Horst D. Deckert

Angebotsorientierte Energiepolitik– Atypische Netznutzung

Unternehmen, die bedarfsgerecht Strom beziehen, passen nicht ins grüne System zufälliger Stromlieferungen. Sie werden nun als „atypisch“ erklärt und sollen sich flexibilisieren. Nicht die Netznutzung ist atypisch, sondern die deutsche Energiepolitik.

Von Frank Hennig

Die Bundesnetzagentur (BNA) teilte mit Schreiben vom 23. Juli den Konsultationsbeginn zu einem „Eckpunktepapier zur Fortentwicklung der Industrienetzentgelte“ mit. Die bisherigen Regelungen aus der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) seien nicht mehr zeitgemäß, sie begünstigten bezüglich der Netzentgelte Betriebe mit hohen Nutzungsstunden und bestimmten Nutzungszeiten, was den aktuellen Anforderungen des auf hohen Anteilen „erneuerbarer Stromerzeugung“ beruhenden Stromsystems nicht mehr entspreche.

Mit anderen Worten: Unternehmen, die bedarfsgerecht Strom beziehen, passen nicht mehr ins grüne System zufälliger Stromlieferungen. Sie sollen sich flexibilisieren im Sinne des Demand Site Managements (DSM), also der Regelung der Verbraucherseite. Unter den sogenannten Flexibilitätsoptionen zur Netzregelung wird diese Möglichkeit immer häufiger genannt, je weniger die Erzeugerseite flexibel ist. Wenn in Echtzeit ungeregelter Naturstrom auf wechselnden Bedarf trifft und trotzdem die Netzfrequenz in engen Grenzen gehalten werden muss, bleibt nur die Anpassung auf der Verbraucherseite.

Bedarfsgerechter oder konstanter Strombezug wird nun als „atypisch“ erklärt, das ist ein neues Niveau der Energiewendekommunikation. Wer ist schon gern atypisch, weicht von der Norm ab, ist unnormal? Der Schwarze Peter wird weitergeschoben. Nicht der verfehlte Ansatz der isoliert deutschen, also deutschnationalen Energiewendepolitik legt die Ursache, sondern ein „atypisches“ Verbraucherverhalten. Weitet man diese Zuschreibung auf die Haushaltsverbraucher aus, so handelt jeder atypisch, der nach Sonnenuntergang das Licht einschaltet. Es steht nicht im Einklag mit dem Aufkommen an PV-Strom.

Ahistorisch statt atypisch

Die Regelung der Verbraucherseite ist ein Rückschritt in mittelalterliche Verhältnisse. Generationen vor uns haben daran gearbeitet, in ihrer Energieversorgung unabhängig von den Launen der Natur zu werden. Endgültig geschafft wurde dies durch die Nutzung der Kohle und dem Einsatz von Dampfmaschinen. Die planbare und bedarfsgerechte Bereitstellung von Energie ebnete den Weg zur Industrialisierung, zu immer weiterer Arbeitsteilung, steigender Effektivität der Produktion, zu mehr Wertschöpfung pro Beschäftigtem, zu sinkenden Preisen und steigenden Löhnen. Bedingung der zunehmenden Arbeitsteilung war eine immer ausgefeiltere Logistik mit dem Ziel, dass Material wie auch Energie zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Menge am richtigen Ort sein müssen.

Genau das können Wind- und Solarstrom nicht leisten. Anstelle die Subventionierung der Naturenergie von deren sicherer Lieferung und Regelfähigkeit abhängig zu machen, fördert die Ampelregierung weiterhin grünen Zufallsstrom, egal wann und wie viel geliefert wird. Durch den nachhängenden Netzausbau nicht ableitbarer Strom wird sogar „entschädigt“; muss er im Ausland kostenpflichtig entsorgt werden, tritt volkswirtschaftlicher Schaden ein. Die „Erneuerbaren“-Betreiber stehen bei uns wie vor 25 Jahren unverändert im Streichelzoo.

Einer muss es tun

Physikalisch ist ein Netzbetrieb mit überwiegend zufälliger Stromproduktion aber nicht möglich, wenn der Verbrauch nicht angepasst wird. Kommunikative Vorfeldarbeit leistete Silvia Kotting-Uhl (Grüne) in ihrer Rede im Bundestag am 14. April 2021. Auf einen AfD-Antrag antwortete sie in bekannter Kernkraftpanik und Unkenntnis des Funktionierens eines Stromsystems, dass es künftig keine Grundlast mehr gäbe und „die Zukunft wird flexibler sein, spannender, ja, auch anspruchsvoller: nicht mehr nachfrage-, sondern angebotsorientiert …“.

Das kann man ihr persönlich nicht übelnehmen, sie war Studentin der Germanistik, Anglistik und Kunstgeschichte, arbeitete etwas als Theaterdramaturgin und entschied sich dann für ein „alternatives Leben im Kraichgau mit Selbstversorger-Tendenzen“. Beste Voraussetzungen also, um unter schwarz-roter Merkel-Mehrheit den Vorsitz des Bundestags-Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit zu übernehmen.

Überrascht war ich, dass nach dieser ihrer Aussage kein Aufschrei durch Politik und Wirtschaft ging. Möglicherweise vermuteten die opportunistischen Manager der Industrie, von permanenter Suche nach Fördermitteln abgelenkt, dass es eine leere Ankündigung sein würde, während die Politiker anderer Parteien, ausgenommen die AfD, die Anschlussfähigkeit an die Grünen erhalten wollten. Nun bleibt es nicht bei der Ankündigung und es wird spannender allemal, hoffentlich nicht spannungslos. Jedenfalls werden wir auf diese Weise künftig kein Industrieland mehr sein.

Alternativlose Entscheidungen

Am Ende müssen die Manager doch wieder an ihr Betriebsergebnis denken. Nicht nur weiter steigende Energiepreise sind einzukalkulieren, künftig auch die abnehmende Verfügbarkeit von Energie, zumindest von Elektrizität mit der Folge einer Zuteilung von Energie, anders formuliert einer Rationierung. Die Abschaltpolitik und der vergebliche Versuch, durch zufälligen Naturstrom Ersatz schaffen zu wollen, werden zu Mangel führen. Unternehmen der Grundstoffindustrie, der Chemie und Metallurgie, die überwiegend 24/7 in Betrieb sind, können die Produktion kaum variieren und nur zum Preis der Zerstörung ihrer Anlagen die Produktion unterbrechen. Einem vollflexiblen Einsatz der Arbeitnehmer würde auch das Arbeitszeitgesetz im Weg stehen.

Das Schreiben der BNA wird für Vorstände und Aufsichtsräte Anlass sein, ihre Unternehmensstrategien zu überdenken. Investiert wird mit großer Wahrscheinlichkeit künftig dort, wo Energie günstig, sicher und bedarfsgerecht zur Verfügung steht. Das wird in Deutschland nicht mehr der Fall sein.

Das Denken in Zusammenhängen bereitet Grünen wie dem Chef der BNA traditionell Probleme. Primat haben Ideologie und das Wohlergehen der „Erneuerbaren“-Branche. Nicht die Netznutzung ist atypisch, sondern die deutsche Energiepolitik.

Der Beitrag erschien zuerst bei TE hier

 

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