mit den Sondierungsgesprächen beauftragte. Democracy at its finest, könnte man sarkastisch sagen.

Die Grünen, die mit 8,7 Prozent reichlich Federn lassen mussten, spielen in diesem politischen Theater bestenfalls eine Nebenrolle. Sie können von der Zuschauertribüne aus beobachten, wie sich das neue Dreierbündnis formiert – vorausgesetzt, es kommt tatsächlich zustande.

Für die Sondierungsgespräche gibt es übrigens keine Frist. Zwei bis drei Monate sind üblich – genug Zeit also, um alle Einzelheiten dieser politischen Pseudo-Vernunftehe auszuhandeln. Oder wie man in Wien sagen würde: „Schauma mal, dann seng mas eh.“ Die österreichische Demokratie zeigt sich hier von ihrer pragmatischsten Seite: Wenn der Wähler nicht das gewünschte Ergebnis liefert, bastelt man sich eben eine Mehrheit, die einem genehm ist.

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