Horst D. Deckert

Anti-Israel-Front in Südamerika wächst: Bolivien holt Botschafter zurück

Die bolivianische Regierung gab am Dienstag bekannt, sie werde die diplomatischen Beziehungen zu Israel „unterbrechen“ und begründete das mit dem Vorwurf, Israel begehe mit seinen Angriffen auf Gaza Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Auch Kolumbien und Chile beriefen kürzlich aus demselben Grund ihre Botschafter zurück. 

Kritik an Israel kommt auch aus Argentinien und Brasilien, zum Missfallen von Tel Aviv. Jetzt rumort es auch in der UNO. Der Direktor des UN-Menschenrechtsbüros warf Israel Völkermord vor und legte sein Amt zurück. 

Unverhältnismäßig

Boliviens Vize-Außenminister Freddy Mamani sagte, die Entscheidung sei „in Ablehnung und Verurteilung der aggressiven und unverhältnismäßigen israelischen Militäroffensive“ und der „Bedrohung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit“ getroffen worden. Bolivien hatte bereits 2009 aus Protest gegen Angriffe im Gazastreifen die diplomatischen Beziehungen zu Israel abgebrochen. Unter der Präsidentschaft von Jeanine Anez wurden sie 2020 wieder aufgenommen. 

Kollektive Bestrafung

Auch Chile kündigte an, es werde seinen Botschafter abberufen, Israel verstoße mit den Angriffen auf Gaza gegen das humanitäre Recht. Chiles Außenministerium verglich in einer Erklärung die Militäreinsätze Israels mit einer „kollektiven Bestrafung der palästinensischen Zivilbevölkerung in Gaza“. Tel Aviv missachte „grundlegende Normen des Völkerrechts“. In Chile lebt die weltweit größte palästinensische Diaspora außerhalb des Nahen Ostens. 2014 gab es während eines früheren Gaza-Krieges dort massive Demonstrationen, die Menschen forderten den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Israel. Die aktuelle Entscheidung könnte damit zusammenhängen. 

Aus Freund wird Feind

Kolumbien lehnte kürzlich ebenso das Vorgehen Israels auf das Schärfste ab und drohte mit dem Abbruch der Beziehungen. Die bisher engen Verbindungen zwischen den beiden Ländern haben sich in den letzten Wochen massiv verschlechtert. Der Präsident Kolumbiens hatte davor die Angriffe auf Gaza in einem Nazi-Vergleich verurteilt und sich geweigert, den Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 auf Israel zu verurteilen. Israel kündigte daraufhin an, seine Sicherheitsexporte nach Bogota einzustellen. Bolivien ist darauf angewiesen und ruderte zurück. 

Israel verärgert

In Richtung Kolumbien und Chile ließ Israels Außenministerium wissen: Man erwarte von diesen Ländern, dass sie das Recht eines demokratischen Landes auf Schutz seiner Bürger unterstützen und die sofortige Freilassung aller Entführten fordern und sich nicht mit Venezuela und dem Iran verbünden, um den Hamas-Terrorismus zu unterstützen“. Chiles Schritt kritisierte Israel schon davor als „Kapitulation vor dem Terrorismus und dem Ayatollah-Regime im Iran“.

Ideologie-Wandel 

In Chile, Kolumbien und Bolivien regieren jetzt linke Präsidenten. Lateinamerikas Haltung gegenüber Israel ist nach Ansicht von Analysten in einer ideologischen Kluft zwischen „links und rechts gefangen“. Der Linksruck in vielen lateinamerikanischen Ländern, ab den 2000er Jahren, habe sich negativ auf die Politik gegenüber Israel ausgewirkt. Während ein Rechtsruck Mitte der 2010er Jahre zur einer „drastischen positiven“ Änderung der Politik gegenüber dem globalen Norden, den USA und im weiteren Sinne auch mit Israel geführt habe. 

UNO-Direktor geht

Mittlerweile rumort es auch in der UNO. Craig Mokhiber, Direktor des UN-Menschenrechtsbüros (OHCHR) in New York, trat kürzlich von seinem Amt zurück. Er wirft Israel Völkermord vor. Sein Rücktrittsbrief wurde am Dienstag veröffentlicht. Die UNO habe vor der Macht der USA kapituliert, statt ihre Aufgabe zu erfüllen. „Wieder einmal erleben wir, wie sich vor unseren Augen ein Völkermord abspielt, und die Organisation, der wir dienen, scheint machtlos, ihn zu stoppen.“ Die Regierungen der USA, Großbritanniens und weiter Teile Europas seien ihren internationalen Verpflichtungen nicht nachgekommen. Sie seien mit schuldig an dem schrecklichen Angriff und bieten Israel politische und diplomatische Deckung für seine Gräueltaten. 

Guterres unter Beschuss

Schon davor war es zu einem Eklat zwischen Israels UNO-Botschafter Gilad Erdan und UNO-Chef Antonio Guterres gekommen. Dies, nachdem Guterres bei einem Treffen des Sicherheitsrates feststellte, die Attacken der Hamas auf Israel seien nicht in einem Vakuum entstanden. Erdan forderte Guterres zum Rücktritt auf. Auf X postete er wütend: „Der Generalsekretär, der Verständnis für die Massenmordkampagne an Kindern, Frauen und älteren Menschen zeigt, ist nicht geeignet, die UN zu leiten. Ich fordere ihn auf, sofort zurückzutreten. Es gibt weder eine Rechtfertigung noch einen Sinn, mit denen zu sprechen, die Mitgefühl für die schrecklichsten Gräueltaten zeigen, die gegen die Bürger Israels und das jüdische Volk begangen wurden. Da fehlen einem einfach die Worte.“ 

Zum Autor: Kornelia Kirchweger war Journalistin bei „Austria Presse Agentur“, Bundespressedienst, „BBC“, „Asahi Shimbun“. Fokus: EU, Asien, USA, Afrika. Seit 2016 beim „Wochenblick“. Rockte die sozialen Medien mit ihrem offenen Brief an Greta Thunberg und machte gegen den UNO-Migrationspakt mobil.

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