
Wie kann es sein, dass es drei Tage vor der angeblich wichtigsten Richtungswahl dieses Landes (in der am Ende doch wieder nur die zwischen Pest und Cholera getippt werden darf) Personen in die Schlagzeilen schaffen, die außer der Eigenbezeichnung „Aktivist*In“ nichts vorzuweisen haben, und damit die Plattformen nutzen dürfen, die eigentlich den kandidierenden Politikern und Parteien zustehen müssten? Mit welcher Legitimation wird die unerbetene Wahleinmischung einer von niemandem gewählten, durch keinerlei Fachkompetenz oder Berufserfahrung beleckten „Schmalspurakademikerin“ (Bachelor of Science), Klimatröte Luisa Neubauer, mit höchstem Nachrichtenwert geadelt?
Ist es nur das übliche „betreute Denken“ durch die journalistische Sympathisantenszene, oder soll noch mehr Erstwählerwahlkampf für die Grünen gemacht werden? Reichen die enervierenden Meldungen über Antifa-Shirt-tragende Hungerstreikende im Klima-Camp vor dem Reichstag (bzw. im Krankenhaus) oder Berichte über Wahlmanipulation per grünem Enkeltrick nicht mehr aus, muss auf den letzten Metern jetzt auch noch die kesse Langstrecken-Luisa aufgeboten werden?
Offenbar ja. Interessant ist nicht, wofür die auch diesmal wieder rund 5.000 Wahlbewerber stehen, die bundesweit für den demnächst monströsesten Reichstag aller Zeiten, diese Tausend-Deputierten-Volkskammer des besten Deutschlands aller Zeiten, kandidieren . Auch kommen keine überfälligen Erklärungen zu realen Zukunftsproblemen des Landes zur Sprache, um die sich die „K-Bewerber“ in ihren Triellen herumdrücken, indem sie sich auf Scheinprobleme von Mietbremse über Mobilitätswende und Windräder bis zum Kampf gegen Querdenker und Rechts kaprizieren: Nichts Konkretes über Rente, über Inflation (Spritpreis!), über zerfallende innere Sicherheit.
Infantile Feelgood-Blase
Dafür meldet dann wieder mal das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ – wo Neubauer schon öfters die deutsche Politik „rügen“ durfte – und eine ganze Reihe nachberichtender Medien, dass Klein-Luischen den laufenden Bundestagswahlkampf als „wirklichkeitsbefreit“ ansieht – weil es darin nicht angemessen um das einzige Thema ginge, das in der Wahrnehmung ihrer elitären FFF-Sekte alles dominiet: die ewige Klimakrise, die von den etablierten Parteien (mit Ausnahme der Grünen natürlich) allesamt zu stiefmütterlich und „unehrlich“ angegangen werde. Eigentlich dürfte das, was eine Luisa Neubauer zur Wahl zu sagen hat, jenseits der infantilen Feelgood-Blase ihrer Anhängerschaft keinen jucken. Doch Haltungssender, -agenturen, -portale und -zeitungen denken sich: Ein subtiler Aufruf zur Revolte kann nicht schaden.
Es ist anscheinend ein völlig neues Verständnis von Demokratie, das hier zum Tragen kommt: Vertreter von Partikularinteressen ergreifen kurz vorm Wahltag die Stimme und dürfen dank einer abnormen Fehlpriorisierung von Einzelthemen ihren Senf abgeben, wo eigentlich – wenn überhaupt – nur die zur Wahl stehenden Parteiprogramme interessieren dürften und ansonsten eine möglichst differenzierte journalistische Einordnung gefragt wäre. Wahlkampf-Aktivismus ist mittlerweile ebenso en vogue wie alle anderen Formen von „Aktivismus“, und deutsche Medien betätigen sich eifrig als „Influencer“. Mit reifer politischer Selbstbestimmung hat dies nichts mehr zu tun. Aber es fühlt sich gut an – das ist die Hauptsache.